Mehr Licht? – Das Wort zum Wort zum Sonntag

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Mehr Licht? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, gesprochen von Elisabeth Rabe-Winnen (ev.), veröffentlicht am 02.12.2017 von ARD/daserste.de

[..] Für mich gehört das unbedingt dazu zum Advent – all die Lichter in den Stuben und in den Straßen, der Geruch entzündeter Kerzen.

Verständlich. Denn die Zeit vor und nach der Wintersonnwende ist die die Zeit mit den kürzesten Tagen im Jahr. Und somit die Zeit mit dem wenigsten natürlichen Licht.

Die „Sehnsucht“ nach Licht ist im Menschen angelegt. Spielt doch das Sonnenlicht eine unverzichtbare Rolle für das Entstehen von Leben. Zum Beispiel auch für den menschlichen Hormonhaushalt.

Auch ist das Licht Voraussetzung für das Wahrnehmen von optischen Reizen. Kaum erstaunlich, dass sich Menschen seit jeher vor der Dunkelheit fürchteten.**

Das Ritual, die langen Nächte mit Licht zu erhellen und die Nacht zu feiern, ab der die Tage wieder länger werden, dürfte so alt sein wie die Menschheit selbst. Zumindest so alt wie das Wissen, Feuer zu machen. Und das Wissen um diesen Zeitpunkt.

Bei Weihnachten handelt es sich um die christliche Adaption des Wintersonnwendfestes. Dazu musste nur das Licht als Sinnbild und Visualisierung eines bestimmten Wüstengottes aus der Bronzezeit umdefiniert werden.

Und praktischerweise spielt es für Legenden keine Rolle, wann genau da ein Geburtstag gefeiert wird. Das kann man flexibel wunschgemäß anpassen.

Fun Fact am Rande: Die Zeit, in der die christliche Kirche an der Macht war, ging als das „Dunkle Mittelalter“ in die Menschheitsgeschichte ein. Und nicht etwa als das Zeitalter der Erleuchtung.

Es werde Licht

Aber nicht nur das Christentum hat das Lichterfest für sich beansprucht. So feiern zum Beispiel die Anhänger der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters traditionell ihre vier Pastate, die zum WeinAchtsFest hinführen.

Die Pastafari freuen sich, dass der Handel Kränze mit vier Kerzen anbietet. So können auch Un- und Andersgläubige an der Freude teilhaben, die Seine Nudeligkeit den Menschen beschert:

Auch meine Familie und ich werden morgen die erste Kerze am Adventskranz anzünden.

Möglicherweise tradiert Frau Rabe-Winnen mit dieser Zeremonie auch einfach nur ein viel älteres Wissen um irdische Zusammenhänge. Ein Wissen, das, einer Theorie zufolge, in der Bibel verborgen sein könnte.

Demzufolge wäre Gott lediglich eine Metapher für die Sonne. Der „Heilige Geist“ steht für das Licht, Maria für die Erde (Ma-te-ria). Und Jesus versinnbildlicht das Leben.

Allerdings gibt es auch Menschen, die sich für weniger Licht einsetzen. Und zwar nicht aus religiös-mythologischen Gründen. Sondern, weil sie etwas gegen die Lichtverschmutzung tun möchten.

Mit einer brennenden Kerze kann Frau Rabe-Winnen und ihre Familie auch gleich mal ein interessantes Selbstexperiment durchführen. Schließlich vertritt die Pfarrerin einen Gott, der Menschen, die sich nicht von ihm lieben lassen wollen, dafür mit zeitlich unbegrenzter Höllenqual droht.

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was das heißt, genügt es, einfach mal die eigene Hand im Abstand von etwa 5 cm über eine brennende Kerze zu halten. Bevor die Hand Feuer fängt, kurz ablöschen und weiter gehts. Etwa fünf bis zehn Minuten sollten genügen.

Klingt gestört? Sadistisch? Brutal? Unmenschlich? Ja. Allerdings. Auch das kann das Licht uns lehren.

Das Karussell des Lebens

[…] Und doch – all‘ die Lichter können die dunklen Flecken nicht wegleuchten. Auch Weihnachten hält das Karussell des Lebens nicht an. Und manche sehen es noch nicht, das Licht am Ende ihres Tunnels. „Ich freu mich, wenn 2017 vorbei ist.“ Sagt einer zu mir. „365 neue Tage. Es kann nur besser werden.“

Ja, das Leben kann auch furchtbar sein. Die Welt sieht so gar nicht danach aus, als sei sie von einem allmächtigen allgütigen Himmelsmagier geschöpft worden. Von einem, der es grundsätzlich nur gut meint mit den Menschen. Freud und Leid liegen in der natürlichen Wirklichkeit dicht beieinander.

Ohne dass sich göttliches Wirken als Ursache dafür erkennen lassen würde. Sowas kann man sich nur ausdenken. Und glauben.

Das Leben ist das Leben. Auch zu dieser sogenannten „schönsten Zeit im Jahr“. Aber das Sehnen – bleibt.

