Kommentar zu NACHGEDACHT (11) Einfach mal wieder an Wunder glauben

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Kommentar zu NACHGEDACHT (11) Einfach mal wieder an Wunder glauben, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 17.03.13 von Osthessennews

[…] …beriefen sich die Kardinäle dabei auch auf Gott, der ihnen den Geist zur richtigen Wahl eingegeben habe.*

Dabei teilten die Kardinäle dasselbe Schicksal mit allen, die sich auf Götter berufen: Sie sind einer Illusion aufgesessen. Sie allein tragen die Verantwortung für ihre Wahl. Kein Gott, kein Geist hat sie in ihrer Entscheidung tatsächlich von außen beeinflusst. Ihre Entscheidungen sind – wie alle anderen Entscheidungen auch – Folgen von neuronalen Vorgängen ihrer eigenen, menschlichen Gehirne und deren Prägung.

[…] Wer beschert uns denn jetzt diese außergewöhnlichen Ereignisse: Der Teufel, Gott, das Glück oder der Himmel?

Diese Vermutungen sind tatsächlich alle falsch. Alles, was passiert, hat einen Grund, eine Ursache, die zu dem Ereignis geführt hat. Dieser an sich recht einfache „Mechanismus“ heißt Determinismus. Manche dieser Ursache-Wirkungs-Ketten sind sehr leicht zu erkennen und nachzuvollziehen: Wenn ich einen Ball auf der Erde fallen lasse, fällt er zu Boden.

Andere wiederum sind so komplex, dass wir nicht in der Lage sind, die Zusammenhänge erkennen zu können. Wir sprechen dann oft von „Zufall“ oder bewerten ein Ereignis, dessen Ursachen wir nicht (er-)kennen, als „Glück“ oder „Pech.“

Besonders, aber nicht nur bei religiösen Menschen trifft man heute noch oft auf das Phänomen, dass diese in allem, was passiert, irgendeinen angeblichen höheren Sinn oder übernatürlichen Zusammenhang erkennen wollen. Das kann man natürlich tun und zum Beispiel irgendein Fantasiewesen für irgendetwas verantwortlich machen. Noch keins dieser erfundenen Wesen hat sich jemals darüber beschwert.

Auch wenn der Urheber bestreitbar ist, jedenfalls passiert uns in diesen Situationen etwas Außergewöhnliches, das erst einmal unerklärbar bleibt.

Auch wenn uns etwas unerklärbar bleibt, erfordert das weder die Behauptung eines übernatürlichen Einflusses, noch rechtfertigt das eine solche Behauptung. Keine überirdische Macht greift jemals direkt oder indirekt und vor allem mit irgendeiner Absicht seriös nachweisbar in unser Geschehen ein – noch niemals, bis heute nicht.

Auch in der Bibel gibt es solch besondere Begebenheiten – wenn Wunder geschehen – Jesu ganz einfach Menschen heilt oder über den See läuft.

Wie man das erklären kann? Ganz einfach. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es auf der Erde „mit rechten Dingen“ zugeht. Es ist demnach ausgeschlossen, dass etwas passiert, was nicht in Einklang mit den Naturgesetzen steht, selbst wenn es uns (noch) unerklärlich ist.

Wenn man den Wissensstand zur Zeit der Entstehung dieser Märchen berücksichtigt wundert es nicht, dass sich die Menschen damals solche Geschichten ausdachten – zu dieser Zeit wurde praktisch alles, was man sich nicht erklären konnte, überirdischen Wesen zugesprochen, von Krankheiten bis zum Donner.

Was die angeblichen Wunder von Jesus angeht: Diese wurden erst viele Jahre nach dem Tod von Jesus überhaupt erstmal aufgeschrieben, bis dahin waren sie nur mündlich von unbekannten Menschen weitergegeben – von Menschen, die an Dämonen glaubten, die in der Wüste lebten und die überwiegend nicht schreiben konnten. Unabhängig davon, was der historische Jesus (also der, den es möglicherweise echt gegeben hat) tatsächlich gemacht hat, ist auch bei ihm davon auszugehen, dass er als Mensch keine Naturgesetze außer Kraft setzen konnte.

Nachdem Menschen (die größtenteils auch unbekannt sind) damit begonnen hatten, aus dem historischen Endzeit-Wanderprediger Jesus den angeblichen Gottessohn zu machen, mussten sie ein Dilemma lösen: Jesus sollte einerseits so menschlich wie möglich sein (schließlich wollte man ja behaupten können, dass Gott mit Jesus seinen leibhaftigen Sohn auf die Erde geschickt hätte). Andererseits musste man natürlich auch irgendwie dafür sorgen, dass dieser erfundene Jesus eindeutig übermenschlich, weil ja angeblich göttlich war.

Der menschliche Teil war recht einfach zu bewerkstelligen – man verarbeitete dazu einfach die sowieso noch erhaltenen mündlichen Überlieferungen und brachte sie in eine zeitliche Reihenfolge, die so, wie sie in der Bibel steht, sicher nicht historisch belegt ist.

Aber auch der übernatürliche Faktor stellte die Evangelisten kaum vor Probleme: Sie schmückten die wenigen, mündlich überlieferten Faken farbenfroh mit mehr oder weniger kreativen, aber auf jeden Fall frei erfundenen Geschichten aus. Jesus und die meisten derer, die ihn persönlich gekannt haben, waren schon zu Beginn der frühesten Aufzeichnungen längst tot, sodass die Schreiber freie Hand hatten.

