wählerisch-sein: Art. 6 (5)

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Auf der Webseite wählerisch-sein.de betreibt das Evangelisch-Lutherische Landeskirchenamt Sachsens laut eigener Darstellung eine „Guerilla-Kampagne für mehr Wahlbeteiligung & Demokratie.“ 

Der Versuch, einigen Artikeln aus dem Grundgesetz irgendwie passend erscheinende Bibelzitate zuzuordnen legt allerdings eher die Vermutung nahe, dass es sich dabei um einen Versuch handelt, die Wahl dazu zu nutzen, die „Heilige Schrift“ noch als irgendwie relevant für die heutige Zeit darzustellen.

Art. 6 (5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Und Abraham sprach zu Gott: Ach dass Ismael möchte leben bleiben vor dir! (Gen 17,18)

„Am Leben bleiben“ ist etwas anderes als „gleiche Bedingungen für leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft.“ Wieder lohnt sich ein Blick auf den insgesamt haarsträubenden Text, aus dem diese „Rosine“ herausgepickt wurde:

Ab 1. Mose 16 wird beschrieben, wie Abrahams Frau ihre Sklavin ihrem Mann als Leihmutter zur Verfügung stellt. Nachdem diese von dem Greis schwanger wurde, wollte sie sich nicht länger ihrer Herrin unterordnen und machte sich aus dem Staub.

Gott ließ der abtrünnigen Sklavin durch einen Engel ausrichten, dass sie gefälligst zurück zu ihrer Herrin zu gehen um deren „harte Behandlung“ ertragen zu habe. Letztere wurde im zarten Alter von 90 Jahren schließlich doch noch vom mittlerweile 100jährigen Abraham schwanger und gebar Isaak.

Während Isaak von Gott zum Bündnispartner ausgewählt wurde, gabs für den unehelichen Ismael nur einen Segen und Fruchtbarkeit, um immerhin 12 Fürsten zu zeugen.

  • Auch was Ismael angeht, erhöre ich dich. Ja, ich segne ihn, ich lasse ihn fruchtbar und sehr zahlreich werden. Zwölf Fürsten wird er zeugen und ich mache ihn zu einem großen Volk. Meinen Bund aber schließe ich mit Isaak, den dir Sara im nächsten Jahr um diese Zeit gebären wird. (1.Mo 17,20-21)

A propos leibliche und seelische Entwicklung: Im selben Text, aus dem der von wählerisch-sein.de gewählte Satz herausgepickt wurde, erfährt der Leser auch, dass der alttestamentarische Gott nicht nur unter Demenz zu leiden scheint (ständig passieren ihm irgendwelche Pannen und er blickt oft selbst nicht mehr durch, welche Bünde er mit wem geschlossen hatte), sondern offenbar auch ein Faible für menschliche Vorhäute hat:

  • Das ist mein Bund zwischen mir und euch samt deinen Nachkommen, den ihr halten sollt: Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld von irgendeinem Fremden erworben, der nicht von dir abstammt. Beschnitten muss sein der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen. (1.Mo 17,10-14)

Dieser Ausschnitt zeigt exemplarisch, dass diese Mythen und Legenden aus der Bronzezeit aus heutiger Sicht bestenfalls noch wie befremdliche, bizarre Märchengeschichten aus längst vergangenen Zeiten erscheinen.

Wenn man nur gezielt sucht und alles nicht Passende weglässt, lässt sich aus praktisch jedem beliebigen Text irgendetwas herausdestillieren, das irgendwie zu etwas anderem zu passen scheint.

Bis hierher hatten wir bereits mehrere Beispiele für diese so genannte Red Herring-Taktik. Damit kann man dann so tun, als habe man etwas Relevantes zu einem Thema beizutragen.

Doch wird zum Beispiel ein Artikel des deutschen Grundgesetzes wahrer oder richtiger, weil in einem gezielt herausgepickten Textfragment aus einer Mythen- und Legendensammlung aus der Bronzezeit oder aus dem Vormittelalter wie etwa in diesem Beispiel auch ein außereheliches Kind vorkommt?

Quellen

  • Quelle der Auszüge aus dem Grundgesetz: © Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Stand: 23.12.2014
  • Quelle der als Zitat gekennzeichneten Bibelstellen: © Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung revidiert 2017
  • Quelle der kursiv gekennzeichneten, eingerückten Bibelzitate: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.

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