Franziskus ruft zum Kampf gegen Fake News auf – Gedanken zu einem Beitrag von asa/dpa/AFP, veröffentlicht am 24.01.2018 von spiegel.de
Wer Fake News verbreitet, streut laut Papst Franziskus auch Angst und Hass. Das Oberhaupt der katholischen Kirche fordert deshalb einen Journalismus für den Frieden und gegen die Unwahrheit.*
Einen Aufruf für „einen Journalismus für den Frieden und gegen die Unwahrheit“ halte ich generell für eine gute Idee.
Allerdings widerspricht Herr Bergoglio damit seiner ersten Aussage. Denn er selbst ist ja der lebende Beweis dafür, dass jemand, der zu Frieden aufruft, mitunter auch Fake News verbreitet.
Dadurch werden die rund 2000 Jahre alten „News“, auf denen die christlich-katholische Ideologie gründet, freilich kein bisschen weniger „Fake.“
Auch wenn es natürlich angenehmer ist, dass der Papst mit seinen eigenen Fake News offenbar zu anderen Schlüssen kommt als die meisten seiner Vorgänger.
Denn solange die christliche Kirche noch tatsächlich an der Macht war, nutzten deren Vertreter die biblisch-christlichen Fake News jahrhundertelang ausgiebig, um Angst und Hass zu schüren. Oder auch, um die Verfolgung, Ausbeutung und Ermordung unzähliger Menschen zu rechtfertigen. Deus vult.
Manche Oberhirten nutzen die christlichen Fake News bis heute, um Angst und Hass zu schüren. Wie etwa der Fuldaer Noch-Bischof Algermissen. Der beschimpft regelmäßig Un- und Andersgläubige wegen ihres Un- oder Andersglaubens. Denn er hält sie für ein „großes Sicherheitsrisiko für die Mitwelt.“
Auch Angst schürt er. Immer wieder warnt vor irgendwelchen obskuren „bösen Mächten“, die es in seiner religiös erweiterten Scheinwirklichkeit zu geben scheint.
Fake News sind zu kritisieren, weil sie Menschen in die Irre führen. Dabei spielt es keine Rolle, zu welchem Zweck sich jemand der falschen Behauptungen bedient.
Und deshalb trifft die päpstliche Kritik natürlich auch den Papst selber. Und alle, die zum Dienst in der Kirche berufen sind.
Heiliger Sankt Paradox, steh uns bei!
Papst Franziskus hat alle Menschen dazu aufgerufen, sich gegen die Verbreitung von Fake News zu stellen.
Ich rufe zu Gedanken-, Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit auf. Ich „stelle mich gegen“ Fake News, indem ich auf Aufklärung setze. Und versuche, Menschen dazu zu bewegen, Behauptungen aller Art kritisch zu hinterfragen.
Ich rege dazu an, das genaue Gegenteil dessen zu tun, was Religionen von Gläubigen fordern, also das Für-wahr-Halten von unbewiesenen bzw. unbweisbaren Behauptungen, die zur Not auch wider besseres Wissen für wahr gehalten werden müssen. Und von solchen Behauptungen hat auch und gerade die katholische Kirche einen ganzen Dogmenkatalog zu bieten.
Wenn der Papst dazu aufruft, sich gegen die Verbreitung von Fake News zu stellen, dann kann man ihn wohl zurecht als Heuchler bezeichnen. Oder, neutestamentarisch gesprochen, als Pharisäer. Der, der im Glashaus sitzt und der den ersten Stein werfen möge.
Da hilft nur Aufklärung
Diese absichtlichen Falschnachrichten seien eine Gefahr für die Gesellschaft, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. […] Oft geschehe das „rasend schnell, wie ein Virus, das nur schwer eingedämmt werden“ könne.
Nochmal: Das Heilmittel, mit dem sich dieses Virus eindämmen lässt, heißt Aufklärung. Wer gelernt hat, Behauptungen nicht einfach zu glauben, etwa weil sie von einer vermeintlichen Autorität stammen oder weil sie so schön den eigenen Wunschvorstellungen entsprechen, sondern stattdessen versucht, diese kritisch auf Plausibilität und Wahrheitsgehalt hin zu hinterfragen, der hat bessere Chancen, nicht mehr auf Fake News hereinzufallen.
Auch wenn eine solche Ent-Täuschung natürlich erstmal eine Enttäuschung bedeuten kann: Wenigstens ist man anschließend nicht mehr getäuscht.
Auch hier spielt es für die Beurteilung wieder keine Rolle, zu welchem Zweck Falschnachrichten in Umlauf gebracht werden. Ob Fake News von Politikern, Stammtischbrüdern oder Klerikalen stammen:
Wer von Menschen verlangt, Behauptungen einfach so für wahr zu halten, ohne entsprechende Beweise liefern zu können, führt Menschen in die Irre. Absichtlich oder unwissentlich.
