Kommentar zu: Kirche oder Bollerwagen an Himmelfahrt? Pfarrer BÜRGER: „Jeder soll das machen, was er für gut hält“

Lesezeit: ~ 4 Min.

Kommentar zu Kirche oder Bollerwagen an Himmelfahrt? Pfarrer BÜRGER: „Jeder soll das machen, was er für gut hält“, veröffentlicht am 05.05.16 von Osthessennews

[…] „Ob man den Tag jetzt mit einem Gottesdienst feiert oder mit einem Bollerwagen umherzieht, ist letztlich jedem selbst überlassen“, sagt Pfarrer Stefan Bürger von der evangelischen Kreuzkirche in Fulda-Neuenberg, „Wir als Kirche sind nicht dazu da, anderen vorzuschreiben, was sie tun dürfen und was nicht.“*

Einen Moment lang könnte man fast erstaunt sein über solch progressive Worte, die man allerdings auch fast schon als Offenbarungseid deuten könnte: „Macht doch was ihr wollt“ ist sicher keine für einen christlichen Religionsdiener übliche Aussage, schon gar nicht in Fulda, wo es schon reicht, nicht an den christlichen Wüstengott zu glauben, um vom genauso christlichen Bischof als „große Gefahr für die Mitwelt“ beschimpft zu werden.

Vielmehr versucht gerade die christliche Kirche, sich in praktisch alle Bereiche des Lebens und Zusammenlebens am liebsten aller Menschen einzumischen. Unweigerlich stellt sich die Frage, wozu Kirchen denn dann überhaupt noch da sind, wenn sie auf ihre bisherige Haupttätigkeit ab sofort offenbar verzichten wollen? Doch wohl kaum als freiwilliges spirituelles Angebot für Erwachsene, ohne staatliche Milliardensubventionierung und Sonderprivilegierung? Zu schön um wahr zu sein…

Er habe jedoch in letzter Zeit festgestellt, dass bei den Leuten ein Verlangen nach originellen, modernen Gottesdiensten gewachsen sei.

Was ist davon zu halten, wenn sich Pfarrer plötzlich (wahrscheinlich meist notgedrungen) progressiv geben und versuchen, ihr Angebot irgendwie so an den Mann, die Frau, das Kind oder die Jugendlichen zu bringen, dass diese nicht merken, was sich eigentlich dahinter verbirgt, nämlich nichts außer einer schädlichen Illusion zum Zweck des unlauteren Broterwerbs und Machterhalts?

Es ist nur verständlich, dass immer weniger Menschen Interesse an herkömmlichen Gottesdiensten haben, weil es bei diesen ja um die Zuwendung zu einem fiktiven Wesen geht, was immer weniger Menschen mit ihrer intellektuellen Redlichkeit, ihrer Vernunft und ihrem Verstand in Einklang bringen können.

Deshalb ist es kaum erstaunlich, dass Veranstaltungen, die den Menschen mehr bieten als groteske Unterwerfungs- und obskure rituell-kannibalistische Zeremonien mit einem unvorstellbar brutalen Menschenopfer in Form einer Todesfolterungsszene im Mittelpunkt, beliebter sind als Gottesdienste, die diesem Begriff noch im Wortsinn gerecht werden. Statt gestiegenem Interesse an originellen Gottesdiensten vermute ich eher ein rapides Desinteresse an herkömmlichen Gottesdiensten.

[…] „Jeder soll das machen, was er für gut hält. Und ich halte es eben für gut, an Himmelfahrt Gottesdienst zu feiern und auf den Vater hinzuweisen, um den es geht. Nämlich den Vater im Himmel.“

Himmelfahrt (christlich)
Himmelfahrt (christlich)

Nein, um diesen Vater geht es an Vatertag nicht – da geht es in der realen Welt um die irdischen, realen Väter und in der religiösen Welt um einen angeblichen Sohn. An welcher Stelle und in welcher Form sich der Sohn dann zu einem Drittel seines Vaters verwandelt hat, ist genauso unerklärlich, aber auch irrelevant wie der Rest der Geschichte. Es gibt bis zum Beweis des Gegenteils gar keinen „Vater im Himmel“ und folglich auch keinen Sohn, der zu diesem Vater unterwegs sein könnte.

