Leben teilen – das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 5 Min.

Leben teilen – das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht von ARD/daserste.de am 28.05.2022

Darum geht es

Diesmal gilt es für Herrn Welter, das Motto des diesjährigen Katholiken-Frühlingsfestes unters Volk zu bringen: „Leben teilen.“

Das versteht Herr Welter unter „Leben teilen“

Zum Einstieg verdeutlicht Herr Welter an drei Beispielen, was er darunter versteht:

Er selbst ist wieder bei seiner hochbetagten Mutter eingezogen. Um jetzt sein Leben mit ihr zu teilen.

Im zweiten Beispiel begleitet der Adoptionsdienst der katholischen Frauen der Caritas eine Adoption. Das Motto „Leben teilen“ bezieht sich dabei offenbar nicht auf die Adoption selbst. Also in dem Sinne, dass eine Mutter das Leben ihres Kindes mit den Adoptiveltern teilt oder so.

Sondern darauf, dass die Angestellten des sozialen Dienstleisters ihre Arbeit tun. Und die besteht in diesem Bereich nun mal darin, sich um andere Menschen zu kümmern.

Schließlich berichtet er noch von einem Mann aus seiner früheren Kirchengemeinde, der die Jahre, in denen er seine an Demenz erkrankte Mutter in deren Haus gepflegt hatte als die kostbarste Zeit seines Lebens bezeichnet.

Wir haben hier also zwei Beispiele, in denen Menschen aus familiären Gründen ihr „Leben teilen.“ Und ein Beispiel, in dem Menschen das berufsbedingt tun.

Da sich ja auch glaubensfreie Menschen und solche, die an andere Götter als an den Bibelgott glauben so verhalten, gilt es jetzt für Herrn Welter, dieses Verhalten noch in einen biblisch-christlichen Kontext zu bringen. Schließlich geht es ja im „Wort zum Sonntag“ darum, diesem Glaubenskonstrukt eine Relevanz anzudichten.

Katholische und andere Christenmenschen

„leben teilen“. Das ist seit Mittwoch das Leitwort des 102. Deutschen Katholikentags. Anders als früher ist das Motto kein wörtliches Zitat aus der Bibel.

Aber ganz viel Bibel steckt drin in diesem Treffen von katholischen und anderen Christenmenschen –

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Leben teilen – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht von ARD/daserste.de am 28.05.2022)

Auch die Hinzunahme von „anderen Christenmenschen“ konnte nichts daran ändern, dass dieser Kirchentag mit erfreulich goßem Abstand der mit den wenigsten Besuchern überhaupt war:

  • Nach rund 90.000 Teilnehmern des letzten Katholikentags 2018 in Münster nahmen magere 27.000 Menschen am Katholikentag in Stuttgart teil – rund 7.000 davon Mitwirkende mit Umsonst-Karten. Die öffentliche Hand hat demnach jede gekaufte Karte mit 217 Euro gefördert. (Quelle: Daniela Wakonigg via hpd.de: Kommentar zum Katholikentag 2022: Es reicht mit der staatlichen Kirchenkuschelei!)

Bibel gelesen, ausgelegt und praktiziert

Bibel gelesen, ausgelegt und praktiziert: das heißt auch „leben teilen“.

Wer wissen möchte, was bei der Anwendung von Bibel gelesen, ausgelegt und praktiziert schon so alles herausgekommen ist, dem sei die 10bändige Kriminalgeschichte des Christentums zur Lektüre empfohlen. Solange die Kirche noch die Macht dazu hatte, hätte das Motto wohl eher „Leben zerteilen“ geheißen.

Und ergänzend empfiehlt sich ein Blick auf die Verbrechen, die die gegenwärtige Kirche zu verantworten hat.

