Das Wort zum Wort zum Sonntag: Tanz in den Mai – mit Gott

Lesezeit: ~ 4 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Tanz in den Mai – mit Gott, gesprochen von Lissy Eichert (kath.), veröffentlicht am 30.4.2016 von ARD/daserste.de

[…] Madeleine Delbrêl. Sie hat studiert, liebte das Tanzen und die französische Lebensart. Nur von Gott hielt sie nichts. Das änderte sich, als einer ihrer Freunde ins Kloster ging. Die Frage nach Gott brach auf. Fortan bestand ihr Leben aus Studieren, Tanzen und der Suche nach Gott.*

Der eigentliche Grund, warum sich Delbrêl so intensiv dem christlichen Glauben zuwand, dürfte wahrscheinlich der Liebeskummer gewesen sein, nachdem ihr Verlobter die damals 19jährige verlassen hatte (Quelle: Wikipedia). Solche Erlebnisse können das Vertrauen in die Wirklichkeit erschüttern und Menschen dazu verleiten, sich in Scheinwelten zu flüchten.

Als sie anfing zu beten, fand sie ihn – oder vielmehr: Sie hatte das Gefühl, dass er sie gefunden hat.

Natürlich. Bis jetzt hat noch niemand Gott „gefunden“, weil noch keiner der über 3000 Götter, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat, jemals auch nur einmal seriös nachweisbar in Erscheinung getreten ist. Dieses kleine Detail hält immernoch viele Menschen, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, nicht davon ab, alles Mögliche als „Gott“ zu bezeichnen. Da es bis heute noch nicht mal eine allgemeinverbindliche Definition dessen gibt, was mit „Gott“ gemeint sein soll, ist dieser Begriff völlig beliebig für alles Mögliche verwendbar und damit bedeutungslos.

Sie stellte sich vor: Gott ist ihr Tanzpartner, der sie in seinen starken Armen hält und vor allem führt.

Das spricht für die oben genannte These, dass Gott auch in diesem Fall mal wieder nichts weiter als eine Projektionsfläche für eine männliche Gestalt mit bestimmten Wunscheigenschaften war. Noch kein Gott hat sich jemals gegen diese Interpretation gewehrt, genausowenig wie kein Gott diese Rolle jemals erfüllt hat.

Zusammen mit Gott schaffte Madeleine Delbrêl es, Denkblockaden und gesellschaftliche Tabus zu überwinden:

War der Beitrag durch das „Sie hatte das Gefühl, dass er sie gefunden hat“ noch mit der Wirklichkeit vereinbar, ist mit der Realität hier Schluss. Nicht „Zusammen mit Gott“ schaffte sie etwas, sondern „Mit der Vorstellung ihres starken, männlichen Wunschgottes und mit einer, diesem Wunschbild entsprechenden hochselektiven Lesart der Evangelien“ schaffte sie etwas. Und bei der Überwindung der eigentlichen Denkblockade – dem Glauben an Gott – konnte ausgerechnet er ihr vermutlich auch nicht helfen…

Madeleine Delbrêl suchte das Gespräch mit allen. Das finde ich stark!

Dazu musste sie Grenzen überwinden, die durch die Religion erst geschaffen worden waren.

[…] Wir erinnern uns: Jesus aus Nazaret, der Sohn des Zimmermanns, also ein Arbeiterkind, forderte: „Wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.“ (Lk 10, 7) Lohngerechtigkeit schon in der Bibel!

Wir erinnern uns genau und objektiv: Was Jesus aus Nazaret, der Sohn des Zimmermanns, also die möglicherweise tatsächlich historisch belegbare Person, forderte oder nicht forderte, ist nicht überliefert. Die biblische Kunstfigur Jesus war kein Arbeiter- sondern ein Gotteskind.

In der zitierten Bibelstelle musste Jesus natürlich seinen 72 ausgesandten Jüngern nehelegen, auf Lohn zu bestehen, schließlich hatte er sie ohne Geld losgeschickt:

  • Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unterwegs! (Quelle: Lukas 10,4 EU)

Interessant ist auch der eigentliche Grund für diesen jesuitischen Auftrag zum Erntehelfereinsatz: Jesus betrieb keine Arbeitsvermittlungsagentur, ihm ging es nur darum, seine „Mission“ möglichst erfolgreich zu erfüllen – die Ankündigung seines Gottes. So lautete auch sein Auftrag (Hervorhebungen von mir):

  • Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe. Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, in der man euch nicht aufnimmt, dann stellt euch auf die Straße und ruft: Selbst den Staub eurer Stadt, der an unseren Füßen klebt, lassen wir euch zurück; doch das sollt ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe. (Quelle: Lukas 10, 9-11 EU)

Und direkt danach folgt die Aufklärung darüber, dass der eigentliche Lohn nicht in dem besteht, was die Leute für ihre Arbeit bekommen, sondern darin, dass sie durch ihre Verkündungs- und Exorzismustätigkeit (für die sie ja gar nicht eingestellt und bezahlt worden waren) eine Chance auf ihr persönliches jenseitiges Heil erlangt haben (Hervorhebung von mir):

  • Der Lohn der Jünger
    Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und berichteten voll Freude: Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen. Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. Seht, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden. Nichts wird euch schaden können. Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind.

    (Quelle: Lukas 10, 17-20 EU)

Ausgerechnet die katholische Kirche hat so gar keinen Grund, sich zum Thema „Recht auf Arbeit“ überhaupt zu äußern. Die Kritik an der Kirche in ihrer Funktion als Arbeitgeber ist bereits umfassend dokumentiert, sodass hier nur ein paar Verweise reichen sollen:

Arbeit nicht als Mühsal sehen, sondern als eine Möglichkeit, mit Gott im Tanz in Verbindung zu treten. Das verleiht dem Alltag eine Leichtigkeit. Einen Glanz.

Die Leichtigkeit, die das Vertrauen auf einen imaginären Gott in den Alltag bringen kann, ist vergleichbar mit der Leichtigkeit, die Alkohol in den Alltag des Alkoholikers bringen kann – eine Illusion, die mehr schadet als dass sie nutzt. Glänzend wird der Alltag, wenn man sich von fiktiven Phantasiewesen befreit hat und sich an der faszinierenden realen Wirklichkeit und an seinen eigenen Fähigkeiten orientiert. Zum Glück haben Menschen neben „Mühsal“ und „Tanz mit Gott“ auch noch andere Möglichkeiten, ihr Verhältnis zur Arbeit zu gestalten und wahrzunehmen.

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tanz durch den Mai.

Und ich wünsche Ihnen eine frohe Feier zum Gedenken an Josef den Arbeiter, eingerichtet 1955 von Papst Pius XII., der damit versuchte, die traditionellen Maifeierlichkeiten der Arbeiterbewegung für christliche Zwecke zu instrumentalisieren.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

**Die Bibelzitate stammen aus der Einheitsübersetzung (EU) der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.

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