Am Rand des Ketzertages 2018 findet in Münster der diesjährige Deutsche Katholikentag statt. Das Motto vom Katholikentag lautet: „Suche Frieden.“
Diese beiden Wörter wurden aus dem Psalm 34 herausgepickt. Auf der Seite des Veranstalters erfahren wir:
Frieden mit Gott und Frieden mit der Welt
Aus beiden Textstellen [Psalm 34 und 1 Petr 3,11, Anm. von mir] folgert Thomas Söding: „Der Psalm macht Hoffnung, dass Frieden keine Illusion, sondern eine Möglichkeit, ein Versprechen, ein Geschenk, eine Aufgabe ist. Der Brief tritt dafür ein, dass die Kirche ihre Berufung erkennt, eine Friedenszone zu sein und eine Friedensmission zu starten.“ Es gehe in beiden Textstellen darum, Frieden mit Gott, Frieden mit anderen und Frieden mit sich selbst zu schließen. Der Katholikentag müsse Friedensstifter bestärken, aber auch Fragen an die Friedensideale stellen: „Welche Kriege müssen beendet sein? Welche Friedenspläne können geschmiedet werden? Wer ist auf der Suche nach Frieden?“ (Quelle: katholikentag.de)
Die Bibel – Quell des Friedens?
Der unbedarfte und/oder unkritische Leser könnte in Anbetracht dieser Zeilen tatsächlich den Eindruck gewinnen (bzw. seine Wunschvorstellung bestätigt sehen), die Bibel sei ein reiner Quell des Friedens. Und natürlich auch die Kirche, die sich auf dieses „Heilige Wort“ beruft.
Schaut man genauer hin, ergibt sich ein anderes Bild. In den Jahrhunderten, in denen die Kirche noch die Macht dazu hatte, hatte sie für unvorstellbar viel Unfriede gesorgt. Und auch nach der Entmachtung durch Aufklärung und Säkularisierung demonstrierte die Kirche bis heute immer wieder, wie perfekt ihre religiöse zu jeder beliebigen politischen Ideologie passt.
„Gott mit uns“ auf den Koppelschlössern der Wehrmachtssoldaten, die Rolle der christlichen Kirchen im 3. Reich, die Segnung der Atombomben auf Hiroshima oder auch die Verbrechen fundamentalistischer Christlicher Fanatiker weltweit und die Diffamierung Un- und Andersgläubiger durch deutsche Bischöfe sollen als Beispiel genügen.
Der Aspekt, dass der Appell „Suche Frieden“ wahrlich nicht der rote Faden durch die 10bändige Kriminalgeschichte des Christentums ist, dürfte auf dem Katholikentag in Münster kein Thema sein.
Halte dich fern vom Bösen
Doch was taugt nun die Bibel als Grundlage für eine Friedensbewegung, als die sich die katholische Kirche inzwischen offenbar ausgibt? Betrachten wir also mal den Textabschnitt, aus dem dieser hehre Friedensappell als Motto für den Kirchentag 2018 herausgepickt worden war.
Der ganze Satz lautet:
- Halte dich fern vom Bösen und tu das Gute,suche den Frieden und jage ihm nach! (Quelle: Psalm 34,15 MENG)
Was im biblischen Sprachgebrauch mit „Böse“ und „Gut“ gemeint ist, ist Gläubigen mitunter gar nicht so ganz klar, wie ich aus vielen Diskussionen weiß. Dabei lässt die Bibel hier, anders als in vielen anderen Bereichen, keinen Zweifel: Böse bedeutet Un- oder andersgläubig. Und gut ist, wer sich dem richtigen Gott unterwirft.
Katholische Hardliner wie etwa der Fuldaer Noch-Bischof Algermissen machen jedoch keine Anstalten, diese, für „gemäßigte“ Gläubige sicher peinliche biblische Wahrheit zu verschleiern oder unter den Altar fallen zu lassen. Da werden Un- und Andersgläubige schon mal als „großes Sicherheitsrisiko für die Mitwelt“ diffamiert und die Angst vor obskuren „bösen Mächten“ geschürt. Mächte, die sich der allmächtige Schöpfer offenbar als Gegenspieler erschaffen hatte, damit’s ihm nicht langweilig wird. Oder warum auch immer.