Engagierte Christen

Das letzte vatikanische Konzil hat es ein wenig anders gesagt, aber auch so auf den Punkt gebracht: Christus homini hominem revelavit – Christus offenbart DEM Menschen DEN Menschen. Das passiert im hochsensiblen, mehrfach berührten Leben rings um eine Adoption. Es zeigt sich, wo Söhne und Töchter sich um ihre alten oder kranken Eltern sorgen. Leben teilen Christinnen und Christen weltweit, die sich engagieren für und mit Menschen im Wahnsinn eines Krieges – nicht nur, aber jetzt gerade besonders deutlich in der Ukraine. Und es findet auch statt, wo Menschen diskutieren, ob Kirche Leben teilt – oder ob sie Leben und Teilen verhindert.

Nicht nur Christinnen und Christen engangieren sich weltweit für Menschen in Not. Und umgekehrt tun das längst nicht alle Christinnen und Christen. Gerade besonders deutlich in der Ukraine. Die von einer Armee angegriffen wird, die von sich behauptet, im Namen und Auftrag desselben Gottes einzumarschieren, zu zerstören und zu töten.

Altruistisches Verhalten ist keine genuin christliche Angelegenheit. Im Gegenteil: Monotheistische Religionen wie das Christentum liefern eine Basis für Ab- und Ausgrenzung. Und für einen auf Gott projizierten Egoismus.

Im biblischen Sinn bezieht sich Mitmenschlichkeit auf die Zugehörigen der Glaubensgemeinschaft, die ingroup. Und selbst hier geht es primär nicht um die Mitmenschen. Sondern um das eigene „Seelenheil.“

Das, was Herr Welter als „Auslegung“ der Bibel bezeichnet, um zu altruistischem Verhalten zu kommen, ist nichts anderes als ein Hineininterpretieren von Werten, die nicht aus der Bibel stammen.

Warum sich Menschen mitmenschlich verhalten, lässt sich schlüssig evolutionär erklären: Ein solches Verhalten hatte die Überlebenschancen von in Gruppen lebenden Individuen verbessert und sich deshalb evolutionär durchgesetzt.

Und zwar schon Jahrhunderttausende, bevor sich Menschen den christlichen Gottessohn ausgedacht hatten. Auch ist dieses Verhalten nicht auf die Trockennasenaffenart Mensch begrenzt. Es lässt sich auch bei anderen Spezies beobachten, die in Gesellschaften zusammenleben.

GuV

leben teilen – das heißt auch: Leben TEILEN ist nicht Verlust, sondern Gewinn.

Kosten
Quelle: 11tes Gebot via Facebook

A propos Verlust und Gewinn: Auch bei diesem Kirchentag hat die Kirche nicht nur Leben, sondern wieder auch Kosten „geteilt“:

  • Laut katholisch.de werden für das Glaubensfest nur noch 25.000 Besucher erwartet, darunter 19.000 Dauerteilnehmer und 6.000 Tagesgäste. Zieht man hiervon jedoch die eingerechneten 7.000 Mitwirkenden ab, sind es nur noch 18.000 Besucher. Pro Kopf ergibt das eine staatliche Förderung in Höhe von 241 Euro.
    Der Katholikentag in Stuttgart wird insgesamt mit 4,35 Millionen Euro von der öffentlichen Hand gefördert. Im Einzelnen gibt das Land Baden-Württemberg 2 Millionen Euro, der Bund 500.000 Euro und die Stadt Stuttgart 1,5 Millionen Euro. Die Stadt fördert das religiöse Sommerfest laut Ratsbeschluss aber zusätzlich auch in Form von Sachleistungen und Gebührenbefreiungen im Wert von 350.000 Euro (letztere fehlen in den Berichten über die Finanzierung des Katholikentags oftmals). Von den Gesamtkosten in Höhe von 10,65 Millionen Euro trägt die öffentliche Hand daher 40,8 Prozent. (Quelle: Das 11. Gebot / Giordano-Bruno-Stiftung via hpd.de: 241 Euro pro Besucher – Höchste staatliche Pro-Kopf-Förderung für den Katholikentag aller Zeiten)

Nochmal sei in diesem Zusammenhang auf die Kunstaktion 11tes Gebot hingewiesen – und auch nochmal auf den oben schon zitierten, sehr lesenswerten Beitrag. In diesem zeigt Daniela Wakonigg die Absurdität der Kirchentagsfinanzierung auf, indem sie dieses Finanzierungsmodell auf einen fiktiven „Verband der Schnitzelfreunde“ überträgt.

