Das WOKE-Phänomen: Hümmlers letztes Aufgebot – Angriff der anonymen Halbalphabeten! (Teil 2)

Lesezeit: ~ 6 Min.

Repost eines Beitrages von Dr. Andreas Edmüller auf blog.projekt-philosophie.de

Vorbemerkung

Dieser Gastbeitrag steht in Zusammenhang mit den Reaktionen eines Teils der GWUP-Vorstandschaft auf einen Vortrag von Dr. Andreas Edmüller, in dem dieser die These vertritt, dass Menschen, die mit schlechten Argumenten für sinnvolle Anliegen kämpfen, also etwa für Antirassismus und gegen Diskriminierung, der guten Sache schaden, für die sie eigentlich argumentieren wollen. Mehr zu den Hintergründen…

Edmüller

Worum geht es?

Im ersten Teil habe ich erläutert, dass und warum das anonyme Pamphlet Mātauranga Māori – Was ist passiert? vs. Was wird propagiert? (MMWW) den bisherigen Positionen „Team Hümmlers“ in der GWUP-Debatte um Matauranga Maori widerspricht und meine wichtigsten Thesen sogar untermauert. Ob Herrn Hümmler das bei der Veröffentlichung klar war, ist mir unbekannt.

Ab jetzt geht es um konkrete und typische Manipulationstaktiken der anonymen Verfasser. Man sieht sehr schnell, dass es ihnen höchstwahrscheinlich (intellektuelles Unvermögen, also „ehrlichen Irrtum“, kann man nie ganz ausschließen) nicht um Wahrheit oder Fakten geht, sondern einfach darum, die vom Skeptical Inquirer konstatierte Verleumdungskampagne gegen mich fortzuführen. 

Manipulationstaktik 1: Es werden die eigentlich wichtigen Aspekte verschwiegen

  • Beispiel 1, die ersten Sätze des Pamphlets: Die grobe Zusammenfassung: Es gibt Forderungen, Mātauranga Māori in das neuseeländische Bildungssystem (besonders den Schulunterricht) besser einzubinden und es gab einen Curriculumsvorschlag für Schulen. Dagegen gab es Protest von einigen Akademikern, die einen Brief in einem (nichtwissenschaftlichen) Medium veröffentlicht haben. https://web.archive.org/web/20230610052444/https://www.fsu.nz/in_defence_of_science_article Auf den sind Trittbrettfahrer wie Richard Dawkins und Jerry Coyne aufgesprungen.1)

Fakt ist, dass niemand um die 7 Professoren (Die 7) die breite Integration Matauranga Maoris in das Bildungssystem in Frage stellen oder gar blockieren möchte. Gerade Die 7 unterstützen das ausdrücklich. Dafür bieten sich zahlreiche Fächer wie Geschichte oder Heimatkunde an. Mir ist auch in diesem Umfeld niemand bekannt, der ein Problem mit einem eigenen Fach „Wurzeln der Kultur Neuseelands“ zu Matauranga Maori hätte. 

Der entscheidende Punkt ist ein anderer – und der wird vom anonymen „Autor*innenkollektiv“ unterschlagen: Die Debatte dreht sich darum, ob und wie genau Matauranga Maori in den Unterricht der Naturwissenschaften, also Physik, Biologie und Chemie integriert werden soll. Die 7 sprechen sich nur gegen dieses Vorhaben aus.

Fakt ist außerdem, dass es im Rahmen von Pilotprojekten (auch diese werden von unseren anonymen Schwurblern nicht erwähnt) zur Integration in den Unterricht der Naturwissenschaften sogar mehrere Curriculum-Varianten gab. Die bekannteste fordert in diversen Varianten konkret (von 2021 bis 2023), das esoterisch-mystische Vitalismuskonzept Matauranga Maoris (Mauri) in den Lehrplan für Biologie und Chemie zu integrieren und den Jugendlichen z.B. diese „Erkenntnis“ beizubringen:

  • Mauri is present in all matter. All particles have their own mauri and presence as part of a larger whole, for example within a molecule, polymer, salt or metal. …2)

Wie im Video aus Teil 1 zu sehen ist, hat man diesen abstrusen Versuch, Esoterik mit Chemie zu verbinden inzwischen wieder aufgegeben. 

Also: MMWW liefert bereits mit den allerersten Sätzen eine grob verfälschende Darstellung der Situation: Ein toller Einstieg! Genau diese Einstellung zu Wahrheit und Fakten durchzieht als roter Faden das gesamte Pamphlet. Das zeigt auch das nächste Beispiel.

