Die Karwoche beginnt … Gedanken zu Nachgedacht (264) von Christina Lander, veröffentlicht am 25.3.2018 von Osthessennews
Heute beginnt die Karwoche mit dem Palmsonntag. Alle vier Evangelien berichten uns von dem feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem: Er reitet auf einem Esel in die Stadt, in der er nur wenige Tage später zum Tod verurteilt werden soll. Der Schauplatz zeigt bereits die Tragweite der Begebenheiten.*
Auch wenn man hier versucht sein mag, den Esel mit der beschriebenen „Tragweite der Begebenheiten“ in Verbindung zu bringen, möchte ich darauf verzichten. 🙂
Sie rufen ihm zu: „Hosianna dem Sohne Davids! Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn!“
Die Abstammungsgeschichte, der zufolge Jesus ein Nachfahre von David sein soll, ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit einfach nur (schlecht) erfunden. Ganz abgesehen davon, dass der „leibliche“ Vater von Jesus ja gar nicht Josef, sondern „der Herr, der über uns wohnt“ gewesen sein soll:
- Die Preisung Davids als Stammvater ist obendrein nicht gerade ehrenvoll, weil dieser ja ein Räuberhäuptling, Mörder, Ehebrecher, Sklavenhalter und Kriegsverbrecher war. (Quelle: Gottfried Beyvers: Argumente kontra Religion, S. 66)
Dabei handelt es sich freilich nicht um die einzige Fälschung.
Dank moderner, kritisch-historischer Textanalyse können Wissenschaftler heute erstaunlich zuverlässig bestimmen, welche der biblischen Textstellen verändert oder später eingefügt worden waren. Auch die eigentliche Grundlage der christlichen Kirche, die Konstaninischen Schenkung war eine Fälschung.
Mordprozess?
[…] Unverständnis, was da vor sich geht, wird sich als wichtige Ursache im Mordprozess, den Jesus nach dem letzten Abendmahl am Gründonnerstag erhielt, herauskristallisieren.
Von einem Mordprozess spricht man, wenn jemand vor Gericht gestellt wird, der einen Mord begangen hat. Glaubt man den biblischen Narrativen, so war Jesus nicht wegen eines Mordes angeklagt un zum Tode verurteilt worden.
Das mit dem Morden hatten dann seine Nachfolger übernommen, die unzählige Un- und Andersgläubige wegen ihres Un- und Andersglaubens im Lauf der Kriminalgeschichte des Christentums ermordeten. Angeblich aus dem Grund, weil Gott das so von ihnen verlangt hätte. Deus vult.
Inwieweit die Hinrichtung von Jesus, so er denn überhaupt gelebt hatte und tatsächlich hingerichtet wurde, als Mord zu bezeichnen ist, könnte sicher ein Jurist beantworten. Jedenfalls handelte es sich dabei um den Vollzug eines Gerichtsurteiles, basierend auf der damaligen Gesetzgebung (bzw. basierend auf einer Volksabstimmung).
Und so außergewöhnlich eine Kreuzigung aus heutiger Sicht erscheinen mag: Es handelt sich dabei um eine damals gängige und weit verbreitete Praxis, um Menschen möglichst demütigend und abschreckend zu Tode zu foltern.
Jesus hatte keine politischen Interessen?
Sowohl die damaligen jüdischen Machthaber als auch die Römer erkennen nicht, was Jesus eigentlich möchte. Er wird schlussendlich von den Römern als politischer Rebell ans Kreuz geschlagen; dass er keine politischen Interessen hatte, glaubte niemand.
Zu dieser Zeit spielte Religion noch eine so wichtige Rolle, dass eine religiös motivierte Rebellion natürlich auch gleichzeitig politisch relevant war. Auch ein wie auch immer religiös motivierter Unruhestifter gefährdete das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft. Und Unruhe konnte man selbst am äußersten Rand des Reiches nun wirklich nicht gebrauchen.
Diese religiöse Motivation erscheint in einem ganz anderen Licht, wenn man bedenkt, was Jesus, sollte er denn gelebt haben, tatsächlich verkündet haben dürfte.
