Offener Brief an Bischof Algermissen

Lesezeit: ~ 3 Min.

Sehr geehrter Herr Algermissen,

unter der Überschrift ‚Osterpredigt Bischof ALGERMISSEN „Menschen ohne den Glauben an Ostern sind ein großes Sicherheitsrisiko“‚ berichtete die lokale Presse (u.a. Osthessennews) über Ihre Ansprache anlässlich der Auferstehungsfeier Ihrer Kirche.

Dem Beitrag entnehme ich, dass Sie offenbar der Meinung sind, unsere heutigen Werte und Grundsätze seinen ein „Geschenk“ der christlich-jüdischen Religion.
Die Werte und Grundsätze, die die Basis unserer heutigen Gesellschaftsordnung bilden und die diese von den Ordnungen anderer, nicht säkularisierter Regionen unterscheiden, sind sicher nicht die christlich-jüdischen Werte.

Es sind dies vielmehr die Werte, die gegen den erbitterten Widerstand eben dieser Kirche in jahrhundertelanger Anstrengung und oft unter Lebensgefahr von Aufklärung und Humanismus durchgesetzt werden mussten. Von einem „Geschenk“ zu reden, ist blanker Hohn, erfolgte doch die „Schenkung“ in den meisten Fällen mit falschen Versprechungen, Bedrohung (wie von Ihnen bis heute praktiziert, s. u.), Folter, Mord und Verbrennung. Der Großteil des kirchlichen Besitzes geht auf Zahlungen für eben dieses „Geschenk“ zurück. Als Oberhirte ist Ihnen die Kriminalgeschichte Ihrer Kirche bekannt, umso heuchlerischer erscheinen deshalb solche arroganten, wissentlich falsche Behauptungen, die nicht der geschichtlichen Wahrheit entsprechen.

In Ihrer Aussage zum Thema Gentechnik vertreten Sie die typisch religiös-einseitige Sichtweise, mit der Ihre Kirche die Entwicklung der Menschheit über Jahrhunderte so stark behindert und verzögert hat wie keine andere Institution.

Weiter ist zu lesen, dass Ihrer Meinung nach Menschen ohne die angebliche Auferstehung einer biblischen Phantasiegestalt „im Hauch der Mächte des Todes ersticken“ würden. Es ist Ihnen selbstverständlich freigestellt, sich Ihre private Wirklichkeit so zu gestalten, wie sie Ihnen gefällt. Sie können sich gerne „Mächte des Todes“ ausdenken und sich dann vor diesen fürchten.

Wenn Sie die Öffentlichkeit an Ihrer erfundenen Scheinwirklicheit teilhaben lassen müssen, nehmen Sie bitte wenigstens Abstand davon, unbescholtene Menschen mit Ihren Gewaltphantasien zu bedrohen.

Die reale Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts bietet mehr als genug Herausforderungen, aber auch Chancen, sodass erfundene Auferstehungen vormittelalterlicher Wüstengöttersöhne heute wahrlich keine Rolle mehr spielen. Wenn Sie diese Legende nicht nur als bedeutsam, sondern gar als „Perspektive und Zukunft“ betrachten, lässt das hoffen, dass sich die Menschheit auch von der christlichen Religion bald befreit haben wird und dass auch Ihr Gott endlich seinen seinen Platz zwischen Zeus, Anubis und Thor einnehmen wird.

Ihre Auferstehungsgeschichte besagt, dass ein Gott die Hinrichtung per Todesfolterung eines Menschen, zu dem er ein Vater-Sohn-Verhältnis hat (oder der wahlweise auch ein Drittel von sich selbst ist), nicht nur toleriert, sondern ausdrücklich gefordert hat, um damit einigen anderen Menschen seine Liebe zu beweisen und sie von einer angeblichen Schuld zu befreien, die er selbst diesen Menschen vorher eingeredet hatte. Dieses Menschenopfer sei unerlässlich gewesen und es habe sich genau so abgespielt. Wenn Sie das tatsächlich in irgendeiner Weise sinnstiftend finden, dann frage ich mich, in welcher Welt und nach welchen ethischen Grundsätzen Sie leben.