Jesus als Philosoph

„Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es erhalten“, sagt Jesus im Evangelium. Bewahren, also für sich behalten statt zu teilen, zerstört das Leben. Und im gleichen Evangelium sagt Jesus es noch stärker: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt (egoistisch für sich) gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“

Statt jetzt tiefer in die Kritik an der Ethik des biblischen Romanhelden einzusteigen, verweise ich einmal mehr auf das lesenswerte Buch „Jesus ohne Kitsch – Irrtümer und Widersprüche eines Gottessohns.“

Autor Heinz-Werner Kubitza fasst seine Erkenntnisse und Ausführungen zu diesem Thema wie folgt zusammen:

  • Die Ethik Jesu kann man also keineswegs als altruistisch bezeichnen. Sie ist im Gegenteil durch einen Heilsegoismus gekennzeichnet. Das arme Gegenüber, der Kranke und Leidende, ist nur Mittel zum Zweck. Die Hilfe für ihn erfolgt nur vordergründig selbstlos, im Hintergrund aber aus Berechnung und Kalkül. Eigentlich aus niederen Beweggründen, und wenn man einmal annimmt, dass es ohnehin kein Jenseits gibt, wo die gut Handelnden belohnt werden könnten: aus Grundlosigkeit.
    (Quelle: Heinz-Werner Kubitza: Jesus ohne Kitzsch – Irrtümer und Widersprüche eines Gottessohns, Seite 137)

Begegnung der Dritten Art

…und bevor es gar zu menschlich wird, tackert Herr Welter schnell noch den lieben Gott unten an seine Verkündigung dran:

Ich wünsche allen auf dem Katholikentag, dass sie in ihren Begegnungen und Diskussionen und in ihrem Beten „leben teilen“ und immer besser verstehen, dass sie dabei Gott begegnen. Und vielleicht probieren auch Sie weiter, wie kostbar es ist, Leben zu teilen – auch wo es sich vielleicht erstmal wie ein Verlust anfühlt.

leben teilen, weil Gott da mittendrin sein will.

Einen gesegneten Sonntag – den vielen in Stuttgart und Ihnen zu Hause.“

Immer, wenn Berufschristen behaupten, dass ihr Gott irgendetwas will, dann ist das eigentlich ihr eigener Wunsch.

So auch hier: Ohne die Einbildung, durch Mitmenschlichkeit Gott begegnen zu können und es Gott zu ermöglichen, „mittendrin“ sein zu können, wäre es ja leicht zu durchschauen, dass dieser Gott völlig überflüssig ist. Ein Gott, der sich, genauso wie alle anderen Götter auch, exakt so verhält, als gäbe es ihn nicht.

Im Grunde instrumentalisiert Herr Welter hier mitmenschliches Verhalten für religiöse Zwecke. Gerade so, als seien die Mitmenschen selbst nicht Grund genug, sich derer wegen mitmenschlich zu verhalten, muss auch noch ein Platz für einen offenbar recht einsamen Gott im katholischen Stuhlkreis freigehalten werden.

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7 Gedanken zu „Leben teilen – das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Tja – man fragt sich ja schon, wie dieser marode Verein es geschafft hat, immerhin etwa 25000 Leute zusammenzubringen. Und uns Steuerzahler für diesen Unfug auch noch bezahlen zu lassen. Das muss was mit Gottes unerklärlichen Wegen zu tun haben, oder so. Das Geld hätte man besser den Missbrauchsopfern gegeben – Sie wissen schon, Herr Welter: „Leben teilen“.

    Und apropos „Bibel gelesen, ausgelegt und praktiziert“: Dieser Lebensaufgabe hat sich der oberchristliche Kollege Kyrill bekanntlich auch sehr gewissenhaft gestellt und den Angriff auf die Ukraine jahrelang durch so schwungvolle wie hirnfreie Hass- und Hetzpredigten sorgfältig mit vorbereitet. Da steckt also auch ganz viel Bibel drin – gell, Herr Welter. Dieser „Wahnsinn eines Krieges“ in der Ukraine ist schlicht und einfach auch der Wahnsinn einer zutiefst menschenverachtenden christlichen Religion.

