Kommentar zu NACHGEDACHT 158: Auch einmal Zeit für sich selbst?

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Kommentar zu NACHGEDACHT 158 Auch einmal Zeit für sich selbst?, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 24.01.16 von Osthessennews (genaugenommen ist das nicht NACHGEDACHT 158, sondern 159)

Nehmen Sie sich auch einmal Zeit für sich? […] Ich glaube sogar, es wäre ganz wichtig, dass man dies tut. Denn nur wir selbst wissen, was aus uns werden soll. *

Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Es ist unsere Freiheit, aber auch unsere Aufgabe und Verantwortung zu überlegen, was „aus uns werden soll.“ Die Autorin beschreibt damit das „Prinzip Eigennutz“, das alle lebendigen Indivduen verfolgen: Die „Mehrung“ des eigenen Wohls und die Vermeidung von „Wehe.“ Was tut mir gut? Was schadet mir? Was will ich? Was will ich nicht? Wer bin ich? Wer will ich sein?

Jedes Lebewesen ist zunächst mal ein Lebewesen, das leben will, unter anderen Lebewesen, die auch leben wollen. Im Lauf der Evolution und der sozio-kulturellen Entwicklung hat sich herausgestellt, dass es für Menschen (und auch für einige Tiere und wahrscheinlich auch für einige Pflanzen) von Vorteil ist, beim Verfolgen der eigenen Interessen auch die gleichberechtigten Interessen Anderer zu berücksichtigen.

Daher ist auch der höchste Wert der Ethik, auf der Gesellschaftsordnungen wie unser Grundgesetz oder die Menschenrechte basieren, die größtmögliche Freiheit des Individuums bei Berücksichtigung gleichberechtigter Interessen Anderer und der Umwelt.

Dieses natürliche, an sich ganz einfache Werteverständnis steht allerdings in einem krassen Widerspruch zu dem, was Religionen darüber sagen. Das fängt damit an, dass sich Religionen nicht an die natürliche Wirklichkeit halten, sondern die reale Existenz und das tatsächliche Wirken eines erdachten übernatürlichen Wesens nicht nur vermuten, sondern sogar voraussetzen. Da sie eine solche Existenz natürlich nicht beweisen können, verlangen sie, dass ihre Anhänger daran glauben – mit fatalen Folgen.

Alle Gebote, aber auch alle Heilsversprechen, also zum Beispiel die Erlösung von angeblicher Schuld, besonderer Schutz, Erhörung von Gebeten usw. gelten nur für die angeblich „Auserwählten“, also die Zugehörigen dieser Religion. Schon allein deshalb können Religionen keine Basis für eine globale Ethik für Menschen im 21. Jahrhundert mehr sein. Eine „brauchbare“ Ethik muss für alle Menschen gelten können, unabhängig von Geschlecht, Wohnort, Gruppenzugehörigkeit, Weltsicht, Wertevorstellung und Glauben.

Christen, die die Lehren ihrer Religion ernst nehmen, glauben daran, dass ein allmächtiger, allwissender Gott (was rein logisch schon gar nicht möglich ist) alles „lenkt.“ Sie neigen dazu, in alles, was geschieht, einen Sinn hineininterpretieren zu wollen, sie suchen in allem einen Beweis dafür, dass ihr Gott nicht nur eine Illusion, sondern eine reale Größe sei – bisher, wie wir alle wissen, vergeblich.

Da wird von „Vorsehung“ gesprochen und davon, dass Gott nicht nur alles erschaffen habe, sondern sogar aktiv ins Geschehen eingreifen würde. Weil es dafür keinen einzigen seriösen Hinweis, nichtmal einen Grund zur Vermutung gibt, ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist. Denn in Wirklichkeit ist alles, was geschieht, die Folge von etwas, was dazu geführt hat.

Dem gegenüber ist die Erkenntnis, dass nur wir selbst wissen (können), was aus uns werden soll, ziemlich fortschrittlich. Wir haben keine von „oben“ festgelegte „Mission“, wir sind nicht das von irgendwem zu irgendeinem Zweck „auserwählte Volk“, wir müssen von nichts und niemandem von unserer angeblichen „Schuld“ „erlöst“ werden.

Unsere „Mission“ ist es, glücklich zu sein oder zu werden. Solange wir dabei gleichberechtigte Interessen Anderer und unserer Umwelt berücksichtigen, können wir jeden beliebigen Weg wählen, der zu unserem persönlichen Glück führt.

Wofür und wogegen wir uns bei unserer Lebensgestaltung entscheiden, hängt in erster Linie von der Prägung unseres Unterbewusstseins ab. Diese Prägung entwickelt sich ein Leben lang weiter, deshalb kann sich unser Werteverständnis auch im hohen Alter noch radikal ändern, zum Beispiel aufgrund neuer Erkenntnisse** oder auch einer dadurch verursachten neuen, anderen Bewertung früher gewonnener Erkenntnisse.

Auch wenn dies ein fortwährender Prozess ist, so gibt es doch hin und wieder auch Momente im Leben, in denen sich ein bisher als zielführender Weg vielleicht sogar mal schlagartig als Holzweg herausstellt. Eine Erkenntnis, die es erforderlich macht, vielleicht sogar einen ganz neuen, ganz anderen Weg einzuschlagen. Einen Weg, der nicht in die Sackgasse einer Illusion, sondern in die spannende und vielfältige Realität des wirklichen Lebens, ins Diesseits statt ins Jenseits führt.

Glücklicherweise kann uns nichts und niemand, abgesehen von der Prägung unseres eigenen Unterbewusstseins, daran hindern.

Wir selbst kennen unsere Wünsche und Sehnsüchte. *

Wenn wir Glück haben, kennen auch noch andere unsere Wünsche und Sehnsüchte – nicht alle, aber vielleicht einige davon 🙂

Bin ich dort, wo ich sein will? Was muss ich denn tun, um dorthin zu kommen? *

Und was hindert mich vielleicht daran, dorthin zu kommen? Und warum lasse ich mich davon behindern?

Seien Sie aber nicht zu streng mit sich und streiten Sie bloß nicht mit sich selbst.
Seien Sie eher ein guter Freund, der gnädig urteilt. *

Manchmal ist es allerdings schon erforderlich, schonungslos mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Ein gnädiges Urteil würde da vielleicht nicht den entscheidenden und dringend erforderlichen Schritt zur Folge haben.

*Unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ fordert Osthessennews jede Woche zum Nachdenken auf. Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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