Wann werden Sünden nicht vergeben?

Lesezeit: ~ 3 Min.

bible-1058289_640In diesem Beitrag wollte jemand wissen, wann einem „die Sünden behalten“ werden. Es müsse ja auch „…Situationen geben, in denen sie nicht vergeben werden, wenn Jesus das Recht austeilt, die Sünden auch zu behalten?“

Der zuständige Ich-beantworte-die-Fragen-die-mir-in-den-Kram-passen-Pastor bemühte zur Antwort verschiedene Bibelstellen zum Thema „Sünde“ und „Vergebung.“ Er kommt zu dem Ergebnis, dass Jesus seinen Anhängern die Fähigkeit gegeben habe, „wie Gott selbst Schuld zu vergeben oder auch nicht, doch ist der Auftrag an sie ist auch klar: vergebt einander, egal was kommt – eben auch wie Gott selbst das tut.“

Dass es Götter bis zum Beweis des Gegenteils in Wirklichkeit gar nicht gibt und dass es schon allein deshalb völlig unsinnig ist, irgendwelche Aussagen darüber zu treffen, was ein Gott tut oder nicht tut, scheint kein Problem für den Herrn Pastor zu sein. Er tut einfach so, als ob.

Natürlich darf in diesem Zusammenhang der Satz aus dem „Vaterunser“ nicht fehlen: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

Wer so spricht, räumt zunächst ein, schuldig zu sein. Er geht offenbar davon aus, dass es ein überirdisches Wesen gibt, das in der Lage ist, Menschen „Schuld“ zu vergeben, wobei völlig unklar ist, wie das funktionieren soll oder nach welchen Maßstäben dieses noch niemals in Erscheinung getretene Wesen die „Schuld“ überhaupt feststellt.

Nicht mal, was genau überhaupt mit „Schuld“ gemeint sein soll, ist klar. Ebenso unklar ist, warum dieses angeblich allmächtige Wesen uns unsere Schuld deshalb vergeben sollte, weil auch wir unseren Schuldigern vergeben. Oder ist mit „wie“ gemeint, dass man darum bittet, Gott möge dieselben Maßstäbe anwenden wie es die Menschen untereinander tun?

Wie praktisch immer werfen die religiösen „Antworten“ viel mehr (sinnlose) Fragen auf, als sie beantworten – Answers without questions.

Des Pastors Aussagen zum Thema lauten zusammengefasst und kommentiert:

  • Jesus hatte seinen Jüngern die Fähigkeit gegeben, Schuld zu vergeben oder auch nicht.
    Warum sollte ein Endzeitpredigender Sektenführer befugt oder fähig sein, anderen Menschen diese Fähigkeit zu geben? Und warum bedarf es überhaupt einer besonderen Befähigung, etwas zu tun oder auch nicht zu tun?
  • Gott selbst hat die Fähigkeit, Schuld zu vergeben oder auch nicht.
    Wenn der biblische Gott gemeint ist: Der ist angeblich allmächtig und hat demzufolge natürlich jede beliebige Fähigkeit, deshalb ist auch diese tautologische Aussage sinnfrei.
  • Jesus hatte seine Jünger beauftragt, einander zu vergeben, egal was kommt.
    Warum musste er seine Jünger dann eigens befähigen, Schuld „auch nicht“ zu vergeben? Doch nicht etwa, um Menschen ein Hintertürchen offen zu halten, bei Bedarf auf das göttliche Gebot der Vergebung der Sünden verzichten zu können? Oder etwa doch? „…wie auch wir vergeben unsern Schuldigern, oder auch nicht, weil Jesus uns ja dazu befähigt hat, Schuld auch mal nicht zu vergeben?“
    Etliche der zahlreichen Widersprüche in der Bibel lassen sich besser nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass die Bibel erstmal kompatibel zur damaligen Staatsordnung gemacht werden musste, sonst hätte das Christentum niemals Staatsreligion werden können. Schon allein vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus sinnvoll, zum Beispiel sowohl „Schwerter zu Pflugscharen“, aber eben genauso bei Bedarf auch „Pflugscharen zu Schwerten“ machen zu können, was eben gerade besser in den Kram passt. Von dieser völlig indifferenten Beliebigkeit profitieren die Theologen und andere Kirchendiener bis heute.
  • Gott vergibt ebenfalls, egal was kommt.
    Dies ist bestenfalls ein naiver Wunsch, jedenfalls wenn man vom biblisch-christlichen Wüstengott ausgeht. Der vergibt nämlich definitiv nicht „egal was kommt“, obwohl er das ja eigentlich können sollte als allmächtiger Gott. In unserer realen, natürlichen Wirklichkeit ist es völlig bedeutungslos, ob ein Fantasiewesen „Schuld“ vergibt oder nicht.
  • Jesus erteilt uns die Erlaubnis, zumindest nicht sofort vergeben zu müssen.
    Netter Versuch, den Widerspruch der Aussage: „Ihr könnt vergeben oder auch nicht“ irgendwie zu bewältigen – er könnte es ja zeitlich begrenzt gemeint haben. Wieso war bisher von Jesus und seinen Jüngern die Rede, jetzt plötzlich von Jesus und uns? Für mich ein Indiz dafür, dass Herr Pastor den widersprüchlichen und deshalb bedeutungsleeren biblischen Aussagen einfach keinen brauchbaren Sinn entnehmen kann und deshalb an dieser Stelle beginnt, die Situation mit seiner eigenen Logik zu retten.
  • Es gibt Situationen, in denen Sünden nicht vergeben werden können, dann behalten wir sie.
    Und was wissen wir jetzt, was wir ohne diese ganzen Ausführungen nicht auch schon so gewusst hätten?

Wie ists jetzt aber wirklich mit der Schuld? Um sich darüber zielführend Gedanken zu machen, sollte man zunächst die religiöse Scheinwelt mit ihren Märchen, Mythen, Göttern, Geistern, Gottessöhnen und katastrophalen vormittelalterlichen moralischen Standards verlassen und sich am aktuellen Wissens- und Entwicklungsstand der Menschen im 21. Jahrhundert orientieren.

Als nächster Schritt wäre dann eine Begriffsklärung sinnvoll: Was kann mit „Schuld“ überhaupt alles gemeint sein? Auch den weiteren Begriffen in diesem Zusammenhang wie Vergebung, Tilgung, Sühne. Bestrafung etc. kann man sich in den verschiedenen Bereichen (Philosophie, Ethik, Recht, Kunst,…) nähern und erhält so eine Vorstellung davon, wie die Menschen heute mit diesen Begriffen umgehen.

Und schließlich kann man auf diesem Weg zu der Erkenntnis kommen, dass Moralismen aus einem archaisches Märchenbuch, das aus der frühen Kinderzeit der sozio-kulturellen menschlichen Entwicklung stammt, keine Bedeutung mehr für unsere heutigen ethischen Standards haben.

Auch in Hinblick auf die Schuld, die Religionen Menschen einreden, gilt der Ausspruch von Volker Pispers:

  • Die Schulden des Einen sind das Vermögen des Anderen!
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