wählerisch-sein: Art. 3 (1)

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Auf der Webseite wählerisch-sein.de betreibt das Evangelisch-Lutherische Landeskirchenamt Sachsens laut eigener Darstellung eine „Guerilla-Kampagne für mehr Wahlbeteiligung & Demokratie.“ 

Der Versuch, einigen Artikeln aus dem Grundgesetz irgendwie passend erscheinende Bibelzitate zuzuordnen legt allerdings eher die Vermutung nahe, dass es sich dabei um einen Versuch handelt, die Wahl dazu zu nutzen, die „Heilige Schrift“ noch als irgendwie relevant für die heutige Zeit darzustellen.

Art. 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt. (1. Kor 12,13)

Dieser Bibelvers hat nichts mit der Gleichheit vor dem Gesetz zu tun. Denn vor dem Gesetz sind auch alle die gleich, die nicht von Geistern getränkt wurden. Oder die sich von anderen Geistern getränkt fühlen. Für die Gleichheit vor dem Gesetz, die in Art. 3 des Grundgesetzes festgeschrieben steht, ist es unerheblich, ob jemand getauft wurde oder nicht. Das Eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Auch hier liefert ein kurzer Blick in die Kriminalgeschichte des Christentums zahllose Beispiele, dass es über viele Jahrhunderte überlebenswichtig war, sich wenigstens zum Schein zum jeweils vorgeschriebenen Gott zu bekennen.

Die ursprüngliche Absicht hinter der hier ausgewählten Bibelstelle ist einfach zu durchschauen: Um das Christentum als Staatsreligion etablieren zu können, musste es mit den Vorstellungen möglichst vieler Menschen kompatibel gemacht werden. Das einende Merkmal ist hierbei aber nicht das Menschsein. Sondern das Getauftsein.

Somit kann auch dieser Versuch, die Bibel als irgendwie relevante Quelle für moderne ethische oder rechtliche Standards zu erheben, als gescheitert angesehen werden.

Auch wenn die hier gewählte Bibelstelle nichts mit der Gleichheit vor dem Gesetz zu tun hat, finden sich in der Bibel jede Menge Stellen, in denen Menschen eben nicht gleich behandelt werden. Drei Beispiele sollen genügen:

  • Denn jedes Volk und jedes Reich, das dir nicht dient, geht zugrunde, die Völker werden völlig vernichtet. (Jes 60, 12)
  • Wer einen Menschen so schlägt, dass er stirbt, wird mit dem Tod bestraft. Wenn er ihm aber nicht aufgelauert hat, sondern Gott es durch seine Hand geschehen ließ, werde ich dir einen Ort festsetzen, an den er fliehen kann. (2. Mo 21, 12-13)
    • Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt. (Kol 3,18)0303

Quellen

  • Quelle der Auszüge aus dem Grundgesetz: © Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Stand: 23.12.2014
  • Quelle der als Zitat gekennzeichneten Bibelstellen: © Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung revidiert 2017
  • Quelle der kursiv gekennzeichneten, eingerückten Bibelzitate: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.

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