Armut – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 5 Min.

Das Wort zum „Das Wort zum Sonntag“ zum Thema Armut, verkündigt von Wolfgang Beck, veröffentlicht am 08.10.2022 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Heute macht Herr Beck auf die Armut aufmerksam, die aufgrund gestiegener Kosten hierzulande zunehmend und in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sichtbar wird. Sein Aufruf zur Unterstützung Bedürftiger wäre glaubwürdig, wenn er sich damit nicht nur an sein Fernsehpublikum, sondern auch an den Multimilliarden-Kirchenkonzern richten würde. Der belässt es lieber bei Spendenaufrufen, statt die eigene (Porto-)kasse zu belasten.

Hobbyprophet Amos

Nach einigen einleitenden Beispielen für Armut bekommt erstmal der biblische Prophet Amos einen Gastauftritt:

[…] Einer, der in seiner Zeit einen anderen Weg gegangen ist, ist der Prophet Amos.

Der ist nicht leise geworden. Sondern laut! Er beobachtet auch in seiner Zeit, dass ein paar Wenige in Luxus leben und andere Menschen in bitterer Armut. Hinter solcher Ungleichheit stehen Ungerechtigkeit und Ausbeutung, Verlogenheiten und Heuchelei. Amos prangert all das sehr laut an. Unbequem laut.

Er wird zur Stimme für diejenigen, die selbst nicht mehr die Kraft haben, auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: „Das Wort zum Sonntag“ zum Thema Armut, verkündigt von Wolfgang Beck, veröffentlicht am 08.10.2022 von ARD/daserste.de)

In erster Linie wird Amos Stimme für seinen Gott, wie wir gleich noch sehen werden.

Sicher, es wäre naiv…

Sicherheitshalber relativiert Herr Beck gleich wieder die Relevanz seines biblischen Gesellschaftskritikers:

Sicher, es wäre naiv, solche biblischen Propheten, solche Typen und ihre anklagenden Reden ganz direkt in heutige Situationen zu übertragen. Aber die Not offen und laut anzusprechen, vor allem der Männer und Frauen, die selbst nicht mehr die Kraft dazu haben – da gibt der Prophet Amos gerade heute Orientierung.

In der christlichen Herde sind allerdings auch Schäfchen zugange, die diesen Vowurf der Naivität empört als Blasphemie zurückweisen würden. Was wissen die, was Herr Beck (noch) nicht weiß – oder umgekehrt?

Aber zurück zu Amos:

Um beurteilen zu können, inwieweit der hauptberufliche Vieh- und Maulbeerfeigenbaumzüchter und Gelegenheitsprophet tatsächlich „gerade heute Orientierung“ geben kann, kommt man nicht umhin, sich mit den paar Seiten Text zu befassen, die diesem Verfasser zugeschrieben werden.

In den ersten beiden Kapiteln beschreibt Amos („einer von den Herdenbesitzern von Thekoa“) detailliert seine Visionen (genauer: Gewaltphantasien) davon, wie der liebe Gott zunächst alle Nachbarvölker auf brutalste Art und Weise wegen ihrer „Freveltaten“ quälen und dann gnadenlos vernichten wird.

In your Face, Amazja!

Darauf folgen „Drei Strafreden an Israel über die Notwendigkeit des göttlichen Gerichts.“ Hier rechtfertigt sich Amos erstmal ausführlich dafür, warum er überhaupt als Prophet auftritt – und dann auch noch als einer, der das eigene Volk kritisiert:

  1. Da gab Amos dem Amazja zur Antwort: »Ich bin kein Prophet und bin kein Mitglied einer Prophetenschule, sondern ein Hirt bin ich und züchte Maulbeerfeigen.
  2. Aber der HERR hat mich hinter der Herde weggeholt, und der HERR hat mir geboten: ›Gehe hin, tritt gegen mein Volk Israel als Prophet auf!‹
  3. Und nun vernimm das Wort des HERRN! Weil du sagst, ich dürfe nicht gegen Israel als Prophet auftreten und nicht gegen das Haus Isaak predigen,
  4. darum hat der HERR (gegen dich) so gesprochen: ›Dein Weib wird zur Hure werden in der Stadt, deine Söhne und deine Töchter sollen durch das Schwert fallen, und dein Boden soll mit der Meßschnur verteilt werden; du selbst aber sollst in einem unreinen Lande sterben, und Israel muß aus seinem Lande in die Gefangenschaft wandern!‹«
    (Amos 7, 14-17 MENG)

…das wäre also schon mal geklärt.

Dann präsentiert Amos eine ellenlange Aufzählung der Strafen und Plagen, mit denen der liebe Gott nach eigener „Aussage“ schon vergebens versucht hatte (haben würde?), sein auserwähltes Volk wieder auf Spur zu bringen (gebracht zu haben?).

