Blasius-Segen: „Was für ein magischer Quatsch“

Lesezeit: ~ 3 Min.

In einer Verkündigungssendung von domradio.de gab der im Karneval als „Ne bergische Jung“ bekannte Diakon Willibert Pauels seine Gedanken zum Blasius-Segen zum Besten:


Quelle: domradio.de

Man erfährt, dass Blasius dereinst einem Kind, das sich an einer Gräte verschluckt hatte, das Leben rettete. Und zwar nicht etwa durch eine Wunderheilung, wie man es von einem Heiligen ja erwarten könnte. Sondern durch ein so genanntes „Heimlich-Manöver“.

Das klingt zwar auch wie ein wunderliches Wirken, ist aber eine ganz reale und vorallem funktionierende Methode, um Menschen zu helfen, die etwas verschluckt haben.

Das Manöver wurde von seinem Erfinder, dem US-amerikanischen Arzt Henry J. Heimlich, erstmals 1974 beschrieben. (Quelle: Wikipedia)

Wohl kein Heimlich-Manöver

Allerdings dürfte die von Blasius angewandte Technik kaum ein Heimlich-Manöver gewesen sein, wie von Herrn Pauels behauptet. Denn die Luft, die durch die Oberbauchkompression den verschluckten Gegenstand aus der Speiseröhre befördern soll, würde eine Fischgräte umströmen. Deshalb ist diese Technik bei Verschlucken von Gräten kontraindiziert.

Aber ganz egal, wie es Blasius tatsächlich gelungen war, den Jungen aus seiner Lage zu befreien – eins kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden: Dass es auch dabei „mir rechten Dingen“ zugegangen war. Keine höhere Macht hatte ihre Finger oder was auch immer im Spiel. Auch dieses vermeintliche Wunder war keines.

Herr Pauels verrät, wie sehr ihn die obskure Segnungsprozedur in seiner Kindheit geprägt haben muss. Das Anstehen in einer langen Schlange. Der Priester, der mit zwei Kerzen über den Köpfen seiner Schafe hantiert. und dazu ein gemurmelter Segen. Frühkindliche Indoktrination wirkt besser als jedes Theologiestudium.

Blasius-Segen: Magischer Quatsch

Immerhin räumt Herr Pauels ein, was jeder halbwegs aufgeklärte, klar denkende Menschen  auch so sehen dürfte: Dass der Kritiker wohl sagen würde, dass es sich bei einem Blasius-Segen um einen „magischen Quatsch“ handle.

Ein Kind  jedoch könne die tiefere Wahrheit in einem solchen magischen Ritus noch erkennen, meint Willibert. So kann man die Tatsache, dass es einem Kind vermutlich noch an Wissen und Erfahrung fehlt, um einen solchen Budenzauber sicher als billigen Taschenspielertrick und als simple Täuschung entlarven zu können, natürlich auch darstellen.

Ich entgegne: Nein, ein Kind vertraut darauf, dass es von den Erwachsenen keinen Blödsinn für wahr verkauft bekommt. Wie nachhaltig eine solche Täuschung wirken kann, zeigt sich eindrucksvoll an diesem Beispiel. Der damals suggerierte und wohl auch wahrgenommene warme Schutzmantel, der sich durch den Segen angeblich auf den Gläubigen herabgesenkt haben soll, scheint sich tief ins Gedächtnis von Willibert eingegraben zu haben.

Absurd – na und?

Dass es völlig absurd ist, einen Menschen, der seit hunderten von Jahren tot ist, um „Fürsprache“ bei einem erfundenen Gott oder um Hilfe zu bitten, stört ihn heute vermutlich genauso wenig wie damals als Kind, wo er das noch nicht wissen konnte.

Nicht nur in der Politik, auch in Religionen wird erschreckend erfolgreich mit „alternativen Fakten“ gearbeitet. Man hält einfach für wahr, was der eigenen Wunschvorstellung entspricht. Man glaubt wider besseres Wissen.

Und damit noch nicht genug „magischer Quatsch.“ Herr Pauels berichtet weiter von einer sprechenden Kerze. Die sagt, dass es natürlich Dunkelheit, Angst, Schmerz und Tod gebe.  Doch die Dunkelheit habe nicht das letzte Wort.

Indem er einer sprechenden Kerze die unangenehme Aufgabe überträgt, die Existenz von Leid und Elend einzugestehen, vernebelt Willibert die nach wie vor unbeantwortete Frage, warum ein angeblich allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott nichts dagegen unternimmt.

Das Licht hat nicht das letzte Wort

Und einer Kerze kann man es auch kaum übel nehmen, dass sie nicht weiß, dass natürlich die Dunkelheit das letzte Wort hat. Der angebliche Trost und die angebliche Gewissheit, dass am Ende das Licht siege, sind nichts weiter als bestenfalls hoffnungsvolle Illusionen.

Denn weder physikalisch noch sonstwie entspricht diese Behauptung der natürlichen, beobacht- und messbaren Faktenlage. Früher oder später verlischt jedes Licht. Nämlich spätestens dann, wenn die Energie aufgebraucht ist, die dieses Licht zum Leuchten gebracht hat.

Auch im übertragenen Sinn ist nicht davon auszugehen, dass ausgerechnet dieser eine Gott (der vermutlich mit „Licht“ gemeint sein soll) die vergleichsweise verschwindend kurze Epoche überdauern wird, in der Menschen noch an diesem Gott festhalten. Vielmehr erwartet auch Jahwe und Sohn dasselbe Schicksal, das die vielen tausend anderen Götter auch schon ereilt hat: Das Verschwinden im Tal der Bedeutungslosigkeit.

Planänderung wegen Halsschmerzen?

remember this photo
Quelle: Pinterest

Wie ein erwachsener Mensch klaren Verstandes im 21. Jahrhundert einen solchen „magischen Quatsch“ als irgendwie bedeutsam oder tröstlich ansehen kann, ist mir ein Rätsel.

Denn ein Kausalzusammenhang zwischen einem inszenierten Kerzenzauber und der Wahrscheinlichkeit einer Halsweherkrankung lässt sich zwar behaupten oder erhoffen. Mehr als eine mögliche Placebo-Wirkung einer solchen (Selbst-)täuschung ist weder zu beweisen, noch zu erwarten.

Selbst wenn man die christliche Scheinwirklichkeit für einen Moment als gegeben annimmt, ergibt die Geschichte keinen Sinn:

Wenn man unterstellt, ein Blasius-Segen könne tatsächlich einen allmächtigen Gott dazu bewegen, seinen Allmachtsplan zu ändern. Und jemanden, der ohne diesen Segen Halsweh bekommen hätte, davor zu verschonen, dann halte ich das für eine reichlich arrogante Vorstellung.

Denn wieso sollte Gott ausgerechnet das tun? Wo er doch auch gegen noch viel schlimmeres Leid nachweislich und täglich beobachtbar nichts, aber auch gar nichts unternimmt? Ganz einfach: Weil Menschen dazu neigen, das eigene Halsweh als schlimmer wahrzunehmen als das (noch viel schlimmere) Leid anderer Menschen.

Und weil Gläubige oft die Arroganz besitzen zu meinen, ihr Gott kümmere sich um ihre Wehwehchen. Wenn sie ihn darum bitten.

*Der Videoclip stammt aus einem Artikel von domradio.de.
**Meme: Pinterest, gepinnt von Christina Chamblin

via SIZZLE

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