Bei der Aufforderung, den Frieden zu suchen, wird also der Friede mit Un- und Andersgläubigen in dieser Bibestelle ausdrücklich ausgeklammert.
Den Gottlosen wird das Unglück töten
Dabei handelt es sich nicht etwa um eine meinerseits wunschgemäße Umdeutung dieser Aussage, wie sich mit weiteren Stellen aus diesem Textabschnitt leicht nachweisen lässt. Denn dort heißt es:
- Das Antlitz des HERRN steht gegen die Frevler,um ihr Gedächtnis auszutilgen von der Erde. (Psalm 34, 17 MENG)
Frevel bedeutet im biblischen Kontext: Un- und Andersglaube. Und schließlich noch ganz unmissverständlich:
- Den Gottlosen wird das Unglück töten,und wer den Gerechten haßt, muß es büßen. (Psalm 34, 22 MENG)
Gleichzeitig habe der Katholikentag die Chance, das „Suche Frieden“ als christliches Programmwort zu veranschaulichen. Der Bibel zufolge sei „die Suche nach Frieden die Suche nach Gott – und umgekehrt“, schreibt Thomas Söding. „Die Herausforderung heute ist es, die Suche stark zu machen, die desto intensiver wird, je tiefer der Friede Gottes gespürt wird.“ (Quelle: katholikentag.de)
Bis zum Beweis des Gegenteils ist der Friede Gottes eine Fiktion, eine menschliche Einbildung. Ausgerechnet von einer solchen Illusion die Suche nach Frieden abhängig zu machen oder sie auch nur damit in Verbindung zu bringen, halte ich für höchst problematisch.
Suche Friede? Suche Streit!
Denn natürlich ist Friede ein Thema, das alle Menschen betrifft. In ihrem eigenen und im Interesse ihrer Mitmenschen. Ganz unabhängig davon, ob bzw. welche Götter sie verehren.
Kann die Flucht in religiöse Scheinwirklichkeiten tatsächlich einen wertvollen Beitrag für mehr Frieden leisten? Oder wäre es nicht sinnvoller, weil zielführender zu überlegen, was tatsächlich für den Frieden förderlich ist?
Die Organisatoren des Ketzertags 2018 haben einen in diesem Zusammenhang wichtigen Aspekt thematisiert. „Suche Streit“ lautet das Motto dieser Veranstaltung.
Das mag zunächst paradox klingen. Die einen suchen Frieden, die anderen Streit? Der Slogan des Ketzertages bringt Licht ins Dunkel: Für eine vernünftige Streitkultur.
Was damit gemeint ist und worum genau es geht, erklären die Veranstalter auf ihrer Webseite:
- WARUM WIR STREIT SUCHEN
Wo Menschen unterschiedlicher Meinung sind, wird es immer Streit geben. Wichtig ist deshalb der Einsatz für eine vernünftige Streitkultur – und eine Streitkultur der Vernunft.
Mit unserer kirchen- und religionskritischen Veranstaltungsreihe KETZERTAG MÜNSTER 2018 setzen wir dem Katholikentag ein streitlustiges Programm entgegen, denn es gibt einiges, worüber gestritten werden muss. Von der Kirchentagsfinanzierung über Staatsleistungen an die Kirchen bis zu kirchlichen Sonderrechten in der Arbeitswelt.
Aber nicht nur die christlichen Kirchen gilt es zu hinterfragen, sondern auch die Religion als solche. Suchen Religionen wirklich Frieden oder bieten sie eher Zündstoff für Konflikte?
Und ist es angesichts moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnisse überhaupt noch sinnvoll, von der Existenz eines Gottes auszugehen? (Quelle: ketzertag.de)
Goldene Rosine Mai 2018 geht an den Katholikentag 2018
Für das Herauspicken von zwei Worten aus einem Halbsatz aus einem höchst fragwürdigen Bibeltext und für die Unterschlagung der Gesamtaussage verleihen wir dem Deutschen Katholikentag 2018 feierlich und virtuell die Goldene Rosine am Band im Mai 2018.
Herzlichen Glückwunsch!
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