Konversionstherapie und Exorzismus

Lesezeit: ~ 2 Min.

Gastbeitrag von PD Dr. Andreas Edmüller: Konversionstherapie und Exorzismus

Darum geht es

Für das neue Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen wurde der Wert der persönlichen Unversehrtheit und Freiheit über religiöse Argumente gestellt. Doch auch in anderen Bereichen gibt es noch dringenden Handlungsbedarf, wie Gastautor Dr. Andreas Edmüller an den Beispielen Beschneidung und Exorzismus aufzeigt.

Schutz vor Konversionsbehandlung

Am 17.12.2019 hat sich das Bundeskabinett auf das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen geeinigt.

Worum geht es dabei? Konversionstherapien gehen erstens davon aus, Homo-, Bi- oder Transsexualität seien Krankheiten und bieten zweitens ziemlich brutale Behandlungen zur „Heilung“ an.

Das neue gesetzliche Verbot bezieht sich ganz generell auf „Therapien“ an Minderjährigen und an solchen volljährigen Personen, deren Zustimmung durch Drohung oder andere massive Manipulationen wie z.B. Täuschung oder Erpressung erzielt wurde. Konsequenterweise werden im Gesetzesentwurf auch das Anbieten, Bewerben und Vermitteln von Konversionstherapien unter Strafe gestellt.

Der Rechtsstaat hat damit nach einer sehr langem Phase des Zögerns, Wegschauens und Lavierens endlich seine Kernaufgabe in Angriff genommen, die Bürger auch in diesem Fall vor Erpressung, Betrug, und Gewalt zu schützen.

Das religiöse Argument, Homo-, Bi- oder Transsexualität seien zutiefst sündebehaftete Lebensformen und ein rabiates Vorgehen dagegen deshalb im Rahmen der Religionsfreiheit bzw. traditionellen religiösen Lebens legitim, wurde völlig zu Recht verworfen bzw. ignoriert.

Recht auf körperliche Unversehrtheit

Leider klappt das nicht immer. Im Fall der Beschneidung hat der Rechtsstaat bekanntlich – bei ganz ähnlicher Problemlage – jämmerlich versagt.

Natürlich ist die nicht aus medizinischen Gründen erforderliche Amputation der Vorhaut ein Eingriff in bzw. Angriff auf die körperliche Unversehrtheit einer Person – in diesem Fall einer besonders schutzwürdigen, da sehr schwachen Person.

Konkret: Es ist ein Frontalangriff auf unsere Verfassung.

Wie stellt sich unser Rechtsstaat dazu? Der Bundestag hat (als prompte Reaktion auf ein Gerichtsurteil, das Beschneidung als Körperverletzung eingestuft hat) im Dezember 2012 sogar ein spezielles Gesetz verabschiedet, um unmissverständlich klarzumachen, dass dieser Verfassungsbruch zugelassen wird, dass „eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes“ auch weiterhin ohne Angst vor rechtlichen Folgen für die Täter vorgenommen werden kann.

Das religiöse Argument, diese Form von Gewaltanwendung sei durch Religionsfreiheit und religiöse Traditionen gedeckt, wurde vom Gesetzgeber akzeptiert .

Mit der Würde des Menschen, Vernunft und sinnvoller Argumentation hat das nichts zu tun.

Ich habe in unserem Blog „Die offene Gesellschaft“ (http://blog.projekt-philosophie.de) schon mehrfach darauf hingewiesen, dass unser Staat leider immer wieder ganz bewusst wegsieht, wenn gegen elementare Rechte der Bürger verstoßen wird, sich damit angreifbar macht und selbst schwächt. Und dass gerade die Populisten von links und rechts aus dieser Selbstschwächung Nutzen ziehen.

…und beim Thema Exorzismus?

ExorzismusHeute möchte ich auf einen anderen Aspekt dieser Problematik hinweisen – auf das Thema Exorzismus.

Jedes Jahr finden Teufelsaustreibungen statt, immer wieder kommen dabei Menschen zu Tode. (Einen Überblick für Deutschland finden Sie hier.)

Nach Angaben der katholischen Kirche ist die Nachfrage nach Exorzismen in letzter Zeit enorm gestiegen; der Vatikan hat deshalb seine Bemühungen zur Ausbildung von Exorzisten gerade erheblich verstärkt – und „modernisiert“!

Es ist also davon auszugehen, dass es auch in Zukunft Exorzismen auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik geben wird.

Es ist ebenfalls von der Annahme auszugehen, dass „Teufelsaustreiber“ auch in Zukunft Exorzismen an Minderjährigen und an Personen vornehmen, deren Urteils- und Entscheidungsvermögen stark beeinträchtigt ist. Und es ist davon auszugehen, dass Exorzismen ähnlich brutal und gewaltsam ablaufen wie Konversionstherapien.

Und das führt direkt zur folgenden Frage:

  • Wenn der Gesetzgeber Konversionstherapien an minderjährigen und nicht entscheidungsfähigen Personen durch Gesetz verbietet, warum dann nicht auch Anbieten, Bewerben, Vermitteln und Durchführen eines Exorzismus?
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7 Gedanken zu „Konversionstherapie und Exorzismus“

  1. Sollte es zu einem rechtlich-gesätzlichen Verbot von religiösen Beschneidungen kommen, könnte ich mir vorstellen, dass so etwas heimlich gemacht wird!
    Das würde es nur noch verschlimmern und wir hätte vielleicht sogar ein „Beschneidungsmafia“!

