Kommentar zu NACHGEDACHT 175: Was ist Heimat?, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 15.05.16 von Osthessennews
[…] Was ist Heimat?
Eine interessante Definition stammt von Metallica:
- Anywhere I roam, where I lay my head is home
(Quelle: Metallica: Wherever I may roam)
Eine andere lautet:
- I am a citizen of the world. My religion equals love. And my political view is oneness.
Ich bin ein Bürger der Welt. Meine Religion ist gleich Liebe. Und meine politische Meinung ist Einheit.
Und Wikipedia definiert den Begriff Heimat wie folgt:
- Der Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf den Ort angewendet, in den ein Mensch hineingeboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen.
(Quelle: Wikipedia)
[…] Ich lebe zwar schon lange nicht mehr im Ort meiner Eltern, aber dadurch, dass ich dort immer noch zur Kirche gegangen bin, war alles in Ordnung.
Ich finde es erstaunlich, dass es ausgerechnet der Kirchenbesuch im Ort der Eltern ist, wegen dem „alles in Ordnung“ war. Gott ist in dieser Kirche genauso abwesend wie in jeder anderen Kirche, während die Eltern ja tatsächlich in diesem Ort wohnen und man meinen könnte, es sei alles „in Ordnung“, wenn man diese regelmäßig besucht.
Aber dann musste ich an meinen Religionslehrer denken, der mir zum Abitur gratulierte und sagte: „Christina, irgendwann kommt für jeden Menschen die Zeit, in der er wie Abraham aufbrechen muss. Auch wenn wir nicht sicher sein können, was kommt, so können wir doch Vertrauen haben, dass alles am Ende gut wird.“
Das „Vertrauen, dass alles am Ende gut wird“ von Abraham besteht darin, dass er ohne zu zögern und gegen die grundlegendsten ethischen Standards bereit ist, seinen Sohn als Opfer im Auftrag seines Gottes zu töten. Die Geschichte von Abraham drückt aus, dass erstmal absolute Unterwerfung bis zur Selbstaufgabe die Voraussetzung ist, dass „alles am Ende gut wird.“
Wer sich mit der biblischen Gestalt Abraham befasst, wird schnell feststellen, dass das Verhalten von Menschen aus der Bronzezeit nicht zur Ableitung für das Verhalten von Menschen im 21. Jahrhundert geeignet ist.
Weil die gesamten alttestamentarischen Schriften so gar nichts mehr mit unserer heutigen Wirklichkeit zu tun haben, hatten sich Theologen den Trick einfallen lassen, das aus heutiger Sicht furchtbare und in seiner wörtlichen Aussage völlig irrelevante Alte Testament für ungültig zu erklären, abgesehen natürliclh von den Auszügen, die sie zur Bestätigung der neutestamentarischen Aussagen benötigen – oder, um bei Bedarf eben mal schnell einen Abraham aus dem Hut zaubern zu können.
Wie in der Bibelauslegung üblich, werden also auch aus dem Alten Testament munter die „Rosinen“ herausgepickt, die den Wünschen und Vorstellungen des Lesers entsprechen und alles andere geflissentlich übergangen und, wenn das nicht reicht, für ungültig erklärt.
Wer immernoch eine irgendwie verklärte Vorstellung vom Urvater Abraham, wie sie Kindern im Religionsunterricht schändlicherweise heute noch eingetrichtert wird, im Kopf hat, sollte sich nochmal mit dieser Phantasiegestalt beschäftigen, um ihr wahres Wesen, wie es in der Bibel beschrieben wird, kennenzulernen.
Wer würde heute noch befremdliche Episoden wie zum Beispiel diese aus dem Leben dieser seltsamen Familie Abraham für irgendwie bedeutsam halten:
- Da das Paar Abraham und Sara kinderlos zu bleiben scheint, schwängert Abraham auf Bitten seiner Frau die ägyptische Sklavin Hagar. Das von ihr geborene Kind sollte nach damaliger Sitte als Kind der unfruchtbaren Herrin gelten. Eifersüchtig geworden, demütigt Sara die Sklavin und Hagar flieht.
(Quelle: Wikipedia)
Und wie schaut es nun mit dem Versprechen aus, dass „Am Ende alles gut wird“? Das kann man natürlich schon so sehen, allerdings nur deshalb, weil am Ende Ende ist und eben kein „Jüngstes Gericht“, bei dem menschliche Persönlichkeiten von erfundenen Göttern nach deren unbekannten Maßstäben ewigen Höllenqualen oder (mindestens genauso fürchterlicher) ewiger Herrlichkeit zugeteilt werden. Diese Vorstellung weckt falsche, weil fiktive Hoffnung und bedroht mit ebenso falscher, weil ebenso fiktiver Bestrafung – nach irdischen Maßstäben also alles andere als „gut.“
Da es bis zum Beweis des Gegenteils keinen Grund zur Annahme gibt, es gäbe so etwas wie ein „Leben nach dem Tod“, kann man tatsächlich auf eine „Erlösung“ am Ende vertrauen, nämlich auf die ganz natürliche Erlösung von allem Leid.
Der Tod ist die (bis auf Weiteres unabdingbare) Folge des Lebens und zum Glück auch völlig unabhängig von imaginären Geistern und Göttern, ja sogar völlig unabhängig davon, wie ein Mensch sein Leben verbracht hat. Deshalb sollten sich Menschen nicht wegen angeblicher illusorischer religiöser jenseitiger Heilsversprechen oder aus Angst vor ebensolchen Bestrafungen fair und mitmenschlich verhalten, sondern in ihrem eigenen und im Interesse ihrer Mitmenschen und ihrer Umwelt.
Nur wenn man wirklich einmal Abschied nimmt, weiß man besser, was man verlassen hat und ob es eine gute oder falsche Entscheidung war.
Ist „gut“ das Gegenteil von „falsch“? Wer legt einen Maßstab wie „falsch“ und „richtig“ fest und nach welchen Kriterien? Geht es darum, etwas „falsch“ oder „richtig“ zu machen oder darum, darauf zu achten, ob es einem gut, besser oder schlechter geht, unabhängig davon, ob andere das für „falsch“ oder „richtig“ halten? Auch wenn sich eine Entscheidung im Nachhinein als nicht dem eigenen Wohl förderlich herausstellen sollte, so bleibt doch jeder „seines Glückes Schmied.“
Und das Wichtigste, was ich dabei gelernt habe, ist: Der Ort, an dem ich groß geworden bin, wird immer meine Heimat bleiben.
„Home is where your heart is“ – wer räumlich umzieht, mit dem Herz aber in der Umgebung bleibt, in die er hineingeboren wurde, wird an einem anderen Ort nie mehr als bestenfalls „zuhause“ sein können. Das bedeutet nicht, dass man seine Verbundenheit zu seiner bisherigen Heimat aufgeben muss, sondern vielmehr, dass man immer darauf achten sollte, möglichst immer „bei sich“ zu sein.
Das gilt nicht nur für die räumliche, sondern auch für die gedankliche Heimat. Wo beide liegen, hängt in erster Linie und bei den meisten Menschen ausschließlich einfach nur davon ab, wann und wo sie geboren wurden.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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