Wenn es einen Menschen, der später als Vorlage für den biblisch-christlichen Gottessohn fungierte, tatsächlich gegeben hat (was keineswegs so sicher ist, wie von Christen gern behauptet), dann war der jüdische Rabbi Anführer einer kleinen jüdischen Weltuntergangssekte.
Jesus hatte seine Mission darin gesehen, seinen Glaubensbrüdern und -schwestern (und nur diesen, siehe Matthäus 15,24) das von ihm fälschlicherweise als unmittelbar bevorstehend (Mt 16,28) angenommene „Jüngste Gericht“ anzukündigen. Eine Annahme, mit der er sich, wie wir heute, rund 2000 Jahre später sicher feststellen können, gründlich geirrt hatte.
Jesus wollte seinen Anhängern lediglich ein paar Tipps zu geben, wie sie sich bis dahin verhalten sollten, um ihre eigenen Chancen auf eine jenseitige Belohnung zu erhöhen.
Betrachtet man die biblische Biographie von Jesus, dann fällt auf, dass diese zum allergrößten Teil von denen früherer Gottessöhne abgekupfert worden war. Bibelstellen, die nahelegen, Jesus hätte das Christentum begründet, werden von kritisch-historischer Seite überwiegend als später eingefügte und somit nicht authentische Textstellen angesehen.
Warum?
Warum erzähle ich Ihnen das alles?
Gute Frage. Denn welche Rolle spielen biblische Mythen und Legenden heute tatsächlich noch? Hatte das Christentum nicht mehr als genug Zeit und Möglichkeiten gehabt, die angebliche moralische Überlegenheit seiner Lehre unter Beweis zu stellen? Und hat sich nicht längst herausgestellt, dass das Christentum moralisch orientierungslos ist?
Moderne Gesetzgebung und ethische Standards von offenen und freien Gesellschaften basieren nicht mehr auf dem erfundenen Willen erfundener Götter. Sondern auf der Würde und Freiheit des Individuums. Einer aktuellen sozialwissenschaftlichen Studie zufolge steht Europa am Beginn eines post-christlichen Zeitalters.
Und trotzdem sollen Sie auch in Zukunft während der Karwoche das für Sie interessante, spannende und lehrreiche Leiden Ihres Gottessohns zelebrieren dürfen, wenn Sie möchten. Solange Sie anderen Menschen nicht vorschreiben, was die derweil treiben…
Weil ich die Karwoche für die interessanteste, spannendste und lehrreichste Woche in der gesamten Christentumsgeschichte halte. Als Studentin habe ich jedes Seminar besucht, was sich um die Passion Jesu drehte.
Das finde ich insofern interessant, als dass es meine bisherige Wahrnehmung bestätigt: Das Christentum ist in erster Linie ein Totenkult. Zentrales Motiv ist die temporäre Folterung und Hinrichtung des Gottessohns. Erst nach dem Tod beginnt für Menschen nach christlicher Auffassung die ewige himmlische Herrlichkeit – oder die ebenso ewige Dauerbestrafung durch Höllenqualen.
Spricht man Christen darauf an, weisen das manche von ihnen gerne empört von sich. Die Auferstehung, also die Überwindung des Todes sei natürlich der Dreh- und Angelpunkt ihres Glaubens, heißt es dann oft. Wie es einem eben gerade am besten in den Kram passt…
Schuld und Angst
Fakt ist, dass sich das Christentum im späteren Verlauf das Kreuz als Erkennungszeichen gegeben hat. In jeder christlichen Kirche ist es zu finden: Manchmal als (über)lebensgroße, detailgetreue Darstellung eines grausam gequälten Menschen im Todeskampf, manchmal nur noch abstrakt mit ein paar Linien angedeutet.
Aber selbst, wenn das Kreuz nur noch durch zwei aufgespannte Tücher symbolisiert wird: So steht dieses Symbol doch immer für eine unvorstellbar grausame Hinrichtung und nicht für das Leben.
Psychologen oder Psychiater könnten sicher besser als ich erklären, was es mit Menschen macht, wenn sie permanent diesem furchtbaren Bild ausgesetzt werden. Ein tiefgreifendes Schuldgefühl dürfte da nur einer der Aspekte sein, die hier eine Rolle spielen.
