Freisprecher: Muss die Frau schweigen und sich unterordnen?

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In einer religiösen Verkündigungssendung unternimmt eine Theologiestudentin den Versuch, das katastrophale biblisch-christliche Bild der Frau zu bewältigen:

https://www.youtube.com/watch?v=K1382I014Qo

Die Tatsache, dass die biblische Gesamtaussage zum Thema Frau entsprechend des damaligen sozio-kulturellen Entwicklungsstandes der Menschheit aus heutiger Sicht völlig inakzeptabel ist, reduziert Frau Lea Quaing in ihrem Beitrag auf eine einzige Bibelstelle.

Damit erweckt sie, besonders bei Leuten, die sich noch nicht eingehender mit den biblischen Geschichten auseinandergesetzt haben, den Eindruck, dass es da irgendwo auch eine kleine, nicht so ganz zeitgemäße Textstelle in der Bibel zum Thema Frau gibt. Gerade bei so grundlegenden Themen ist aber eine Betrachtung der biblischen Gesamtaussage angebracht.

Diese selektive Wahrnehmung oder zumindest selektive Darstellung kann freilich nur eine extrem verzerrte sein. Was auch kaum verwundert, wenn man bedenkt, aus welcher Zeit diese Texte stammen. Und für wen und zu welchem Zweck sie verfasst worden waren.

Biblische Gesamtaussage zum Thema Frau

Kurzum: Die Bibel ist voller Aussagen über die Stellung der Frau in der Gesellschaft, die sich mit heutigen Standards nicht mehr in Einklang bringen lassen. Eine Auswahl entsprechender Bibelstellen findet sich hier.

Die Erniedrigung der Frau zieht sich durch die ganze Bibel. Spätere Autoren greifen immer wieder auf die biblische Eva zurück, die mit ihrer Neugier den Zorn Gottes auf die ganze Menschheit erregt hat. Für dieses weibliche Fehlverhalten wurde die Menschheit nach biblischer Aussage mit Leid und Elend bestraft.

Christen tragen bis heute an der „Erbsünde“, deren Erlösung paradoxerweise derselbe Gott bietet, der sich diese Sünde damals ausgedacht hatte. Ohne weibliches Fehlverhalten fällt das ganze bizarre christliche Gebäude um Schuld und Erlösung in sich zusammen.

Die biblische Gesamtaussage zum Thema Frau ist und bleibt mit heutigen Standards unvereinbar. Daran ändern auch zahlreiche Bewältigungsversuche, vornehmlich von weiblichen Theologen, nichts.

Die letzten 2000 Jahre wären sicher anders verlaufen, wenn in der damaligen Gesellschaftsordnung schon die Werte festgeschrieben worden wären, die unsere heutiges Grundgesetz und die Menschenrechte ausmachen.

Altbekannte Theologentricks

Frau Quaing bedient sich dazu eines altbekannten Theologentricks: Problem benennen, für ungültig oder irrelevant erklären und eine andere Bibelstelle suchen, aus der sich die gewünschte Aussage herausdestillieren lässt. Dieses Vorgehen ist keineswegs so redlich, wie es auf den ersten Blick vielleicht erscheinen könnte.

Die frauenfeindliche Textstelle sei „wohl nicht echt“, weil „später eingefügt.“ Dass dies auch auf den allergrößten Teil der biblischen Aussagen zutrifft, die Christen heute immer gerne als selbstverständlich gültige Grundlage ihrer Lehre heranziehen, scheint nicht zu stören.

Abgesehen davon besagt „echt“ in Bezug auf Bibelstellen noch nichts darüber, inwieweit diese aus heutiger Sicht noch relevant oder wenigstens plausibel sind. Oder von wem die Stelle tatsächlich stammt.

In Wirklichkeit spielt es keine Rolle, von wem genau eine biblische Aussage verfasst, eingefügt, falsch übersetzt, weggelassen oder übertrieben wurde. Alles in der Bibel dient bestimmten Zwecken. Das friedliche, faire Zusammenleben der Weltbevölkerung gehört nicht zu diesen Zwecken.

So war zum Beispiel das meiste dessen, was aus heutiger Sicht in der Bibel noch halbwegs akzeptabel erscheint, erforderlich, um aus der jüdischen eine staatskompatible Religion zu erschaffen.

So hat zum Beispiel auch die Bergpredigt, das vermeintliche „Filetstück“ biblischer Aussagen, laut überwiegender theologischer und wissenschaftlicher Meinung so niemals stattgefunden. Über die Aussagen von Jesus existieren keine zeitgenössischen schriftlichen Unterlagen.