Es geht um Gott, nicht um die Menschen

Nächster Akt: Göttliche Strafandrohungen in gewohnt alttestamentarischer Brutalität und Grausamkeit.

Bevor Gott dann schließlich doch noch irgendwann dafür sorgt (die Futur-2-Korrekturen lasse ich ab sofort im Interesse der Lesbarkeit weg), dass das „Haus Davids“ wiederhergestellt und sein Volk endlich in den Boden eingepflanzt und nicht wieder herausgerissen wird, muss er erst noch seine Anhänger vertreiben und all jene ermorden, die sich von der göttlichen Strafandrohung nicht hatten einschüchtern lassen:

  1. »Wisset wohl: die Augen Gottes des HERRN sind gegen das sündige Königreich gerichtet, daß ich es von der Fläche des Erdbodens vertilge. Doch will ich das Haus Jakob nicht gänzlich vertilgen« – so lautet der Ausspruch des HERRN –;
  2. »nein, ich will Befehl erteilen und das Haus Israel unter alle Heidenvölker schütteln, wie man Getreide im Siebe schüttelt, ohne daß ein Körnlein zur Erde fällt.
  3. Dann sollen durch das Schwert alle Sünder meines Volkes umkommen, die da sagen: ›Uns wird das Unheil nicht erreichen noch überraschen!‹ (Amos 9, 8-10 MENG)

Inwiefern solche unmenschlichen Gewaltphantasien gerade heute Orientierung geben können sollen, erschließt sich mir nicht. Aber auch die enthaltene Kultur- und Sozialkritik kann in heutigen Zeiten kaum zur Orientierung dienen:

Orientierung – Woran und wohin?

  • So zeigt diese Position des Amos, dass es weder um eine Kritik des Kultes als solchem, noch um eine Demokratisierung des israelitischen Staatengefüges geht. (Es blieb beispielsweise dem König in seiner besonderen Machtposition auch eine besondere Verantwortung erhalten, auf die hin er von JHWH zur Rechenschaft gezogen wurde). Amos kritisiert vielmehr das Vergehen an den in Erwählung, Verheißung und Landgabe liegenden Verpflichtungen, das als „frevlerische (bewusste) Auflehnung“ (päscha) gegen JHWH verstanden werden musste und so den geschauten Untergang des Volkes Israel als Strafe Gottes (oder zumindest als Aufkündigung der Exklusivität der Stellung Israels) erklärte. (Quelle: Wikipedia: Amos)

Es geht, wie immer in der Bibel, primär nicht um die Menschen und ihren Umgang miteinander. Sondern darum, wie sich deren Verhalten auf das Verhältnis zu Gott auswirkt. Und welches Verhalten von Gott gefordert, verboten, belohnt oder bestraft wird. Also um Fragen und Probleme, die, wenn überhaupt, nur für Anhänger des jeweiligen Gottes von Bedeutung sein können.

Biblischer Populismus

Die Gesellschaftskritik von Amos folgt ansonsten dem auch heute noch anzutreffenden Schema: „Die da oben, wir da unten…“

Der Text kann also bestenfalls christlich verstrahlten Populisten zur Orientierung dienen.

In diese Richtung möchte Herr Beck nicht abbiegen. Jedenfalls belässt er es bei der Behauptung, Amos könne gerade heute Orientierung geben.

Und fordert stattdessen sein Publikum auf, von Armut betroffene Menschen mit Spenden zu unterstützen:

Vielleicht ist es in diesem Herbst an der Zeit, eine neue Frage aufzuwerfen: Wenn Sie auch in der glücklichen Situation sind, bislang sagen zu können „es wird schon gutgehen“, dann wäre zu fragen: Wem kann ich eigentlich mit einer Spende oder einer anderen dezenten Form helfen, weil er oder sie mit dem Rücken an der Wand steht und vermutlich schon jetzt nicht weiter weiß.

Würde Herr Beck die Worte des von ihm als Vorbild angeführten Propheten ernst nehmen und läge ihm etwas am Schicksal auch jener Mitmenschen, die bisher von Armut verschont sind, dann müsste er sie eindringlich vor der angeblichen Folge ihrer Sorglosigkeit warnen: Tod durch das Schwert Gottes (Amos 9,10).

Und zwar – wohlgemerkt – nicht etwa, weil diesen Menschen ihrerseits das Schicksal ihrer armen Mitmenschen egal gewesen wäre. Sondern weil sie sich nicht ausreichend vor Gott bzw. dessen Bestrafung gefürchtet hatten.

Die ganzen theologischen Implikationen, um die es im Buch Amos eigentlich geht, scheinen für Herrn Becks Aufforderung allerdings so irrelevant zu sein, dass die Erwähnung von Amos eigentlich nur dem Zweck gedient haben kann, zum Thema Armut auch irgendwas aus der Bibel untergebracht zu haben.

