Auf der Webseite wählerisch-sein.de betreibt das Evangelisch-Lutherische Landeskirchenamt Sachsens laut eigener Darstellung eine „Guerilla-Kampagne für mehr Wahlbeteiligung & Demokratie.“
Der Versuch, einigen Artikeln aus dem Grundgesetz irgendwie passend erscheinende Bibelzitate zuzuordnen legt allerdings eher die Vermutung nahe, dass es sich dabei um einen Versuch handelt, die Wahl dazu zu nutzen, die „Heilige Schrift“ noch als irgendwie relevant für die heutige Zeit darzustellen.
Art. 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. (Gen 1,27)
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.
(Psalm 8,5-6)
Die im Grundgesetz verbriefte unantastbare Würde des Menschen beruht eben nicht auf einem Schöfpungsmythos, mit dem die Menschen in der Bronzezeit versucht hatten, sich eine ihnen ansonsten unerklärliche Welt zu erklären.
Wer sich gerne als „nur wenig geringer gemacht“ als sein imaginärer Freund fühlen möchte und wer meint, von diesem mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt zu sein – gerne. Die Gedanken sind frei und intellektuelle Redlichkeit ist keine Pflicht.
Jeder mag sich seine Wirklichkeit gestalten, wie sie ihm gefällt, egal, wie weit diese von der irdischen Wirklichkeit entfernt ist.
Nur: Mit dem Art. 1 des Grundgesetzes hat das alles so viel zu tun, als dass dieser Paragraf jede noch so absurde Weltanschauung ermöglicht.
In der Bibel, von Gläubigen oft auch als das „Wort Gottes“ bezeichnet, finden sich, wen wunderts, auch mehr als genug Stellen, die aus irgendwelchen Gründen nicht für wählerisch-sein.de ausgewählt wurden.
Hier nur 4 Beispiele von quasi beliebig vermehrbaren Bibelstellen, in denen es um die Würde des Menschen schlecht bestellt ist:
- Denn zu Mose sagt er: Ich schenke Erbarmen, wem ich will, und erweise Gnade, wem ich will.
Also kommt es nicht auf das Wollen und Streben des Menschen an, sondern auf das Erbarmen Gottes. - Ich sah die Toten vor dem Thron stehen, die Großen und die Kleinen. Und Bücher wurden aufgeschlagen; auch das Buch des Lebens wurde aufgeschlagen. Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet, nach dem, was in den Büchern aufgeschrieben war. Und das Meer gab die Toten heraus, die in ihm waren; und der Tod und die Unterwelt gaben ihre Toten heraus, die in ihnen waren. Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. Der Tod und die Unterwelt aber wurden in den Feuersee geworfen. Das ist der zweite Tod: der Feuersee. Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuersee geworfen. (Offb 20, 12-15)
In der Schrift wird zum Pharao gesagt: Eben dazu habe ich dich bestimmt, dass ich an dir meine Macht zeige und dass auf der ganzen Erde mein Name verkündet wird. Er erbarmt sich also, wessen er will, und macht verstockt, wen er will. (Röm 9,15-19) - Ich bin Jahwe, langmütig und reich an Huld, der Schuld und Frevel wegnimmt, der aber (den Sünder) nicht ungestraft lässt, der die Schuld der Väter an den Söhnen verfolgt, an der dritten und vierten Generation: (4. Mo 14-18)
- So spricht der Herr: Die Ägypter mit ihren Erträgen, die Kuschiter mit ihrem Gewinn und die groß gewachsenen Sebaiter werden zu dir kommen und dir gehören; in Ketten werden sie hinter dir herziehen. Sie werfen sich nieder vor dir und bekennen: Nur bei dir gibt es einen Gott und sonst gibt es keinen. (Jes 45,14)
Ganz offensichtlich hat sichs mit der unantastbaren Würde mitunter auch ganz schnell erledigt. Nämlich dann, wenn jemand nicht bereit ist, sich dem biblischen Gott zu unterwerfen.
Un- und Andersglaube ist im Alten Testament direkt zu ahnden. Im Neuen Testament kümmert sich Gott höchstpersönlich um die Abtrünnigen, indem er sie nach deren Ableben mit ewigen Höllenqualen bestraft.
Quellen
- Quelle der Auszüge aus dem Grundgesetz: © Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Stand: 23.12.2014
- Quelle der als Zitat gekennzeichneten Bibelstellen: © Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung revidiert 2017
- Quelle der kursiv gekennzeichneten, eingerückten Bibelzitate: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.
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