Wenn mit „Vater im Himmel“ die Phantasiegestalt gemeint sein soll, die in der Bibel als „Gott“ beschrieben wird, so handelt es sich dabei um einen äußerst unangenehmen, inhumanen, kriegs-, eifer- und rachsüchtigen Zeitgenossen, der seine Allmacht nicht nutzt, um das Leid zu beseitigen.

Betrachtet man die Aussagen der Bibel im übertragenen Sinne, so könnte man den „Vater im Himmel“ noch als Allegorie auf das Sonnenlicht und die Himmelfahrt als Allegorie auf das durch das Sonnenlicht verursachte Aufsteigen des Wasserdampfes interpretieren, was ein evangelischer Pfarrer aber wahrscheinlich nicht tun würde – der behält sein „Geheimnis des Glaubens“ lieber für sich…

Mit Sonnenlicht, dem wir ja tatsächlich alles irdische Leben zu verdanken haben, wären wir immerhin wieder im realen Universum, wobei es der Sonne genauso wie Gott egal sein dürfte, ob, wie oder wann jemand sie, ihn oder es verehrt (oder, was Gott betrifft, auch mal verzehrt). Gleiches gilt genauso für die Naturgesetze, während vielen Göttern narzisstische und despotische Züge angedichtet wurden.

Vorschreiben will Pfarrer Bürger aber niemandem etwas. Er sei kein Moralapostel.

Als evangelischer Pfarrer vertritt er allerdings eine Moral, nämlich die seines Arbeitgebers. Und da diese Moral auf dem Welt- und Wertebild einer archaischen Mythensammlung aus dem Vormittelalter basiert, kann sie für das Zusammenleben der Menschen im 21. Jahrhundert keine Rolle mehr spielen. Und durch die Ideen des Reformators vor rund 500 Jahren wurde es auch nicht wirklich besser…

Da sich heute kaum noch jemand von einer Ideologie, die auf der beliebigen Auslegung einer rein menschlichen Fiktion beruht, etwas voschreiben lassen will, haben die Religionsdiener heute gar keine andere Wahl mehr, als die Menschen sich selbst zu überlassen und eben zu hoffen, dass sie noch irgendwer ernst nimmt. Sinngemäß: „Dann feiere ich halt alleine mein Kirchen-Ding, während die anderen Spaß haben. Vielleicht nehmen sie mich ja mal mit…“

Himmelfahrt (weltlich)
Himmelfahrt (menschlich)

Fazit: Auch durch noch so ausgefallene und menschennahe Aktionen kann die Kirche ihr schwer (be-)lastendes Erbe, nämlich ihre zu bestimmten Zwecken konstruierte und instrumentalisierte Ideologie nie ganz verbergen. Ein Holzweg bleibt auch dann ein Holzweg, wenn die Balken neu geschliffen und bunt angestrichen wurden.

Letztlich dient jeder Biker- oder Bierzeltgottesdienst, jedes christliche Open Air-Konzert und jedes christliche Jugendzeltlager nur dem einen Zweck, nämlich die Menschen weiter auf dem Holzweg zu einem fiktiven und deshalb unerreichbaren Ziel zu führen.

Die mehrfach genannte, fast schon trotzig wirkende Aussage: „Jeder soll machen, was er für gut hält“ ist ein Indiz dafür, dass die Kirche heute offenbar wirklich überhaupt nichts mehr von ihren An- und Abhängigen verlangt, als dass diese durch ihren Taufschein die Zahl der „Gläubigen“ um eins erhöhen.

Wenn immer mehr Schafe etwas anderes für „gut“ halten als ihr Hirte, dann sollte der Hirte mal kritisch hinterfragen, inwiefern seine Vorstellung von „gut“ in Bezug auf die Realität der Menschen im 21. Jahrhundert noch zutreffend ist und woher seine Definition von „gut“ eigentlich stammt.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.

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