Es gibt bis heute nicht den geringsten seriösen Anhaltspunkt dafür, dass menschliche Persönlichkeiten nach dem Tod weiterexistieren würden, vielmehr spricht alles dagegen. Aufgrund der derzeitigen Faktenlage ist es schlicht unsinnig, so zu tun, als gäbe es ein Leben nach dem Tod und gar noch daraufhin Menschen zu kritisieren, die sich der Einmaligkeit und Einzigartigkeit ihres irdischen Daseins bewusst sind, statt auf postmortale Versprechen und Bedrohungen in Form von zeitlich unbegrenzter physischer und psychischer Höllenqualen hereinzufallen.

Bis hierher kann man Ihnen bestenfalls intellektuelle Unredlichkeit, Verlogenheit, Geschichtsblindheit und Heuchelei vorwerfen. Ihre Aussage, dass der Mensch ohne den Glauben an die Auferstehungslegende Ihrer Religion zu einem „großen Sicherheitsrisiko“ für die Mitwelt werde, ist allerdings eine Unverschämtheit, die an Arroganz, Boshaftigkeit und maßloser Selbstüberschätzung kaum zu überbieten ist.

Sie pervertieren damit die Wirklichkeit ins genaue Gegenteil: Das wesentlich größere Sicherheitsrisiko stellen zweifellos Menschen mit einem Auferstehungsglauben dar – je gläubiger, desto gefährlicher! Ohne einen solchen Glauben wäre jedes Selbstmordattentat aus Sicht des Terroristen sinnlos. Und ohne Ihren Auferstehungsglauben hätten Sie keine Grundlage, Menschen mit Ihren grotesken Bedrohungen und falschen, weil erfundenen Heilsversprechen zu täuschen und zu verunsichern.

Was meinen Sie: Wieviele Menschen wurden im Namen der Aufklärung und des Humanismus ermordet und wie viele Millionen Menschen im Namen Ihres Gottes? „Blindwütig zuschlagen und alles vernichten“ war schon die Kernaussage der ältesten Textquellen Ihrer Religion und ist eben nicht die Einstellung aufgeklärter, ethisch denkender und handelnder Menschen. In (dank der Säkularisierung) abgeschwächter Form besteht die inhumane und spaltende Dimension Ihrer Religion bis heute, wie Sie eindrucksvoll mit Ihren Aussagen immer wieder belegen.

Religionen sind weder geeignet, noch in der Lage, eine brauchbare, humane Ethik zu liefern, die den Anforderungen der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert gerecht wird. Durch Ihre rückwärtsgewandten, von Verachtung, Abgrenzung und Überheblichkeit gekennzeichneten Äußerungen tragen Sie immerhin aktiv dazu bei, dass immer mehr Menschen aufhören, auf religiöse Illusionen hereinzufallen und beginnen, selbstverantwortlich und selbständig zu denken und zu handeln. Der „alarmierende Priestermangel“ und die Austrittszahlen belegen diese hoffnungsvolle Entwicklung.

Die einzige „Sicherheit“, die durch Freidenker und Andersgläubige tatsächlich gefährdet wird, ist die Ihres Broterwerbs.

Herr Bischof Algermissen, für Ihre Aussage, Menschen ohne den Glauben an die Auferstehungsgeschichte Ihrer Religion seien ein großes Sicherheitsrisiko, erwarte ich eine schriftliche Entschuldigung im Namen aller, die Ihnen und Ihren archaischen Mythen nicht oder nicht mehr glauben.

Gerne veröffentliche ich Ihre Stellungnahme auf meiner Webseite, auf der ich auch schon einen ausführlicheren Kommentar zu Ihren Äußerungen verfasst habe: http://www.awq.de/go/ostern2016

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