Grüner Daumen – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Gleichnis vom Sämann

Lesezeit: ~ 6 Min.

Grüner Daumen – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Gleichnis vom Sämann, verkündigt von Pastor Christian Rommert, veröffentlicht am 12.6.21 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Mit seiner Interpretation vom „Gleichnis vom Sämann“ zeigt Pastor Rommert einmal mehr, dass auch seine „Heilige Schrift“ als Grundlage für moderne ethische Standards unbrauchbar ist. Obwohl die Bibel sogar die Erklärung zum „Gleichnis vom Sämann“ mitliefert, denkt sich Pastor Rommert lieber eine verharmlosend uminterpretierte Version aus.

Die Tochter blieb verschont…

Anlässlich des „Tag des Gartens“ heischt Pastor Rommert erstmal mit ein bisschen Understatement beim Publikum um Sympathie und Wohlwollen: Die Zuschauer erfahren, dass der Pastor keinen „Grünen Daumen“ hat. Gärtnern liegt ihm nicht.

Dass auch seine Tochter dem Garten-Trend folgt und sich mit ihrem Freund ein Hochbeet gebaut hat, kommentiert Herr Rommert in Anbetracht des damit verbundenen Arbeitsaufwandes so:

[…] Am liebsten hätte ich den Beiden gesagt: Lasst es! Und als studierter Pastor hätte ich ihnen noch die Geschichte erzählt vom Sämann aus der Bibel. Denn selbst so ein Hochbeet kann schnell sehr anstrengend werden! Bei meiner Tochter hab ich sie für mich behalten, diese biblische Geschichte. Aber hier erzähl ich sie einmal:
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Grüner Daumen – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pastor Christian Rommert, veröffentlicht am 12.6.21 von ARD/daserste.de)

Herr Rommert, können Sie mir bitte verraten, warum Sie Ihre Tochter vor Ihren biblischen Anwandlungen verschont haben?

War Ihnen vielleicht selbst aufgefallen, dass die eigentliche Aussage des biblischen Gleichnisses vom Sämann beim besten Willen nichts mit dem von Ihnen befürchteten Hochbeet-Arbeitsaufwand Ihrer Tochter zu tun hat? Außer, dass beides irgendwas mit Anpflanzen zu tun hat?

Oder hatte Sie Ihre Tochter vielleicht schon mal, vielleicht auch mal deutlicher als Ihr restliches Umfeld, wissen lassen, dass Sie ihr mit Ihrem studierten Pastorenwissen bitte nicht auf den sprichwörtlichen Sack gehen mögen?

Vom Fernsehpublikum der ARD haben Sie freilich keine Einwände zu erwarten. Dem können Sie alles erzählen, was Sie sich aus Ihrer Heiligen Schrift zusammengepickt haben. Und die Einschaltquote kann Ihnen dabei ja augenscheinlich auch egal sein.

Gleichnis vom Sämann: Geht es um Geduld?

Es folgt eine Nacherzählung des biblischen Gleichnisses, vermischt mit Schilderungen der glücklosen Versuche des Pastors, im Garten irgendetwas zum Blühen zu bringen.

Die Aussage der Perikope vom Sämann fasst er so zusammen:

Jesus erzählt diese Geschichte, weil er deutlich machen will, dass es Geduld braucht, bis etwas Neues aufblüht und wächst. Spannend!

Wer am Wegesrand, auf Felsen oder zwischen Dornen sät, dem mangelt es nicht an Geduld. Sondern an gärtnerischem Grundwissen.

Schaut man genauer hin fällt auf, dass alle Gründe, warum das Pflanzvorhaben des Sämannes aus dem Gleichnis zunächst scheitert, mit der Beschaffenheit der besäten Fläche zusammenhängen. Und nicht etwa mit der Qualität der Sämereien.