Fake News: Das Drama der Desinformation
„Das Drama der Desinformation ist die Diskreditierung des anderen, seine Stilisierung zum Feindbild bis hin zu einer Dämonisierung, die Konflikte schüren kann“, sagte Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel.
Nein. Das Drama der Desinformation ist die Desinformation. Sage ich in meiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel.
Hier nutzt Herr Bergoglio ganz offensichtlich das Thema Falschnachrichten als Strohmann, um andere Missstände wie Diskreditierung usw. anzuprangern. Weil es freilich auch Menschen gibt, die Fake News dazu verwenden.
Aber eben nicht nur. Denn genauso gibt es auch Menschen, die Fakten nutzen, um Konflikte zu schüren.
So wie es auch Menschen gibt, die Fake News zwar nicht zur direkten Diskreditierung, wohl aber dazu nutzen, sich selbst als etwas darzustellen, das sie bei Licht betrachtet nicht sind. Zum Beispiel als von Gott zu irgendetwas berufen.
[…] Schon eine scheinbar leichte Verdrehung der Wahrheit könne gefährliche Auswirkungen haben, schreibt der Papst.
Diese Aussage ist für einen, der von sich behauptet, der irdische Vertreter eines Gottessohnes zu sein, so grotesk paradox, dass man sich schon ernsthaft überlegen muss, ob man das zum Lachen oder zum Weinen finden soll.
Die christliche Lehre ist eine weder scheinbare, noch eine leichte Verdrehung der Wahrheit.
Sie ist eine zu 100% von Menschen zu bestimmten Zwecken und aus Angst, Hoffnung und Unwissenheit heraus entstandene Mythologie eines kleinen Wüstenvolkes aus der Bronzezeit, die dann vorallem im Vormittelalter noch passend zurechtgebogen worden war.
Eine Mythologie, die von den Gläubigen allerdings für wahr gehalten werden soll. Und zwar deshalb, weil in dem Buch, in dem diese Mythen aufgeschrieben sind steht, dass diese wahr sind.
Angst, Verachtung, Wut und Frustration
Indem Falschmeldungen sich Stereotype und Vorurteile zunutze machten, sei es ihnen ein Leichtes, „Angst, Verachtung, Wut und Frustration“ auszulösen.
Messerscharf analysiert, Herr Bergoglio! Wenn man sich wie ich jahrelang mit religiösen Verkündigungen aller Art befasst, dann kann man das nur bestätigen.
Denn immer wieder trifft man hier auf die gleichen typisch plakativen Schwarz-Weiß-Bilder, mit denen komplexe Sachverhalte in „Gut“ und „Böse“ eingeteilt werden.
Zur Erzeugung von Angst reicht das zumindest fast immer. Verachtung, Wut und Frustration werden heute meist nur angedeutet (abgesehen von der Hardliner-Fraktion à la Algermissen oder den evangelikal-fundamentalistischen Spinnern natürlich), um dann das eigene Heilsversprechen als (Er-)lösung ins Spiel bringen zu können.
Ohne vorhandene Angst und Frustration würde sich die Hoffnungsillusion nur schwer an den Mann, die Frau oder an das Kind bringen.
Unwahrheit und Effekthascherei
[…] Darunter [unter einem „Journalismus für den Frieden“, Anm. von mir] verstehe er keinen schönfärberischen Journalismus, sondern einen, der Unwahrheit und Effekthascherei den Kampf ansage. Die Medien sollten Konflikten zugrunde liegende Ursachen untersuchen, anstatt lukrative Schlagzeilen zu produzieren.
Bedeutet das dann im Umkehrschluss, dass Unwahrheit und Effekthascherei in Ordnung sind, wenn diese nicht mit Konflikten in Zusammenhang stehen? Sollte man nicht vielmehr Unwahrheit und Effekthascherei generell auf den Grund gehen? Und jede Institution, jeden Menschen besonders kritisch hinterfragen, die oder der sich dieser Mittel bedient?
Denn wenn man herausfindet, dass jemand die Unwahrheit behauptet, kann und sollte man im nächsten Schritt fragen, warum er das tut. Cui bono?
Warum behaupten katholische (natürlich ausschließlich männliche) Priester, sie seien in der Lage, mit einem Zauberspruch in einer aufwändig inszenierten Geheimzeremonie Backoblaten in Menschenfleisch und Wein in Menschenblut verwandeln zu können, um dieses dann ihren als Schafe bezeichneten Anhängern zum Verzehr zu verabreichen? Wozu diese offensichtliche Unwahrheit und Effekthascherei, Herr Bergoglio?
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag von spiegel.de, abgerufen am 26.1.2018 10:00 Uhr.
**Das Meme stammt von extra-3 via Facebook.
Auch Trump hat in seiner Rede in Davos vor Fake News gewarnt. Was kommt Morgen?