Hier führen die Links der anonymen Irrlichter zu den falschen bzw. irrelevanten Dokumenten! Die 7 haben in ihren Brief auf einen Regierungsbericht aus dem Jahr 2021 reagiert, der zur öffentlichen Diskussion freigegeben wurde und in dem das steht (meine Hervorhebung):

Mana ōrite mō te mātauranga Māori
3. Mana ōrite mō te mātauranga Māori means equal status for mātauranga Māori in NCEA and is particularly important when deciding what TMoA subjects to support at NCEA Levels 1-3. Our goal is to ensure parity for mātauranga Māori with the other bodies of knowledge credentialed by NCEA (particularly Western/Pākehā epistemologies). This parity needs to span English-and Māori-medium settings. The Ministry is committed to ensuring mātauranga Māori is explicitly and equitably valued in NCEA and that mātauranga Māori pathways are acknowledged and supported equally in NCEA.
3)

Hier ist explizit davon die Rede, „equal status“ und „parity“ mit den Naturwissenschaften – genau das sind ja die „particularly Western/Pākehā epistemologies“ herzustellen. Diese Forderung – und um die geht es in der Debatte – taucht an den vom anonymen Autor*innenkollektiv zitierten Stellen gerade nicht auf: Sie verweisen ganz einfach auf die falschen Dokumente! 

Irrtum schließe ich an dieser entscheidenden Stelle als eher unwahrscheinlich aus – zumal im offenen Brief der 7 Professoren der fragliche Regierungsbericht absolut korrekt zitiert wird. Falls doch Irrtum, dann ist der Ausdruck Halbalphabet eine sehr wohlwollende Charakterisierung für Herrn Hümmlers anonymes Autor*innenkollektiv.

Also: Das „anonyme Autor*innenkollektiv“ führt den Leser an entscheidender Stelle zu falschen bzw. für die Debatte irrelevanten Dokumenten! In diesen fehlen seltsamerweise genau die Stellen, auf die Die 7 tatsächlich mit ihrer Kritik reagiert haben. Das eigentlich relevante Dokument bleibt in dem anonymen Pamphlet unberücksichtigt bzw. unerwähnt.

Manipulationstaktik 2: Es werden Unwahrheiten in die Welt gesetzt

  • Beispiel 3: Praktische vs. inhaltliche Bedenken
    Natürlich gibt es in einem Bildungssystem, in dem Maori und ihre Kultur lange keinen Platz hatten und sogar aktiv unterdrückt wurden, nur sehr wenig Lehrkräfte, die sich dem gewachsen fühlen, Mātauranga Māori richtig und sinnvoll zu unterrichten oder in ihren fachfremden Unterricht zu integrieren. Selbiges gilt für Kolonialgeschichte und deren Einfluss auf das Bildungssystem. Diese einzig und allein praktischen Schwierigkeiten werden gerne herangezogen, um das ganze Bestreben zu delegitimieren, was allerdings weder mit der “woke-Kritik” zu tun, noch einen Effekt auf Universitäten oder gar Wissenschaft oder Aufklärung als Ganzes hat, auf die Edmüller das Thema auszubreiten versucht. 

Diese Darstellung ist grob falsch. Erstens sind die Rückmeldungen der Lehrkräfte kein entscheidender Baustein in der Kritik am Vorhaben, Matauranga Maori in den Unterricht der Naturwissenschaften zu integrieren. Der wesentliche Punkt ist schlicht und einfach der, dass sie dort inhaltlich nicht hingehören. Die 7 und viele andere haben ihre Kritik ja schon seit Jahren formuliert, lange bevor es Pilotprojekte und daraus resultierende Rückmeldungen der Lehrer gab. 

Ich selbst verweise im Blog auf diese Rückmeldungen, um das Verschwörungsmärchen „Team Hümmlers“ zu widerlegen, es habe nie irgendwelche Versuche gegeben, Matauranga Maori in den Unterricht der Naturwissenschaften zu integrieren: Wo sonst kommen die ganzen Rückmeldungen denn her?

Zweitens beziehen sich die Rückmeldungen der Lehrkräfte sehr wohl auch auf die inhaltliche Unvereinbarkeit von Konzepten wie Mauri mit Biologie und Chemie. Es geht nicht, wie oben behauptet, „einzig und allein“ um praktische Schwierigkeiten. 4) Es kam in diesem Zusammenhang übrigens auch der Einwand, eine oberflächliche Integration Mauris in die Teilchenlehre würde diesem Vitalismuskonzept nicht gerecht – man könne und dürfe es nicht aus seinem Zusammenhang mit Matauranga Maori insgesamt lösen! Genau dieses Argument führt Frau Hipkins in dem Video aus Teil 1 an, um die Abkehr von der bisherigen Verzahnungsstrategie der Naturwissenschaften mit Matauranga Maori zu erklären: Oberflächliche Integration sei eine Form der neuerlichen Kolonialisierung! Beschönigung ist auch eine Manipulationstaktik … 