    Und Exorzismus, fängt doch schon mit der Kindstaufe an!

    Antworten
    • Beschneidungen werden doch jetzt schon „heimlich“ von irgendwelchen Stümpern ohne medizinische Ausbildung durchgeführt. Schlimmer kann es nicht mehr werden.

      Antworten
    • Hallo Christian,

      grundsätzlich ist es die Aufgabe des Rechtsstaates, Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit zu unterbinden und zu ahnden. Egal, ob das denen passt, die diese Angriffe unternehmen (wollen) und ob sie heimlich damit weitermachen (wollen).

      Stimmt – Taufe wird als Exorzismus interpretiert. Das bisschen Besprenkeln mit Wasser ist aber kein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit oder individuelle Freiheit. Beim „klassischen“ Exorzismus aber besteht dieser Verdacht; dabei hat es ja schon Tote gegeben. Es ist übrigens nicht leicht, über die Abläufe zuverlässige Informationen zu finden – da wird bei den Christen und Muslimen gemauert. Gerade das macht mich stutzig: Wenn Religiöse mauern …

      Antworten
  2. Hallo Andreas,

    >>grundsätzlich ist es die Aufgabe des Rechtsstaates, Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit zu unterbinden und zu ahnden. Egal, ob das denen passt, die diese Angriffe unternehmen (wollen) und ob sie heimlich damit weitermachen (wollen).<<

    Dem gibts meinerseits nichts hinzu zufügen.
    Das erwarte ich auch von einem modernen Rechtsstaat.
    Dennoch sehe ich hier in diesem Fall, ein sehr weitgehendes Versagen unserer Regierung.
    Doch selbst bei einm gesätzlichem Verbot der Beschneidung, bieten sich sicherlich ein paar Schlupflöcher.

    Und zur Kindstaufe: Du hast sicherlich Recht, dass ein Besprenkeln mit etwas Wasser, keine Gefahr für das Kind ist.
    Dennoch bin ich der Meinung, dass ein Kind (im Zuge des Erwachsenwerdens), selbst entscheiden soll, welchem Glauben und welcher Religion es angehören möchte.
    Und ganz objektiv betrachtet:
    Was hat die Kindstaufe für ein Sinn?
    Steht das Kind dann exklusiv unter dem Schutz von Gott?
    Wenn ein Mensch geboren wird, ist es dann schon böse und von Gott/Jesus/dem heligen Geist verbannt, solange bis es sich taufen lässt, oder sich zu Jesus bekennt?
    Das ist wirklich kindlich naiv!
    Trotzdem kann es im Laufe seines Lebens, schwer Krank werden, oder gar durch einen Unfall sterben.
    Und was ist mit den Millionen Menschen, die noch noch nie etwas von Jesus gehört haben? Oder die Menschen, die vor Jesus gelebt haben?
    Die haben dann einfach Pech gehabt?
    Da muss ich festellen, dass der Christliche Glaube eine ganz miese PR hat!

    Antworten
    • Hallo Christian,

      was die Inhalte der christlichen (und jeder) Religion angeht, fallen mir wie Dir vor allem Begriffe wie Unfug, Unsinn, Irrtum etc. ein. Aber: Das alles ist – wie natürlich auch unsere Kritik daran – durch die Rechte auf Meinungs-, Diskussions- und Religionsfreiheit abgedeckt. Der Staat sollte bzw. darf nur dann eingreifen, wenn diese Überzeugungen zu unzumutbarem Schaden für andere Personen führen. Meiner Meinung nach ist genau das bei Konversionstherapien, Beschneidung und Exorzismus-Ritualen der Fall. Vielleicht ja auch bei langjährigem Religions“unterricht“? 😈

      Antworten
      • „Vielleicht ja auch bei langjährigem Religions”unterricht”?“

        Ganz bestimmt!
        Und mE auch GANZ heftig per penetrantem Glockengeläute! Das wäre mE ein Fall, die organisierte Mafia Kirche(n) quasi ins Innerste zu treffen, ihrem Symbolgehalt. Nix würde sie wohl mehr treffen als die Verweigerung, ihre Botschaft ungefragt überallhin rausplärren zu können (betrifft zB auch TV-(uä)-Sendungen).
        Ich wäre sehr dafür, bevorzugt an solchen „symbolischen“ Stellen zu raufen, denn die sind viel publikumswirksamer als zB so abstrakte Themen wie „Arbeitsrecht“ (obwohl ich das *eigentlich* als wesentlich wichtiger erachten würde) …

        Antworten
  3. Hallo Andreas,

    die Rechte sind im Grundgesetz abgesichert.
    Da bin ich auch froh, dass ich hier in einem freien Land lebe und selber entscheiden darf.
    Nur, nach meiner Auffassung, hat sich die Ausübung und das Prktizieren des Glaubens, privat zu halten und der Staat hat sich säkular zu zeigen.
    Glaubensfreiheit und Selbstbestimmung, um nur einige unsere Rechte (von denen wir alle provitieren) zu nennen, suchen wir in der Bibel vergebens.
    Die von Dir erwähnten Konversionstherapien, sind einfach eines der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, die es überhaupt gibt! Egal, ob aus religiöser- oder medizinischer Sicht. (die Schnittmenge von beidem, ist riesig!)
    Was hat sich die Kirche zu interssieren, mit wem ich mein Bett teile?

    Antworten

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