Dazu kamen unzählige Neuinterpretationen, Überarbeitungen, Übersetzungen, Umdeutungen, Anpassungen, Weglassungen, Ergänzungen, Veränderungen durch Päpste und Könige – also immer wieder und wieder Veränderungen. So wundert es nicht, dass zum Beispiel eine vielleicht wirklich irgendwann mal stattgefundene Heilung zu einer fulminanten Dämonenaustreibung mit Special Effects aufgebauscht wurde.

[…] Den Grund für etwas zu wissen, gehört in unser neuzeitliches Denken.

Und das ist gut so! Diese „Neugier“ hat dazu geführt, dass wir inzwischen schon so viel wissen, dass es spätestens heute wirklich keine einzige Notwendigkeit mehr gibt, etwas glauben zu müssen. So brauchen wir unsere unvorstellbar wertvolle, weil einzigartige und einmalige Lebenszeit nicht damit verschwenden, erfundene Götter anzubeten oder um uns unnötigerweise (erb-)schuldig oder erlösungsbedürftig zu fühlen – wir dürfen einfach unser Leben im Diesseits genießen.

[…] Ganz ehrlich: Es kam den Menschen [zur Zeit von Jesus] nicht darauf an, dass da jemand gegen die Naturgesetze handelte.

Das stimmt (sogar ganz ehrlich) – mit der Wahrheit nahm man es nicht so genau, wichtiger war eine möglichst sensationelle, möglichst wundersame Story. Man kann ihnen deshalb keinen Vorwurf machen, das war damals so üblich und auch noch recht einfach möglich: Die Menschen wussten wiegesagt noch viel weniger als heute und waren deshalb empfänglich für Übernatürliches aller Art (na gut, auch heute gibts noch erschreckend viele Menschen, die an Götter, Ufos und Einhörner glauben).

Kritik verdienen allerdings alle, die behaupten, dass diese Geschichten für unsere heutige Zeit noch von besonderer Bedeutung wären. Besonders prekär wird es, wenn behauptet wird, dass diese Märchen sogar Wort für Wort auf jeden Fall zweifellos wahr, weil Gottgegeben sein sollen. Wer ein Buch, das solche Geschichten beinhaltet, am Ende sogar noch als wichtige „Richtschnur“ für Menschen im 21. Jahrhundert ansieht, macht sich vollends lächerlich.

[…] Aber für die Menschen zurzeit Jesu war es einfach nur wichtig, dass jemand etwas Besonderes tun konnte.

Nein. Es war ihnen nur wichtig, irgendwie so zu tun, als ob jemand etwas Besonderes tun könnte.

Sie waren sogar so sehr davon angetan, dass sie es niederschrieben.

Das ist ebenfalls irreführend, weil das ja heißen würde, dass tatsächlich etwas Übernatürliches geschehen gewesen wäre, was nach allem Wissen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Nicht, weil sie von etwas tatsächlich Geschehenem angetan waren, sondern weil sie sich einen Jesus wünschten, der wegen seiner angeblichen göttlichen Abstammung natürlich auch etwas Übernatürliches hätte bewerkstelligen können müssen.

Wenn uns heute etwas wirklich Besonderes passiert, dann tun wir es ab mit einem „Das war doch nur Zufall“.
Warum sind wir so kritisch?

Das, was passiert, mit einem „Zufall“ zu begründen, ist nicht nur falsch, sondern auch nicht besonders kritisch. „Zufällig“ erscheinen uns Ereignisse, deren Ursachen wir nicht verstehen oder kennen. Auch das, was wir als „Zufall“ wahrnehmen, ist – wie alles andere auch – die Folge von einer oder mehrerer Ursachen.

Freuen wir uns doch einfach darüber, wenn mal etwas passiert, das uns wieder an Wunder glauben lässt.

Noch besser: Freuen wir uns doch einfach darüber, wenn etwas passiert, worüber wir uns freuen können und darüber, dass wir deswegen nicht an Wunder glauben müssen, weil wir jetzt ja wissen, dass alles, was geschieht, eine Ursache hat.

Die einzigen Menschen, die sich tatsächlich freuen dürfen, wenn jemand an Wunder glaubt, sind die Menschen, die ihr Geld damit verdienen, dass noch jemand an Wunder glaubt, also zum Beispiel Bischöfe, Priester und Diakone und alle, die für den Dienst in der Kirche bezahlt werden. Und Kerzenhersteller. Sonst niemand.

Es gibt Unerklärliches, auch noch heute: Menschen werden wieder gesund, auch wenn Ärzte sie längst abgeschrieben haben, Menschen werden zu Lebensrettern in ausweglosen Situationen und so weiter und so weiter.

Und all das passiert ohne jeglichen übernatürlichen Einfluss, egal ob in Lourdes, Fátima, Altötting oder sonstwo. Wer sich für angebliche Wunder interessiert, sollte sich mit Wahrscheinlichkeiten und Naturgesetzen befassen. Selbst bei Wundern, für die es (noch) keine schlüssige Erklärung gibt oder die von mehreren Leuten unabhängig voneinander berichtet wurden, ist nicht davon auszugehen, dass diese Wunder tatsächlich übernatürlichen Ursprungs waren. Zu wenig spricht für solche Phänomene und viel zu viel dagegen.

Einfach mal wieder an Wunder glauben – das tut nicht weh und macht das Leben außergewöhnlicher.

Einfach nicht mehr an Wunder glauben – das echte Leben ist um Lichtjahre spannender, faszinierender – und vor allem echter als jeder brennende Dornbusch! Alles, was man glauben soll weil man es nicht wissen kann, sollte man äußerst kritisch behandeln und sich immer fragen: Wer hat einen Nutzen davon, dass ich das glaube? An Wunder glauben kann nämlich ganz schön weh tun – zum Beispiel, wenn man irgendwann erkennt, dass jeder Wunderglaube Irrglaube ist.

*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle als Zitat gekennzeichnete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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