Jedes Lebewesen verfolgt die Ziele, sein Wohl zu mehren und „Wehe“, also Leid und Schmerz zu vermeiden. Damit lässt sich dieses Sehnen nach „Wohl“ schlüssig und einfach biologisch erklären.

Das Sehnen, dass es vielleicht wieder passieren könnte…

Wobei es Frau Rabe-Winnen sehr wahrscheinlich nicht um die evolutionär entstandenene und genetisch angelegte Sehnsucht nach Mehrung von Wohl und Vermeidung von Leid gehen dürfte. Oder um die unverzichtbaren Effekte von Licht auf unser Leben. Denn schließlich muss sie ja noch irgendwie ihren Gott unterbringen:

[…] Da wohnt das Sehnen im Herzen, dass es vielleicht wieder passieren könnte – dies Wunder, an das das Kind noch glaubte. Fast heimlich öffnet sich die Himmelstür und Gott schickt seinen Sohn auf die Erde – als Baby. Der Glanz des Himmels fällt auf die Erde.

Welches Wunder umschreibt Frau Rabe-Winnen hier mit nebulös-glorifizierend-verunklarenden Worthülsen eigentlich? Und welches Kind meint sie?

Als christliche Religionsverkünderin bezieht sie sich wahrscheinlich auf die biblische Geburtslegende von Jesus. Die erstaunliche Parallelen zu früherern, ganz ähnlichen Legenden aufweist.

Dieses Kind glaubte, wenn es denn tatsächlich gelebt hat, wie jedes andere Kind auch erstmal an gar nichts. Es war – wie jedes andere Neugeborene auch – darauf angewiesen, rund um die Uhr versorgt zu werden. Später glaubte das Kind das, was es erzählt bekommen hatte. Und was es sich wünschte.

Inwieweit Jesus religiös erzogen wurde, ist nicht belegt. Geht man von den biblischen Mythen und Legenden aus, dann war der erwachsene Jesus ein jüdischer Endzeitsektenprediger. Der seine Glaubensbrüder und -schwestern auf das vermeintlich unmittelbar bevorstehende „Jüngste Gericht“ vorbereiten wollte.

Eine Annahme, mit der sich auch Jesus gründlich geirrt hatte. Die Apokalypse ist, wie auch zahllose andere vorhergesagte „Weltuntergänge“ bis heute, rund 2000 Jahre später, ausgeblieben.

…aber was eigentlich genau?

Was genau Frau Rabe-Winnen aber eigentlich tatsächlich sagen wollte, erschließt sich mir zumindest nicht. Was soll vielleicht wieder passieren? Dass Gott sein nächstes Kind auf die Erde schickt? Vielleicht ein Mädchen diesmal (die Zeiten sind hart…)?

Wie könnte ein Mensch, der im 21. Jahrhundert geboren wird, glaubhaft nachweisen, dass er der eingeborene Sohn oder die eingeborene Tochter des Wüstengottes Jahwe ist? Es ist ja nicht so, dass nicht täglich Menschen behaupten, genau dies zu sein.

Einerseits dürfte er oder sie es ziemlich schwer haben, die Menschheit von seiner oder ihrer Göttlichkeit zu überzeugen. Andererseits sollte gerade das für einen Gottessohn oder eine Gottestochter ja ein Kinderspiel sein.

Es ist mir einmal mehr unbegreiflich, wie erwachsene, ansonsten aufgeklärt und rational denkende Zeitgenossen solche Vorstellungen als tröstlich oder besonders bedeutsam ansehen können. So bedeutsam, dass sie sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (und damit auch auf meine Kosten) verkünden müssen.

Die Gedanken sind (seit der Aufklärung) frei

Selbstverständlich mag sich Frau Rabe-Winnen ihre Wirklichkeit so gestalten, wie sie ihr gefällt oder leichter erträglich erscheint. Die Gedanken sind frei. Nicht mal Götter kennen sie. Wenn es ihr ein Anliegen ist, dann mag sie natürlich auch die Welt an ihrer religiös erweiterten Scheinwirklichkeit teilhaben lassen.

Schließlich gilt auch für sie die Meinungs-, Religions- und Redefreiheit, die während der Aufklärung und Säkularisierung gegen den erbitterten Widerstand der von ihr vertretenen christlichen Kirche erkämpft worden war. Dann aber bitte auf eigene Kosten.

Und aus dem Baby [Jesus] wird dann einer, der zeigen wird, wie Gott ist: Menschlich. Bereit, alles zu geben, und mächtig, Finsternisse zu durchbrechen.

Jesus hat der biblischen Legende zufolge offenbar genaue Vorstellungen davon, wie die Finsternisse (?) zu durchbrechen seien:

  • Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. (Mt 34-37 LUT)

Finsternisse durchbrechen – mit dem Schwert, nicht mit Frieden

Fatalerweise hatten sich in der 10bändigen Kriminalgeschichte des Christentums unzählige Anhänger verpflichtet gefühlt, im vermeintlichen Auftrag und Namen ihres Gottes ebenfalls „alles zu geben“, um die „Finsternisse zu durchbrechen.“ Nicht mit Friede. Sondern mit dem Schwert, das Jesus ihnen auf die Erde gebracht hatte.

„Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.“ Sein Licht – es „bescheint auch deine Angst und Pein“. So heißt es in einem Lied, das für mich auch unbedingt zur Adventszeit gehört.

Frau Rabe-Winnen, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was es bedeutet, wenn Gott im Dunkel wohnen will und es trotzdem erhellt? Das bedeutet, dass Ihr allmächtiger Gott die Erde absichtlich mit Leid (hier mit „Dunkelheit“ umschrieben) geschöpft hat, um dann darin leuchten zu können.

Der biblische Gott Jahwe ist definitiv kein lieber Gott. Sondern ein narzisstischer Sadist. Wie praktisch, dass man sich seine imaginären Freunde nach eigenen Wünschen beliebig zurechtdefinieren kann.

Beglänzt von Gottes Licht

„Die Nacht ist vorgedrungen“ heißt dieses Lied. Tief traurig ist es und zugleich mit der Hoffnung: „Beglänzt von Gottes Licht hält uns kein Dunkel mehr.“

Diese Hoffnung gibt es allerdings nicht umsonst, wie wir in der 2. Strophe des Liedes erfahren. Dort heißt es (Hervorhebung von mir):

  • Wer schuldig ist auf Erden,
    verhüll nicht mehr sein Haupt.
    Er soll errettet werden,
    wenn er dem Kinde glaubt.

    (Quelle: evangeliums.net)

Und noch deutlicher in der 5. Strophe (Hervorhebung von mir):

  • Gott will im Dunkel wohnen
    und hat es doch erhellt.
    Als wollte er belohnen,
    so richtet er die Welt.
    Der sich den Erdkreis baute,
    der lässt den Sünder nicht.
    Wer hier dem Sohn vertraute,
    kommt dort aus dem Gericht.

    (Quelle: evangeliums.net)

Dies entspricht genau dem christlichen Belohnungs-Bestrafungskonzept, wie es im Markusevangelium so auf den Punkt gebracht wird:

  • Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. (Mk 16,16 LUT)

Gottes Liebe und Erhellung ist also keineswegs bedingungslos. Und auch kein optionales Angebot. Denn wer sich von diesem Gott mit offensichtlicher Persönlichkeitsstörung nicht erleuchten lassen möchte, den bestraft eben dieser Gott dafür durch ewige Verdammnis. Ein schöner Menschenfreund ist das…

Deal with it, baby…

Das Jahr 2017 hat wieder alles gehabt. Nicht nur Helles. Auch Krankheiten und Streit und Tod und Enttäuschungen.

Stimmt. Man könnte fast meinen, Freud und Leid seien integrale Bestandteile der Lebenswirklichkeit von empfindungsfähigen Lebewesen. Und diese Wirklichkeit nicht das Abbild der Schöpfung eines allmächtigen Allgütigen. Man ist fast versucht zu sagen: Deal with it, baby… Und wenn es dir nicht gelingt, freue dich, wenn du Mitmenschen hast, die dir dabei helfen.

Die Schorfkrusten fallen ab, aber manche Narben bleiben. Und Du lebst damit, es geht nicht mehr ohne. Du bist jetzt zerrissen. Doch nur, wo Risse sind, da kann auch das Licht hinein. Die Tür zum Himmel steht offen. Ein Lichtspalt fällt hindurch.

Mit anderen Worten: Gott verpasst der Krone seiner Schöpfung ein paar Wunden, durch die er dann sein Licht in die Menschen strahlen lassen kann? Was für eine bizarre, absurde und unmenschliche Vorstellung. Und was für ein Armutszeugnis für denn allgütigen Allmächtigen.

Angesichts solcher Ideen drängt sich mir das Zitat von Karlheinz Deschner geradezu auf:

  • „Je größer der Dachschaden, desto schöner der Ausblick zum Himmel.“
    – Karlheinz Deschner (Quelle: Tele-Akadamie, SWF, 20.1.2002, Sekundärquelle: Wikiquote)

Selber leuchten!

[…] Und wenn Du es reinlässt, das Licht – dann leuchtest Du selbst.

Und wenn nicht, wirst du zeitlich unbegrenzt durch physische und psychische Höllenqualen bestraft. Dafür, dass du das Licht nicht reinlassen wolltest.

Stattdessen könntest du überlegen, wie du die Welt von dir aus zum Leuchten bringen kannst, um in der Sprache von Frau Rabe-Winnen zu bleiben. Du brauchst kein eingebildetes magisches Himmelslicht in dich reinzulassen, um selbst leuchten zu können.

Wenn die herausragende Eigenschaft von Gott seine Menschwerdung sein soll und nicht seine Göttlichkeit, dann kann man sich als Mensch diesen Gott auch einfach schenken.

Und als Vorbild für ethisch wertvolles Verhalten finden sich mit Sicherheit Menschen, deren Biographie sich dazu besser eignet als die des vermeintlichen Gottessohnes. Der mit dem Schwert und der unrealistischen Nächstenliebe.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
**Quelle: Youtube, IRON MAIDEN: Fear of the Dark aus dem gleichnamigen Studioalbum von 1992

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