Die wörtlichen Reden stammen aus Aufzeichnungen, die lange nach dem Tod von Jesus anhand von mündlichen Überlieferungen niedergeschrieben worden waren. Oder von früheren Berichten abgeschrieben. Es spricht einiges dafür, dass Jesus nicht des Schreibens mächtig war. Abgesehen davon  hatte er ja nur die vermeintlich kurz bevorstehende Ankunft seines Gottes angekündigt. Und keine Religion gegründet, die einer schriftlichen Fixierung bedurft hätte.

Christliches Frauenbild: Es war schon schlimm – und wurde noch schlimmer

Das erniedrigende Frauenbild geht jedoch nicht nur auf die biblischen Aussagen über die Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft zurück. Das unzeitgemäße, unangenehme Erbe des Frauenbildes hat das Christentum maßgeblich Augustinus zu verdanken, der sein eigenen absurden und weltfremden Ansichten hierzu in die christliche Lehre eingebracht hatte. Salopp ausgedrückt: Es war schon schlimm – und wurde noch  schlimmer.

Ein weiterer einflussreicher Kirchengestalter mit fürchterlichem Frauenbild war der Frauenhasser Martin Luther. Hier nur vier Beispiele, weitere finden sich unter www.martin-luther-2017.de.

  • „Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden.“
    Martin Luther
  • „Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen… Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an.“
    (Martin Luther, Predigt von 1526, Weimarer Ausgabe 16, S. 551)
  • „Unkraut wächst schnell, darum wachsen Mädchen schneller als Jungen.“
     (zitiert nach Arnulf Zitelmann, 1997, „Widerrufen kann ich nicht. Die Lebensgeschichte des Marthin Luther“, Beltz&Gelberg, S. 111)
  • Eine Frau hat häuslich zu sein, das zeigt ihre Beschaffenheit an; Frauen haben nämlich einen breiten Podex und weite Hüften, daß sie sollen stille sitzen.
    (zitiert nach Arnulf Zitelmann, 1997, „Widerrufen kann ich nicht. Die Lebensgeschichte des Marthin Luther“, Beltz & Gelberg (S. 111)

Männer dürfen sich berufen fühlen, Frauen nicht

Und so muss Frau Quaing auch heute, im Jahr 2016 noch kritisieren, dass ausgerechnet die Kirche, die den von ihr anerkannten und verehrten Gott vertritt, das Recht auf Autosuggestion (oder, wie sie es nennt, Berufung) Männern zugesteht, Frauen aber nicht.

Sie erzählt von Zeiten, in denen es gesellschaftlich anerkannt war, dass Frauen nichts sagen durften. Es müsste ihr doch eigentlich auffallen, dass das genau die Zeiten waren, in denen ihre Kirche noch mehr Einfluss hatte als heute. Die Kirche, für die sie zwar nicht als Priesterin, wohl aber als Theologin tätig sein möchte. Die unrühmliche Epoche, in der die Kirche noch das Sagen hatte, ging als das „Finstere Zeitalter“ in die Menschheitsgeschichte ein. Und sorgte für rund 1000 Jahre Stillstand und Rückschritt.

Dass Frau Quaing heute so ketzerische Forderungen wie die Gleichberechtigung der Frau öffentlich ungestraft äußern kann, hat sie jedenfalls nicht der katholischen Kirche zu verdanken. Wobei: Dass sie es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen tun darf, verdankt sie allerdings schon der katholischen Kirche. Die beruft sich nämlich bis heute auf entsprechende Verträge, die sie mit dem Naziregime geschlossen hatte.

Rettungsversuch mit dem Galaterbrief

Um das biblische Frauenbild zu retten, bezieht sich Frau Quaing anschließend auf eine Stelle im Galaterbrief. Aus dieser soll hervorgehen, dass es keine Unterschiede zwischen Mann und Frau gebe. Laut Bibelforschung geht es hier jedoch gar nicht vorrangig um Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern vielmehr um die von Juden und Griechen:

