Wie die Kinder – Das Wort zum Wort zum Sonntag, Thema Katholische Sozialethik

Lesezeit: ~ 4 Min.

Lissy Eichert: Wie die Kinder – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema katholische Sozialethik, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 10.09.2022 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Frau Eichert präsentiert heute die Prinzipien der katholischen Sozialethik. Unklar bleibt, ob sie das religiöse Fundament absichtlich oder versehentlich komplett weggelassen hat.

Kinder, Kinder…

Ob dem „Wort zum Sonntag“ jetzt endgültig die Themen ausgehen, ob die Kirchenredaktion das „Double Feature“ für sich entdeckt hat oder ob es einfach an mangelnder Absprache liegt, darüber lässt sich nur mutmaßen.

Wie auch immer: Nachdem Pfarrer Höner letzte Woche schon ein Kinderthema präsentiert hatte, nutzt Frau Eichert heute ebenfalls kindliches Verhalten als Aufhänger für ihre Fernsehpredigt. Diesmal wieder im gewohnten Wort-zum-Sonntag-Schema.

Über den ausgeprägten Gerechtigkeitssinn von Kindern kommt sie zur grundlegenden Frage, welche Rolle der gesellschaftliche Zusammenhalt für das Gemeinwohl hat.

Wie bei einer katholischen Dauerwerbesendung nicht anders zu erwarten, darf natürlich der Teil nicht fehlen, mit dem die Religion, bzw. diesmal die so genannte „Katholische Soziallehre“ als wichtig und bedeutsam dargestellt wird:

[…] Es geht um Personalität, Solidarität und Subsidiarität, drei Prinzipien der Katholischen Soziallehre. Klingt kompliziert, ist aber „praxistauglich“.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Lissy Eichert: Wie die Kinder – Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 10.09.2022 von ARD/daserste.de)

An genau dieser Praxistauglichkeit, die Frau Eichert hier ihren folgenden Aussagen sicherheitshalber schon mal als Behauptung vorausschickt, habe ich starke Zweifel.

Katholische Sozialethik ist praxistauglich?

Diese Zweifel beginnen schon viel früher als bei den hier aufgezählten Prinzipien. Nämlich bei den Grundlagen, auf denen die katholische Sozialethik basiert (Hervorhebungen von mir):

  • Die katholische Soziallehre bezeichnet die Gesamtheit an Aussagen der römisch-katholischen Kirche über den Bereich des menschlichen Soziallebens. Sie baut lehramtlich auf den päpstlichen Sozialenzykliken auf. […]
  • Erkenntnisquelle ist neben der Vernunft auch die christliche Offenbarung. Grundsätzlich geht die katholische Soziallehre davon aus, dass aufgrund dieser beiden Erkenntnisquellen eine Einsicht in die „Ordnung der Dinge“ oder den Ordo Socialis als „Soziale Ordnung“ möglich ist. (Quelle: Wikipedia: Katholische Soziallehre)

Weder mit päpstlichen Sozialenzykliken, noch mit religiöser Offenbarungsmythologie und auch nicht mit der Behauptung einer vermeintlich existierenden Idealform einer „Sozialen Ordnung“ kann die katholische Kirche die Mindeststandards erfüllen, um als Moralquelle zumindest theoretisch in Betracht zu kommen.

…geht auch ganz ohne Religion

In der nun folgenden Erläuterung, was es mit Personalität, Solidarität und Sobsidiarität auf sich hat, kommt Frau Eichert – absichtlich oder nicht – ganz ohne irgendwelche genuin katholische oder allgemein religiöse Aspekte aus. Und kommt zu diesem Fazit:

[…] Wir alle brauchen diesen Dreiklang: den Blick auf den Einzelnen, den für das große Ganze und den Blick für das vielfältige Dazwischen.

Das christlich-katholische Fundament, auf dem diese Erkenntnisse aufbauen und von dem die Prinzipien abgeleitet werden, hat Frau Eichert mit keinem Wort erwähnt. Für ihre Verkündigung scheint es völlig ausgereicht zu haben, das Etikett „Katholisch“ drangepappt zu haben.

Ausgerechnet das, was die katholische Kirche als „Unique Selling Points“ zu bieten hätte, was dem katholischen Glauben eine Relevanz und bei entsprechender argumentativen Überzeugungskraft vielleicht sogar eine tatsächliche Daseinsberechtigung hätte verschaffen können, scheint für sie überhaupt keine Rolle mehr zu spielen.

Unsterbliche Geistseelen und Strohmann-Materialismus

Exemplarisch sei hier eine Erklärung zum Personalitätsprinzip zitiert (Hervorhebungen von mir):

  1. Personalitätsprinzip. Im Mittelpunkt des sozialen Handelns muss der Mensch stehen, dessen unverletzliche personale Würde immer zu beachten ist. Dieses Prinzip folgt aus einer philosophischen Betrachtung des Menschen ebenso wie aus dem biblischen Menschenbild: Der Mensch ist das Abbild Gottes (Gen 1,26–28) und daher mit einer einmaligen unveräußerlichen Würde ausgezeichnet. Diese besteht darin, dass er aufgrund seiner unsterblichen Geistseele eine Person ist, d.h. mit Vernunft und einem vom Gewissen bestimmten freien Willen ausgestattet ist. Der Mensch ist aber zudem auch ein materielles (körperliches) Wesen, so dass der Körper an der personalen Würde des Menschen Anteil bekommt. Sowohl der Materialismus (der den Geist des Menschen leugnet) als auch der Spiritualismus (der den Körper des Menschen für nicht wesentlich erachtet oder gar verachtet) sind abzulehnen.
    (Quelle: Dr. L. Neidhart, Augsburg 2010, Version November 2017: Sozialethik: Die katholische Soziallehre https://www.philso.uni-augsburg.de › PDF)

Dieser kleine Ausschnitt soll genügen, um das grundlegende Schema der katholischen Sozialethik zu verdeutlichen: Stets werden religiöse Aspekte so mit ethischen Standards vermengt, dass der Eindruck entsteht, diese Standards stünden mit dem katholischen Glaubenskonstrukt nicht nur in Einklang, sondern sie seien gar aus diesem schlüssig ableitbar.