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  2. Im Grunde, lieber Herr Welter, geht es hier doch nur wieder um das alte religiös = gut und nicht religiös = schlecht.
    Letzteres lassen Sie natürlich absichtlich weg, weil’s sonst a „Geschmäckle“ kriegt.

    Dieser widerliche, christliche Chauvinismus, ist unerträglich.

    Herr Welter, in Ihrer Bibel geht es nicht um Altruismus, es geht ausschließlich um die vollständige, willenlose Unterwerfung unter Ihren eingebildeten Gott.
    Ihr Versuch, solch einer völlig sinnfreien Unterwerfung Relevanz für unser Leben zu unterstellen, verstehen auch nur sinnbefreite Menschen.
    Um hier gleich einem Missverständnis vorzubeugen, ich halte religionsfreie Menschen nicht für intelligenter, im Unterschied zu religiösen Menschen wenden sie nur ihre Intelligenz auch auf Religionen an.
    Im Übrigen benötigt man keine besonders hohe geistige Leistung um eine absolute Unterwerfung unter ein eingebildetes Fabelwesen als Schwachsinn zu entlarven.

    Herr Welter, probieren Sie es doch einfach mal aus, unterwerfen Sie sich mal völlig dem Tonacatecuhtli.

    Übrigens, der Tonacatecuhtli ist der aztekische Schöpfergott. Er ist der Schöpfer von Himmel und Erde. Er ist insbesondere auch derjenige, der die Erde fruchtbar macht und der Nahrung gibt!
    Kommt Ihnen bekannt vor?
    ——–

    Und? Merken Sie schon was?

    Der Segen Tonacatecuhtli soll Sie beschützen.

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    • Ob mein Gott Herr Welter, jetzt ist mir auch noch ein schwerwiegender Fehler im Kommentar unterlaufen. Dafür bitte ich natürlich in aller Form um Entschuldigung!

      Mit „religiös = gut“ meine ich selbstverständlich nur die katholische und evangelische Religion.
      🤔—–🤔 Ups, wenn ich das so schreibe sind die Katholiken wieder nicht einverstanden.
      Na egal, auf jeden Fall Sorry Herr Welter nix für ungut.

      Antworten
      • Aufpassen, Herr Troschke: Der oberchristlichste orthodoxe Chefpatriarch Kyril könnte derartige Bemerkungen als Einladung für eine kleine Spezialoperation interpretieren …

        Antworten
      • Ja natürlich Herr Edmüller, Aphrodite ist ein echtes „Schneggerla“, da macht das Spaß.

        Bei Bedarf können Sie ja jederzeit wieder wechseln, die Auswahl ist enorm.
        Falls Sie eher der römischen Kultur zugeneigt sind, nehmen Sie die Venus. Auch ein Hingucker, man hat sogar einen Planeten nach ihr benannt.
        Also, viel Spaß beim Wechseln!

        Antworten
      • 😱 Sie haben recht Herr Edmüller.

        So eine Spezialoperation mit Gottes Hilfe ist echt übel.

        Es gab ja schon mal etwas ähnliches wie diese „Spezialoperation“, nur nannten sie es damals (1941) lustigerweise „Unternehmung“, die hatte sogar einen Namen „Barbarossa“.
        Die Unterstützung der Kirchen (ja Plural) war allerdings damals viel größer, nicht nur so ein einzelner Patri…dinsbums.
        Zitat
        Glockengeläut und Gebete für den Sieg.
        Bischöfe beider Konfessionen forderten die Gläubigen zu treuer Pflichterfüllung an Front und „Heimatfront“ auf. Sie beschworen in ihren Predigten göttlichen Beistand für den deutschen Sieg.
        Zitat Ende

        OK, das mit dem göttlichen Beistand ging damals (Gott sei Dank 😁) schief.

        Also, nix für ungut Herr Edmüller und
        Gott mit uns.

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