Valerie und der Priester: Kirche entdeckt Social Media Marketing

Lesezeit: ~ 3 Min.

Seit etlichen Monaten wirbt das ZfB — Zentrum für Berufungspastoral Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz mit der Online-Kampagne Valerie und der Priester für den religiösen Glauben.

Im Impressum wird das Projekt wie folgt beschrieben:

Das Projekt „Valerie und der Priester“ will zwei Menschen aus verschiedenen Lebensrealitäten einander begegnen lassen: Großstadt- trifft auf Kirchenwelt, Freiheits- auf Traditionsliebe. Eine, die die katholische Kirche für ein verstaubtes Antiquariat hält, trifft einen, der alles für Gott gibt, weil ihm der Glaube so viel gibt. (Quelle)

Bemerkenswert finde ich, dass religiöse Traditionsliebe hier als Gegensatz zur Freiheitsliebe beschrieben wird.

Valerie und der Priester Dass sich religiöse Traditionen nicht mit persönlicher Freiheit vertragen, dürfte jeder erkannt haben, der sich mal objektiv und ohne religiöse Immunisierung mit der katholischen Lehre befasst hat. Aber dass die Kirche selbst diese Diskrepanz als Beispiel für die Unterschiede zwischen der (noch) ungläubigen Journalistin und dem vollindoktrinierten Pfarrer nennt, erstaunt mich doch etwas.

Denn schließlich ist es die Freiheit des Individuums, die in unserer Gesellschaftsordnung an oberster Stelle steht. Und keine archaische Tradition. Die in heutiger Zeit einen Anachronismus par excellence darstellt.

Auch in Großstädten scheint religiöser Glaube schon so weit verschwunden zu sein, dass gar von unterschiedlichen Welten die Rede ist. Ein provinzialer Wüstengott aus der Bronzezeit passt nicht mehr in die irdische Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts.

So funktioniert Valerie und der Priester

Die Werbekampagne ist recht einfach zu durchschauen: Ein ungläubiges, scheinbar kirchenkritisches Stadtmädchen begleitet den jungen Pfarrer aus dem Sauerland ein Jahr lang und berichtet online von den gemeinsamen Erlebnissen.

In den Artikeln wird so ziemlich alles thematisiert, was die Kirchenkritik her gibt: Homosexualität, Gender, Skandale, Kinder- und Machtmissbrauch, Vertuschung… All das wird immer wieder mal von der Journalistin vorgebracht und in seiner Funktion als katholischer Priester kann der Herr Pfarrer verständlicherweise wenig dazu sagen.

Indem man die Journalistin eine kirchenkritische Position einnehmen lässt, versucht man, die immer größer werdende Zahl kirchenkritischer Menschen zu erreichen.

Diese Methode ist nicht nur bei Valerie und der Priester, sondern auch in vielen anderen religiösen Verkündigungen immer wieder anzutreffen: Man räumt zunächst großmütig und Achsel zuckend ein, dass viele Standpunkte der katholischen Kirche zu bestimmten Themen halt mal so seien, wie sie sind. Ohne zu versuchen, noch andere davon zu überzeugen. Ist halt so.

Indem man signalisiert, dass man die Einwände zur Kenntnis genommen hat, erweckt man den Eindruck, man hätte sich auch damit auseinandergesetzt. Und bleibt gleichzeitig meilenweit davon entfernt, den eigenen Standpunkt auch nur ansatzweise selbst in Frage zu stellen.

Praktisch jeder Theologe beherrscht diese Bewältigungstaktik: Gib einfach alles zu, ohne näher darauf einzugehen. Und natürlich, ohne deinen Standpunkt selbstkritisch zu hinterfragen. Oder gar zu ändern.

Cui bono?

Welches Ziel verfolgt die Kampagne Valerie und der Priester aber dann eigentlich? Auch das ist nicht allzu schwer zu durchschauen. Die Message besteht darin, dass jemand (in diesem Fall die Journalistin) erkennen soll, wie wertvoll und bedeutsam der Glaube an Gott ist. Und zwar unabhängig davon, wie weltfremd und inhuman die Auffassungen der katholischen Kirche aus heutiger Sicht auch sein mögen.

Kirchenkritik wird instrumentalisiert, um von Religionskritik abzulenken. Während zum Beispiel der Vorwurf des Kindesmissbrauchs durch Pfarrer mit Argumenten begründet werden kann, lässt sich der Aussage „der Glaube gibt mir so viel“ argumentativ kaum etwas entgegensetzen.

Dabei wäre genau das der Punkt, um den es in einer ernsthaften, kritischen Auseinandersetzung mit einer Religion eigentlich gehen müsste: Dass der Glaube an einen Gott lediglich auf einer unbewiesenen Behauptung beruht.

Weil eben nicht Götter Menschen nach ihrem Ebenbild schufen.  Sondern umgekehrt. Menschen erfanden Götter – nach ihren Wünschen und Ängsten. Und zu ihren Zwecken. Dass ein fiktives überirdisches Wesen für den Priester eine reale Größe ist, wird offenbar nicht in Frage gestellt.

Der Umstand, dass noch keiner der vielen tausend Götter, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat, jemals auch nur wenigstens ein Mal seriös belegbar irgendwie in Erscheinung getreten ist, wird nicht thematisiert. Bei aller geäußerten Kirchenkritik stellt die Journalistin die persönliche Glaubensgewissheit des Priesters nicht in Frage. Auch wenn sie sie für sich selbst nicht nachvollziehen kann.

Aufwertung des Gottesglaubens

Auch wenn gerade erst die Hälfte des Projektes vorbei ist, lässt sich schon jetzt erkennen, worauf die Kampagne abzielt: Kirchenkritische Menschen sollen animiert werden, religiösen Glauben trotzdem als etwas Wertvolles anzuerkennen.

Glaube an einen Gott bedeutet, dass man eine unbewiesene Behauptung als Wahrheit anerkennt. Also dass man so tut, als handle es sich bei Gott nicht nur um eine von Menschen erdachte, (schlechte) Hypothese. Sondern um eine reale Größe. Zum Glück sind immer weniger Menschen zu diesem verordneten Denkverzicht bereit.

Denn egal, ob es um religiöse oder politische Ideologien geht: Der blinde Glaube an eine übergeordnete Macht ist es, was diesen Ideologien zur Macht verhilft. Egal, ob ihre Anführer versprechen, ihr Land wieder groß zu machen oder ob angebliche Götter eine Erlösung samt ewiger himmlischer Herrlichkeit versprechen.

Subjektive Wünsche und Hoffnungen, so irreal oder gelogen sie objektiv betrachtet auch sein mögen, wiegen offenbar stärker als rationale Argumente. Postfaktisch ist das Stichwort, das derzeit in aller Munde ist. Wobei man im Bezug auf Religionen genauer von Unfaktisch sprechen müsste. Weil es Fakten nach aktueller Faktenlage ja noch niemals gab.

Ich bin gespannt, ob sich meine Halbzeitanalyse im weiteren Verlauf bestätigt. Oder ob es doch noch mal irgendwann auch ans „Eingemachte“ geht.

to be continued…

 

 

 

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