Katholische Sozialethik: Unbrauchbar

Mal ganz ungeachtet der Frage, warum die katholische Kirche nicht schon die vielen Jahrhunderte, in denen sie alle Macht der Welt gehabt hätte dazu genutzt hatte, ethische Standards für die Allgemeinheit zu entwickeln, sondern stattdessen mit oberster Priorität Menschen erniedrigt und sich selbst bereichert hatte: Eine Ethik, die auf einem Götterglauben beruht, kann bestenfalls für Anhänger dieses Glaubens von Bedeutung sein.

Wer sich für die theologischen Phantasievorstellungen interessiert, auf denen die katholische Sozialethik beruht, findet im oben schon zitierten PDF von Dr. L. Neidhart eine gute Zusammenfassung, wie die Katholen sich das vorstellen mit ihrem idealen Gottesreich auf Erden.

Moderne ethische Standards müssen jedoch für alle Menschen gelten können. Ungeachtet ihrer religiösen oder sonstigen Überzeugungen und Ansichten. Deshalb ist bei religiös begründeten Vorschlägen schon Schluss, bevor es überhaupt angefangen hat. Ethische Leitlinien können nicht den Glauben an einen bestimmten Gott voraussetzen. Dafür braucht (und gibt!) es viel bessere Argumente als Fiktionen aus der biblisch-christlichen Mythologie.

Bordelle mit kirchlichem Segen

In der gerade erwähnten Kurzbeschreibung der katholischen Sozialethik gibts neben religiösen Absuritäten und Hirngespinsten auch einiges Skurriles aus der realen Welt zu entdecken.

So fordert die katholische Kirche zum Beispiel die Duldung von Bordellen, weil dies der Festigkeit von Ehen zuträglich sei. Und diese Festigkeit zählt zu den Zielen der katholischen Sozialethik.

Gäbe es im Vatikan und bei seiner Bank etwas mehr Transparenz, dann würde sich vermutlich zumindest eine Größenordnung der Einnahmen beziffern lassen, die die katholische Kirche mit Prostitution bis heute schon generiert hat. Aber das muss man den Leuten ja nicht unbedingt auf die Nase binden, wenn man sich auch eine andere Begründung ausdenken kann 🙂

Eine tiefergehende Analyse der wahnwitzigen Prämissen wie „Abbild Gottes“, „unsterbliche Geistseele“ usw. erspare ich der geschätzten Leserschaft (und urlaubsbedingt auch mir) an dieser Stelle.

Buchtipp

Stattdessen ist es mir eine Freude, einmal mehr die Lektüre des überaus aufschlussreichen Buches „Die Legende von der christlichen Moral – Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist“ von Andreas Edmüller zu empfehlen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Abend.

…so ganz ohne Segen diesmal, Frau Eichert? …wenn DAS mal gut geht – wo Sie doch gerade schon die katholische Sozialethik komplett entreligionisiert präsentiert hatten, und dann auch noch auf eine Segnung verzichten…!? Oder war Ihnen das diesmal nicht zum Thema passend erschienen? Als was treten Sie dann überhaupt vor die Kamera?

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3 Gedanken zu „Wie die Kinder – Das Wort zum Wort zum Sonntag, Thema Katholische Sozialethik“

  1. Glaubt alle bedingungslos an das was ich euch sage.
    Gebt mir euer Geld, je mehr ihr gebt, um so mehr Recht habt ihr, meine Meinung als wahr zu bezeichnen.
    Ganz nebenbei, was wahr ist, bestimme immer noch ich, also gebt mehr…

    Songtext von „Bethlehem: -Verschleiertie Irrelligiosität-„:

    Verlangen ist mein Wort
    Endgültig meine Gebärde
    Verhärmt ist mein Blick
    Gleichgültig meine Andacht
    Dennoch erhebt sich Sehnsucht
    Aus tiefen, dunklem Abgrund
    Mit der Urgewalt des Lebens
    Hinauf in den verwelkten Glanz
    Ein schwarzgefiederter Vogel
    Tänzelt zart in der Brandung
    Ein letzter Sonnenstrahl
    Erhellt bleierne Dunkelheit

    Antworten
  2. Also das mit dem Segen kann ich ja mal wieder übernehmen: Ich segne hiermit vollumfänglich Frau Eichert und alle, die im Ernst dran glauben, dass die christlichen 10 Gebote, in denen z.B. die Frau als Sacheigentum des Mannes betrachtet wird, in irgendeiner Form mit unserem Würdekonzept vereinbar sind.

    Und gleich noch ein Segenschauer, weil Frau Eichert immer noch nicht gemerkt hat, dass das kirchliche Arbeitsrecht nichts mit Solidarität zu tun hat.

    Und die Leute vom Aufnahmeteam des WzS segne ich ebenfalls ziemlich intensiv, weil die können sicher etwas Aufmunterung gebrauchen. Vermutlich halten die nur durch, weil sie seit Jahren Ohrstöpsel benutzen und psychologische Betreuung vom Arbeitgeber bezahlt kriegen.

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