…zu doof, zu kritisch oder zu gleichgültig

Im zurück-übertragenen, also im eigentlich gemeinten Sinn bedeutet das: Wenn sich das „Wort Gottes“ nicht so verbreitet, wie man es von einer übergeordneten, ewigen göttlichen Wahrheit eigentlich erwarten würde, dann liegt das natürlich niemals an der Botschaft. Sondern immer an den Menschen. Die eben zu doof, zu kritisch oder zu gleichgültig sind, um es anzunehmen:

  • Die Deutung des Gleichnisses vom Sämann
    So hört nun ihr dies Gleichnis von dem Sämann: Wenn jemand das Wort von dem Reich hört und nicht versteht, so kommt der Böse und reißt hinweg, was in sein Herz gesät ist; das ist der, der an den Weg gesät ist. Der aber auf felsigen Boden gesät ist, das ist, der das Wort hört und es alsbald aufnimmt mit Freuden; aber er hat keine Wurzel in sich, sondern er ist wetterwendisch; wenn sich Bedrängnis oder Verfolgung erhebt um des Wortes willen, so kommt er alsbald zu Fall. Der aber unter die Dornen gesät ist, das ist, der das Wort hört, und die Sorge der Welt und der trügerische Reichtum ersticken das Wort, und er bringt keine Frucht. Der aber auf das gute Land gesät ist, das ist, der das Wort hört und versteht und dann auch Frucht bringt; und der eine trägt hundertfach, der andere sechzigfach, der dritte dreißigfach.
    (Mt 13, 18-23 LUT)

Die „Guten“ sind die, die glauben. Bei denen die religiöse Lehre, um im Bild zu bleiben, auf „fruchtbaren Boden“ fällt.

Die „Bösen“ sind die, die, egal aus welchen Gründen, nicht oder nicht ausreichend glauben.

Dass es genau darum, und nicht etwa um gärtnerische Geduld geht, wird in vielen weiteren Jesus-Gleichnissen noch deutlicher. So zum Beispiel auch in dem, das direkt im Anschluss an das zu finden ist, für das sich Herr Rommert zur Füllung seiner Sendeminuten entschieden hatte.

…damit man es verbrenne

Dabei geht es hier auch wieder um Themen, die sich bestens für einen Beitrag mit Bezug zum „Tag des Gartens“ hätten verwursten lassen (Hervorhebungen von mir):

  • Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du also, dass wir hingehen und es ausjäten? Er sprach: Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt in meine Scheune.
    (Mt 13, 24-30 LUT)

Dass engagierte Christen solche Gleichnisse durchaus auch wörtlich interpretiert haben, ist erschreckend eindrucksvoll in der 10bändigen „Kriminalgeschichte des Christentums“ nachzulesen.

Und diese Christen waren selbstverständlich felsenfest davon überzeugt, dass sie das „Wort Gottes“ genau richtig verstanden hatten. Besonders das mit dem Verbrennen…

Vom Sämann zu Corona

Irgendwie scheint Pastor Rommert jetzt das Interesse an Gärtnerthemen verloren zu haben. Und schwenkt um zu – Corona:

Hat Corona die Welt zum Besseren verändert? Oder uns?

Denn bei ihm steht es drei zu eins für das Klappt-eh-Nicht! Und doch lohnt es sich! Eine Eins-zu-Drei Chance, dass etwas Gutes wächst! Oder wie Jesus das nennt: dass das Reich Gottes, die neue Welt Gottes aufblüht. Eins zu drei! Das entspricht in etwa auch meiner mühevollen Erfahrung mit der Gartenarbeit.

Das bringt uns nochmal zurück zur Frage, ob es nicht vielleicht auch an der Qualität der Samen liegen könnte, wenn die Saat nicht aufgeht.

Mit der Frage, ob Corona die Welt zum Besseren verändert, weicht Herr Rommert der mindestens genauso spannenden Frage aus, ob denn Religion die Welt zum Besseren verändert.

Und da halte ich starke Zweifel für angebracht, wenn man bedenkt, was Menschen schon alles verbrochen haben im festen Glauben, damit zur Errichtung des „Reiches“ ihres jeweiligen Gottes beigetragen zu haben. Es ist keineswegs so, dass es Menschen dadurch besser geht, wenn Gläubige meinen, irgendwo Reiche für ihre Götter errichten zu müssen. Im Gegenteil.