Denn was es gerade bei Kindern auslösen kann, wenn man ihnen suggeriert, dass dieses Leid in einem Zusammenhang mit ihrem Verhalten stehen würde, musste ich schon in mehreren Gesprächen von Kindern erfahren. Und auch Ihr Faible, Frau Lander ausgerechnet für die Leidensgeschichte erstaunt mich keineswegs.
Auch wenn (besonders die liberalen) Religionsverkünder heute gerne etwas ganz anderes erzählen: Schuld und Angst sind die Grundlagen der christlichen Lehre. Dem Heilsversprechen steht stets die Androhung schlimmster Bestrafung gegenüber.
Der Kern des Glaubens?
In dieser Woche liegt der Kern meines Glaubens […]
Nach christlicher Lehre steht in der Karwoche das Leiden eines Menschen im Vordergrund, der auch wegen Ihrer Schuld gelitten hatte, Frau Lander. Ist das der Kern Ihres Glaubens? Glauben Sie wirklich, irgendeine Schuld sei dadurch tatsächlich von Ihnen genommen worden?
Ganz konkret: Was hat die vorübergehende Folter und Hinrichtung von Jesus Ihrer Meinung nach tatsächlich bewirkt? Ich meine damit nicht das, was Menschen im vermeintlichen Namen und Auftrag ihres Gottes später veranstaltet haben.
Sondern die Frage, ob sich Gott tatsächlich dadurch hatte besänftigen lassen, dass er sich seinen eigenen Sohn vor dessen ewiger himmlischer Herrlichkeit kurz mal zu Tode hatte foltern lassen?
Und wie, wann und wo es sich zeigt, ob das eine Menschenopfer überhaupt ausreichend war für die gesamte Menschheit? Dürfen auch Neandertaler und Vertreter des Homo erectus auf Erlösung hoffen? Dass die Welt dadurch seitdem eine bessere geworden wäre, kann man ja beim besten Willen nicht behaupten. Friedlicher wurde es erst, als die Kirche durch Aufklärung und Säkularisierung weitgehend entmachtet worden war.
Was hat die Passion von Jesus also tatsächlich bewirkt?
Alles laut göttlichem Allmachtsplan
Was meinen Sie, Frau Lander: Welche Folgen hatte das Menschenopfer für Gott? Nicht vergessen: Dieser Gott ist allmächtig. Alles was geschieht, muss demzufolge exakt so und nicht anders seinem Willen entsprechen. Also auch die inszenierte Hinrichtung seines Sohns im Interesse Dritter. Die christlich-biblischen Mythen und Legenden werfen bei Licht betrachtet viel mehr Fragen auf als sie jemals sinnvoll beantwortet hätten (genaugenommen keine einzige).
Nicht mal innerhalb der christlichen Scheinwirklichkeit ergibt die ganze Geschichte, der Sie in der Karwoche und an Ostern gedenken irgendeinen halbwegs brauchbaren Sinn, wenn man nicht selbst erst großzügig mit der Schere drangeht und dann seinen eigenen Wunsch-Sinn hineinbastelt. Sehr zur Freude der Theologen und Apologeten, die genau damit ihr täglich Brot verdienen.
A propos Allmacht: Wenn das mit der göttlichen Allmacht tatsächlich stimmen sollte, dann wäre ja sowieso ausnahmslos alles, was geschieht nur eine göttliche (Tragik-)Komödie, sozusagen.
Und inwiefern betrifft es denn eigentlich überhaupt die Menschheit, wenn ein eifersüchtiger Gott Probleme mit seiner Schöpfung hat?
Vorschlag für die Karwoche
Frau Lander, Sie können sich vermutlich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie bizarr absurd, surreal und unmenschlich das, was Sie als „Kern“ Ihres Glaubens bezeichnen von außen betrachtet erscheint.
Vielleicht nutzen Sie ja die Karwoche und die Osterferien, um sich mal mit der Absurdität der von Ihnen vertretenen und gelehrten Glaubenslehre ein wenig auseinanderzusetzen.
Oder wie wärs mal mit wirklich wichtigen Themen aus dem Diesseits, wie zum Beispiel Diesem?
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag zur Karwoche.
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