Was Douglas Adams schon im Jahr 1987 literarisch beschrieben hatte, scheint heute tatsächlich Realität zu sein: Gebetsanliegen delegieren.
Im lesenswerten Roman „Dirk Gentleys holistische Detektei“ spielt ein elektrischer Mönch eine wichtige Rolle. Diesen Mönch beschreibt Wikipedia wie folgt:
- Auf einem weit entfernten Planeten arbeitet sich ein humanoider Roboter, genannt Elektrischer Mönch, durch eine Reihe unsinniger Glaubensvorstellungen. Seine einzige Aufgabe ist es, Dinge zu glauben (um so anderen Leuten die Mühe zu ersparen, es selbst zu tun), aber eine Störung hat dazu geführt, dass sein Glaubenssystem zunehmend fehleranfällig wurde.
Mit einem Pferd als Begleiter ausgestoßen aus der Zivilisation, glaubt er momentan, dass seine Umgebung blassrosa sei und dass eine gewöhnliche weiße Tür in eine fremde neue Welt führe. (Quelle: Wikipedia)*
Gebetsanliegen als Auftragsarbeit
Schwer zu sagen, welche Vorstellung absurder erscheint: Dass es sich bei dem Mönch um einen Roboter handelt? Oder doch, dass Glauben etwas sein soll, was man auch delegieren kann – egal, ob an einen Mönch oder an einen Menschen?
Heute, knapp 30 Jahre später, traute ich meinen Augen kaum. Auf einer katholischen Verkündigungswebseite stolpere ich doch tatsächlich über folgende Anzeige:**
Ganz offensichtlich gibt es auch noch im September 2016 (das ist im 21. Jahrhundert) Menschen, die es ernsthaft für sinnvoll halten, Frauen in Albanien mit Gebetsanliegen zu beauftragen.
Virtuelle Kapelle
Das obige Werbebanner führt auf eine Webseite mit einer „virtuellen Kapelle“, was schon sehr an den elektrischen Mönch erinnert.
Allerdings findet sich dort ein Foto von den albanischen Schwestern, die für das Beten zuständig sind. Der Link „Die Schwestern kennenlernen“ führt jedoch nur auf eine Informationsseite. Und nicht zu den Kontaktdaten. Oder zum Facebook-Profil der Betschwestern.
In der virtuellen Kapelle kann man sein Gebetsanliegen in ein Online-Formular eintragen und an die Berufsbeterinnen übermitteln. Die werden als sehr arm und verfolgt dargestellt, was den Auftraggebern sicher zusätzlich noch ein angenehmes Gefühl verschafft, wenn er diesen Nonnen wenigstens einen Gebetsjob verschafft.
Das Anliegen würde vertrauensvoll behandelt, ist zu lesen. Die Übermittlung erfolgt interessanterweise aber unverschlüsselt. Man geht offenbar nicht davon aus, dass die bösen Mächte der Dunkelheit (oder wer auch immer Interesse an Gebeten haben könnte) Webserver betreiben. Und möglicherweise Gebetsanliegen abfangen und mitlesen könnten, wenn diese nicht verschlüsselt übertragen werden.
Fremdbeten: Soll man Lachen oder weinen?
Einmal mehr bin ich mir nicht sicher, ob man hier lachen oder weinen soll. Da gibt es offenbar Menschen, die nutzen das modernste, weltweite elektronische Kommunikationssystem, um anderen Leuten zu anzubieten, ihre Wünsche, Ängste oder sonstige Gedanken an ein albanisches Kloster zu schicken.
Und zwar mit dem Auftrag, diese Anliegen einem bestimmten Provinzialgott aus der Bronzezeit mündlich? gedanklich? mitzuteilen. Der Allmächtige scheint noch keinen Internetanschluss zu haben, sodass dieser analoge Umweg trotz der angeblichen Allwissendheit offenbar noch erforderlich ist.
Und in der Hoffnung, dass der verehrte auch tatsächlich der richtige von den tausenden Göttern ist, die sich die Menschen schon ausgedacht haben. Der daraufhin womöglich seinen großen Allmachtsplan ändert. Oder sogar ins Geschehen eingreift. Weil zwei albanische Nonnen ihn darum im Auftrag eines Internetnutzers gebeten haben.
Dienstleistungskatalog aus dem Billigbetland
Der Dienst scheint kostenlos zu sein. Albanien gilt offenbar als Billigbetland. Wer den Betfähigkeiten der Auftragsbeterinnen nicht vertraut, kann natürlich auch aus den kostenpflichtigen Angeboten wählen.
Die obskuren „Dienstleistungen“ scheinen steuerfrei zu sein. Man lässt sich per Spende bezahlen. Deren Höhe vom gewünschten Paket abhängt:
- Eine Hl. Messe (1 Tag) € 9,-
- Triduum (3 Tage) € 27,-
- Messnovene (9 Tage) € 81,-
- Gregorianische Messreihe (30 Tage) € 270,-
Aussagen darüber, wie sich ein kostenloses Nonnengebet in der Wirksamkeit von einer gregorianischen Highend-Messreihe unterscheidet, finden sich leider nicht. Zur Wirksamkeit finden sich generell keine Angaben. Dazu bräuchte es vielleicht mal eine wissenschaftliche Messreihe.
Post an den Weihnachtsmann
Jetzt mag man es ja vielleicht noch belächeln, wenn kleine Kinder zur Wintersonnwende ihre Wunschzettel an das Postamt in Himmelstadt schicken. Oder an das am Nordpol.
Wenn aber erwachsene Mitteleuropäer im 21. Jahrhundert Gebetsanliegen über das Internet nach Albanien schicken, damit diese Anliegen dort von Nonnen (oder, gegen Geld, auch von Männern) gebetstechnisch bearbeitet werden, dann muss man schon einen nicht unerheblichen Realitätsverlust vermuten.
Denn Leute, die diesen Onlinedienst nutzen, gehen ja vermutlich von einer wie auch immer gearteten Wirksamkeit aus. Warum sie dann nicht einfach selbst beten, ist unklar.
Fatal könnten die Folgen sein, wenn jemand möglicherweise dringend erforderliche Schritte unterlässt, weil er sich darauf verlässt, dass sein Auftragsgebet erhört wird, weil es ja von albanischen Nonnen vorgetragen wurde.
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**Quelle: Screenshot http://kath.net/news/56872, abgerufen am 27.09.2016 um 23:00 Uhr
!!! „Und den Auftrag der Schulen, diese Werte, ihre Ursprünge und Grundlagen, auf denen sie basieren zu lehren, statt Kinder…