Drittens stimmt es natürlich, dass viele Lehrkräfte auf eigene Kenntnisdefizite zu Matauranga Maori hingewiesen haben. Alles andere wäre eine Überraschung – die entsprechende Frage war im Fragebogen zur Auswertung der Pilotprojekte enthalten. Und: Es kann tatsächlich niemand genau sagen, worum es sich bei Mauri eigentlich handelt.5)

Also: Die anonyme Heldentruppe führt den Leser erneut an entscheidender Stelle in die Irre. Die Rückmeldungen der Lehrer waren und sind kein entscheidendes Argument der Debatte. Sie spielen erst bei der konkreten Umsetzung eine Rolle – also nach erfolgter Entscheidung, ob z.B. Mauri in den Biologie- und Chemieunterricht eingebaut werden soll.

  • Beispiel 4: Zudem widerlegt sich der gute Herr Edmüller hier selbst: Er sprach Florian Aigner und Holm Hümmler die Fähigkeit, den Konflikt beurteilen zu können, ab, da sie – im Gegensatz zu ihm – Physiker sind.

Der gute Herr Edmüller hält die Herren Hümmler und Aigner im Rahmen der Debatte um Matauranga Maori aufgrund ihrer konkreten Einlassungen in den Wochen nach dem Vortrag vom 21.10.23 tatsächlich für weitgehend ahnungslos – aber sicher nicht, weil sie Physiker sind. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas jemals gesagt oder geschrieben zu haben. Im Gegenteil: Ich habe höchsten Respekt für diese Wissenschaft und weiß, dass man sich Abschlüsse darin hart erarbeiten muss. 

Also: Wo sind die Belege für diese Behauptung?

Mein Fazit

Ich habe in diesem Beitrag damit begonnen, die argumentative Qualität des anonymen Pamphletes MMWW zu prüfen. Schon jetzt ist dessen Einstufung als hochgradig unseriös und manipulativ exzellent begründet. 

An dieser Stelle möchte ich noch einmal daran erinnern, warum ich – wider meine sonstigen Prinzipien – ein derart unredliches Elaborat überhaupt zur Kenntnis nehme und diskutiere: 

  • Herr Dr. Hümmler hat MMWW als offizielle Kritik „Team Hümmlers“ an meinen Ausführungen veröffentlicht. Ich gehe also davon aus, dass er Inhalte und „Argumentationsstil“ teilt und für gut befindet. 

Das wiederum sollte jedem Wähler bei der Mitgliederversammlung am 11.5. Stoff zum Nachdenken geben. Die Mitglieder der GWUP möchte ich mit meinen Beiträgen bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützen – und werde deshalb in Kürze Teil 3 meiner Replik hier veröffentlichen.

PD Dr. Andreas Edmüller, 6. Mai 2024

References

1.Das Pamphlet hat weder Seitenzahlen, die man für Zitate verwenden könnte, noch eine erkennbare argumentative Struktur. Es schaut aus wie ein in höchster Eile zusammengeschustertes wirres Konglomerat verschiedener Kommentare bzw. Fragen zu meinen Blogs.
2.Das steht wortwörtlich so im Curriculum für das Pilotprojekt – und zwar als eine der 5 Kernideen (Big Ideas). https://pandasthumb.org/archives/2022/02/NZ-mauri-chemistry-kilmartin-seminar.html
3.https://ncea-live-3-storagestack-53q-assetstorages3bucket-2o21xte0r81u.s3.amazonaws.com/s3fs-public/2021-06/Technical%20Report%20TMoA.pdf?VersionId=DV_LCpf0dqR2BeROrkVHghISsckS_Nuo
4.In meinem Blog vom 28.2.24 finden sich dazu Zitate und ein Link zu der Sammlung aller Rückmeldungen. In diesem Video-Workshop reagieren Frau Professor Tuari Stewart und Kollegen auf die diversen Rückmeldungen der Lehrer: https://www.sciencelearn.org.nz/videos/2149-workshop-for-teachers-maori-knowledge-in-ncea-science
5.Das ist eine wichtige Lehre, die uns Charles Royal vermittelt: Die eigentliche Aufgabe in Bezug auf Matauranga Maori ist es, dessen Inhalte wieder zu rekonstruieren, zu systematisieren und zu präzisieren. Im Rahmen des Kolonialismus sei sehr viel verloren gegangen. Charles Royal ist Maori und gilt als absoluter Experte für Matauranga  Maori. Das Regierungsprogramm Vision Matauranga wurde unter seiner Federführung erarbeitet. https://www.youtube.com/watch?v=JzoNIvqSW7w

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