  • Eine Studie von Gal 3,28 bietet H. Thyen 1978, 107-201. Sie ist wie folgt gegliedert: Gal 3,28 im Kontext des Briefes; Juden und Heiden bei Paulus; „Nicht mehr Sklave noch Freier“; Männer und Frauen in den paulinischen Gemeinden; Ausblick auf die Geschichte der Rezeption von Gal 3,28.
  •  Die Schwierigkeit, die in Gal 3,26-28 übernommene Überlieferung genauer zu klassifizieren und auszugrenzen, erkläre sich laut H. Paulsen 1980, 74-95, wenn bedacht wird, dass Paulus solche Überlieferung über weite Strecken zustimmend übernimmt. Dennoch lasse sich erkennen, dass er auch in Gal 3,26-29 interpretierend, kommentierend und verändernd in den Traditionsprozess eingreift und insbesondere − bei Beibehaltung aller drei Gegensatzpaare − den Akzent eindeutig auf das Gegensatzpaar Jude − Grieche und die Aufhebung dieses Gegensatzes in Christus legt. Die V.26-28 zugrunde liegende Überlieferung habe eine von der paulinischen Theologie unterscheidbare Aussage: sie postuliere die schon geschehene, eschatologisch begründete, neue Schöpfung als endgültig.
  •  B. Dupuy 2001, 229-233 betrachtet die Formulierung „nicht mehr Juden noch Griechen“ sowie den gesamten V. 28 im Lichte des jüdischen Morgengebets, wie es erstmals im Talmud in Menaḥot 43b („Es wird gelehrt: R. Meír sagte: „Der Mensch ist verpflichtet, täglich folgende drei Segenssprüche zu sprechen, denn es heißt: Dass er mich nicht zu einem Nichtjuden gemacht hat; dass er mich nicht zu einem Weib gemacht hat; dass er mich nicht zu einem Unwissenden gemacht hat.’“) erwähnt wird, sowie der griechischen philosophischen und literarischen Traditionen. V. 28 besage, dass der wahrheitsgemäße Glaube, ebenso das Gebet, Ausschlüsse zurückweisen müsse. (Quelle: welt-der-bibel.de)

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau dient hier also nur als vergleichendes, ergänzendes Beispiel für die Gleichheit von Juden und Griechen. Ohne einen solchen Passus wäre eine Religion niemals als Staatsreligion geeignet gewesen.

Dieser Theologentrick ist ebenfalls ein alter Hut. Ein weiteres, ganz ähnliches Beispiel hatte ich in diesem Beitrag erläutert.

Zum Schluss noch ein Fehlschluss

Abschließend fordert Frau Quaing: „Wenn ich an einen barmherzigen, liebenden Gott glaube, dann kann die Frau nicht weniger wert sein als der Mann.“

Frau Quaing, die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist sicher ein wichtiges, grundlegendes Thema. Aber wenn Sie an einen barmherzigen, liebenden Gott glauben wollen, müssen Sie noch weit gravierendere Widersprüche bewältigen. Wie erklären Sie sich zum Beispiel das vielfältige, allgegenwärtige Leid und Elend in der Welt? Dass jeden Tag tausende Kinder verhungern und dass das Leben unzähliger Menschen von Naturkatastrophen und Kriegen, zum Beispiel auch von Religionskriegen bedroht ist?

Ausgehend von der Sach- und Faktenlage ist Ihr barmherziger, liebender Gott entweder unfähig und damit nicht allmächtig. Er könnte auch zwar allmächtig, aber völlig gleichgültig sein und deshalb nicht ins Geschehen eingreifen.

Oder er ist ein Sadist, der seine Allmacht dazu nutzt, Menschen absichtlich zu quälen. Und dafür zu sorgen, dass Frauen erniedrigt werden. Dann wäre er jedoch nicht barmherzig und liebend. Jedenfalls nicht aus Sicht seines auserwählten Volkes. Oder der Menschheit allgemein.

Und schließlich besteht auch noch eine weitere Möglichkeit: Gott existiert nicht. Und bei der Vorstellung eines barmherzigen, liebenden Gottes, der keinen Unterschied zwischen Mann und Frau macht, handelt es sich nur um eine naive Wunschvorstellung. Welche Möglichkeit halten Sie für am wahrscheinlichsten?

Fazit

Natürlich kann man gerne seine unvorstellbar kostbare, weil einmalige Lebenszeit für den xtausendsten Versuch verwenden, archaische Mythen und Legenden zu bewältigen. Muss man aber nicht. Außer, wenn man sein Geld damit verdient.

Schon allein, weil die Frau als Verkörperung von Sünde und Schuld eine tragende Rolle im christlichen Aberglauben spielt, wird sich an der grundlegenden christlichen Frauenfeindlichkeit nichts ändern. Dafür wird das christliche Patriarchiat sicher auch in Zukunft sorgen. Solange es noch genug Schafe gibt, die sich das bieten lassen.

 

 

 

 

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