Armut: Konkret helfen im Herbst (also ihr, nicht wir…)

[…] Umso wichtiger wäre es in diesem Herbst, sie zu hören – und ihnen konkret zu helfen.

Armut

Zwei Zahlen fände ich in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren: Zum Einen die tatsächliche Höhe des dreistelligen Milliardenvermögens der katholischen Kirche Deutschland. Und zum Anderen den Prozentsatz, wieviel von diesem eigenen Vermögen die katholische Kirche in diesem Herbst aufwendet, um Menschen in Not zu helfen. Also nicht in Form von Ehrenamt der Schäfchen oder auf Staatskosten, sondern aus eigener Tasche.

Als Vergleichswert können dann zum Beispiel noch die rund 2,8 Millionen Euro (Quelle) herangezogen werden, die Kirchenfunktionär Woelki im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal der katholischen Kirche für Gutachter, Medienanwälte und Kommunikationsberater ausgegeben hatte. Um sich seither – offenbar nicht sehr erfolgreich – nicht primär als (Mit-)verantwortlicher, sondern als Opfer darzustellen.

Keine Frage: Es ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, auf Armut aufmerksam zu machen und zur Unterstützung Bedürftiger aufzurufen. Allerdings könnte die katholische Kirche hier deutlich mehr beisteuern als die Empfehlung, sich an einem biblischen Propheten zu orientieren und die Schäfchen zum Spenden zu animieren.

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4 Gedanken zu „Armut – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Bei dieser Gelegenheit ein donnerndes „Dankeschön“ an Dich, lieber Marc: Du zeigst uns immer wieder klar und deutlich an konkreten Musterbeispielen, wie unredlich selektiv, manipulativ und geradezu irrwitzig der Umgang der WzS-Combo mit der Bibel ist. Das wirft natürlich die Frage auf, wie ernst diese Verkünder des Gotteswortes ihre eigene heilige Schrift nehmen. Ich habe da so eine Vermutung …

    … und einen konkreten Vorschlag zu Herrn Becks Ausführungen hätte ich auch: Warum nicht das WzS einstellen und die so eingesparten Produktionskosten als Heizkostenzuschuss an die von Herrn Beck genannte Zielgruppe auszahlen?

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  2. Jetzt spendet doch mal endlich,
    von Kirchensteuer allein wird hier keiner satt,
    nicht mal das Geld im Klingelbeutel reicht aus,
    Leute, kauft Ablassbriefe,
    Wie könnten wir sonst verhindern, dass das Blattgold von unseren „heiligen“ Thrönen fällt…
    …Und vor allem schaut auf Jesus, der konnte sich am Kreuz noch nicht mal ne anständige Windel anziehen!

    Haste mal ne Mark?
    Fragte St. Martin den Bettler…
    Wie hätte er sich sonst nen neuen halben Anzug leisten können?!

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  3. Natürlich wird hier auch wieder sehr fein selektiert, was hier präsentiert wird.
    Funfact:
    Amos hat auch sehr stark die Korruption der Priester kritisiert!
    Eine Korruption der Redlichkeit und des Verstandes von Priester*innen ist hier im WzS in jeder Sendung zu hören. Amos hatte das vorraus gesehen und war also ein wahrer Prophet.

    Im Übrigen finde ich diese widerliche Heuchelei über Armut, eines Mitgliedes des reichsten Konzernes der Welt, abstoßend und menschenverachtend.
    Nach Berechnungen von Carsten Frerk summierten sich Ende 2002 die Werte von Grundbesitz, Immobilien, Geldanlagen und Beteiligungen der katholischen Kirche und der zu ihr gehörenden Institutionen auf ein Vermögen von 270 Milliarden Euro. Das Schwarzgeld ist hier noch gar nicht mitgerechnet!

    Shame on you Herr Beck

    PS: Amos hat natürlich nicht gegendert, Frauen gehören lt. Bibel ja zum Hausstand 😉

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  4. Oh man, ich kann dieses dümmliche Geschwafel von der ewigen und auf alle Menschen angewandten Liebe nicht mehr hören. Früher waren die wenigsten noch mit Hölle und Teufel unterwegs.
    Herr Buß, mit Ihrem schwachsinnigen Gesäusel beleidigen Sie nicht nur unsere Intelligenz sondern machen auch noch die Liebe zu etwas banalem.
    Liebe ist etwas sehr besonderes, die schenkt man nicht jedem. Liebe schenkt man nur sehr wenigen Menschen, deshalb ist sie so wertvoll.
    Ich habe noch nie jemanden getroffen, der alle Menschen liebt.

    Bitte, Herr Buß, bleiben Sie bei Ihren Drohungen von ewigen Höllenqualen und Teufel, von Liebe haben Sie nachweislich keine Ahnung.

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