Banale Erkenntnis

Nicht nur in der Bibel, auch bei Herrn Rommert wird das Glaubenskonstrukt ganz selbstverständlich mit „das Gute“ gleichgesetzt:

Das entspricht in etwa meiner Erfahrung mit Veränderungen zum Guten! Was haben wir am Anfang gehofft: Corona ist eine Chance!

Hat Corona uns zu besseren Menschen gemacht? Impfneid! Alt gegen jung! Machtmissbrauch und Maskenskandale. Veränderung zum Guten? Drei zu eins für das Negative. Da ist vieles wieder weggepickt worden oder vertrocknet.

Dass Krisen negative, aber auch positive Auswirkungen haben können, ist eine banale Erkenntnis. Eine passend zur Bibelstelle konstruierte „Drei-zu-Eins“-Mehrheit für das Negative halte ich für wenig zielführend.

Was ist „das Gute“?

Drei zu eins. Deshalb bin kein begeisterter Gärtner. Aber was meinen Glaube an das Gute angeht? Was meinen Glauben daran angeht, dass ein dankbareres, achtsameres, liebevolleres Leben möglich ist, da bleib‘ ich begeistert – drei zu eins heißt auch immer eins zu drei, dass immer etwas Gutes übrig bleibt.

Das Gleichnis, das Jesus erzählt, macht mir Mut für das Aussäen von Menschlichkeit und Liebe.

Quelle: Düsseldorfer Aufklärungsdienst DA!
Quelle: Düsseldorfer Aufklärungsdienst DA!

In dem Gleichnis geht es gar nicht um Menschlichkeit und Liebe. Sondern um die wahnwitzige Idee, die Welt wäre eine bessere, wenn sich alle Menschen dem Berge-Wetter-Wüsten-Kriegs-Rache-Provinzial-Stammesgott Jahwe unterwerfen.

Alle biblischen Appelle zu Mitmenschlichkeit basieren auf dem Vertrauen darauf, dass Gott persönlich durch die denkbar grausamste, weil ewige Bestrafung dereinst für eine ausgleichende Gerechtigkeit sorgen wird.

Da bis zum Beweis des Gegenteils von der Nicht-Existenz auch dieses Gottes ausgegangen werden kann, ist die Bibel als Moralquelle schon allein aus diesem Grund unbrauchbar.

Moderne ethische Standards und Werte orientieren sich nicht mehr an angeblichen Absichten und Wünschen von erfundenen magischen Himmelswesen. Die sich genau so verhalten, als ob es sie gar nicht gäbe.

Das „gute Land“

Drei zu Eins – das heißt, etwas fällt immer auf das gute Land. Und dieses Etwas ist mehr als nichts und darauf, darauf kommt es an!

Das „gute Land“ steht im Gleichnis vom Sämann als Metapher für die „Rechtgläubigen.“ Und nicht für „das Gute“ im Menschen. Das entscheidende Kriterium ist hier nicht das Verhalten eines Menschen. Sondern die Anerkennung und Verehrung des „richtigen“ Gottes.

Was kaum erstaunen kann. Wenn man bedenkt, dass der biblisch-literarische Jesus darin die einzige Chance sah, der göttlichen Bestrafung zu entgehen, die das von ihm fälschlicherweise für kurz bevorstehend gehaltene „Jüngste Gericht“ mit sich bringen würde. Wenn man sich nicht seinem, sondern anderen oder keinen Göttern unterwerfen würde.

Die Hoffnung, die die Menschheit tatsächlich haben kann, ist der Mensch selbst. Und keine fiktive göttliche Hilfe.

Das heutige „Wort zum Sonntag“ zeigt einmal mehr, wie unbrauchbar die biblischen Narrative sind, wenn es um moderne ethische Standards und um die Werte geht, auf denen heute offene und freie Gesellschaften erblühen können.

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