Erst vor ein paar Tagen hatte in Fulda ein katholischer Priester seinen Beruf an den Nagel gehängt. Ihm war ganz offensichtlich bewusst geworden, dass es unsinnig ist, auf die irdische, natürliche und vor allem tatsächlich auch erwiderte Liebe einer Frau zu verzichten und sich stattdessen mit einer eingebildeten, göttlichen Liebe inkl. Vertröstung auf ein ebenso eingebildetes Jenseits zu begnügen.
Keine drei Wochen später nun der zweite Rückzug im Fuldaer Land. Lech Kowalewsi aus Schlüchtern begründet seine Berufsaufgabe ebenfalls damit, dass er das Zölibat-Versprechen, das er als katholischer Priester geben musste, nicht mehr einhalten möchte.
Ob die beiden Fälle in Zusammenhang stehen, ist uns nicht bekannt.
Wie schon beim Rücktritt vom Fuldaer Priester Jan Kremer war auch diesmal das Echo in den sozialen Medien wieder überraschend einhellig positiv. Neben Glückwünschen finden sich auch viele Kommentare, in denen der katholischen Kirche wegen des Zölibats Rückständigkeit unterstellt wird.
Offenbar auch die meisten Katholiken scheinen der Ansicht zu sein, dass katholische Priester nicht zölibatär leben müssen sollten.
Würde sich die katholische Kirche an den Wünschen ihrer Mitglieder bzw. an der Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts orientieren, müsste sie den Zölibat also eigentlich abschaffen. Warum sich die katholische Kirche allerdings so schnell nicht grundlegend ändern wird, erklärt Philosoph Richard David Precht in diesem Beitrag.
Priester mit verfehlter Berufung
Immerhin eine Stimme ist diesmal dabei, die die Entscheidung von Pfarrer Kowalewski kritisiert:
Das sind Pfarrer ohne Berufung. Auf die einzelnen die ihre Berufung verfehlt haben kann die Kirche gerne verzichten. (Quelle: Nasrani Markus via Facebook)
Aha. Pfarrer, die sich irgendwann doch noch zu dem folgenreichen Schritt entscheiden, ihre berufliche Existenz aufzugeben, haben ihre „Berufung verfehlt.“ Darauf, dass möglicherweise mit der Einbildung einer göttlichen „Berufung“ etwas oberfaul sein könnte, kommt er vermutlich nicht.
Genausowenig dürfte ihm bewusst sein, in welche Nöte die Kirche ihre Angestellten bringt. Indem sie ihnen vorschreibt, zölibatär leben zu müssen.
Und das ist bei weitem nicht der einzige Fall. Nicht nur in die persönliche Freiheit ihrer Priester, sondern auch in die anderer Angestellter meint die Kirche, sich massiv einmischen zu dürfen. Und das ohne irgendeinen allgemein anerkennbaren Grund, sondern auf Basis einer archaischen, im Kern inhumanen Glaubenslehre.
Katholizismus und Orthodoxie
Weiter schreibt Nasrani Markus:
[…] schaut euch die evangelischen Länder an die sind alle schon verloren es gibt keinen Glauben mehr keine Gläubigen Kirchen werden zu Moscheen oder anderweitig umgebaut . Nur der Glaube und Kirche des Ursprungs wird ewig überdauern und verstauben wird sie nie. Wer mach Gott sucht wird ihn nur hier finden. Katholizismus und Orthodoxie (Quelle: Nasrani Markus via Facebook)
In einer Sache gebe ich Nasrani Markus recht: Die evangelische Kirche hat demonstriert, dass eine Glaubensgemeinschaft in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, sobald sie sich dem Stand der Zeit annähert.
Übrig bleibt einerseits ein Großteil, der mehr oder minder feststellt, dass es keiner biblisch-christlichen Mythen und Legenden bedarf, um wissen zu können, wie man sich verhalten sollte. Menschen, die ebensowenig Wert auf eine in Aussicht gestellte jenseitige Belohung legen wie sie sich vor einer jenseitigen Bestrafung fürchten.
Andererseits die kleine Gruppe von Fundamentalisten, die sich „jetzt erst recht“ mit der Bibel in der Hand zum Kampf gegen den un- und andersgläubigen Rest der Welt stellt. Diese Fundamentalisten sind bei national-populistischen Machthabern besonders beliebt, schließlich gibt es viele Gemeinsamkeiten. Hier wie dort sollen unbewiesene und unbeweisbare Behauptungen möglichst widerspruchslos geglaubt werden.
Fundamentalisten gibts freilich genauso im katholischen Lager: Da werden dann schon mal ganze Länder als „verloren“ bezeichnet, die sich vom Glauben befreit haben. Die Tatsache, dass (mit sehr wenigen Ausnahmen) in säkularen, offenen, freien Gesellschaften mit dem geringsten kirchlichen Einfluss die Menschen mit dem größten Wohlstand leben, ignoriert er geflissentlich. Seine Schwarz-Weiß-Weltsicht ist klar: Entweder katholisch oder verloren.
Mit seiner Einschätzung steht Nasrani Markus allerdings ziemlich allein auf der weiten Flur der sozialen Medien da. Obwohl der Anteil an Katholiken im Fuldaer Land sicher über dem Landesdurchschnitt liegen dürfte – beim Zölibat scheint man überwiegend anderer Meinung zu sein als die Kirche. Aber die katholische Kirche ist nun mal kein demokratischer Milliardenkonzern. Sondern einer mit Wahlmonarchie.
Und die Kirche?
Die äußerte sich bisher nicht zu der zweiten Amtsniederlegung innerhalb von weniger als drei Wochen. Weder zu dem aktuellen Fall, noch zum Thema Zölibat an sich.
Der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Dr. Matthias Lergenmüller sei laut diesem Beitrag der Fuldaer Zeitung „schwer betroffen und traurig“ gewesen. Auch wenn er „den Schritt menschlich nachvollziehen“ könne.
Noch einmal sei an dieser Stelle auf clergyproject.de hingewiesen. Dies ist ein Projekt für aktive und ehemalige Angehörige religiöser Berufe, die keinen Glauben an Übernatürliches (mehr) haben.
Presse
- Fuldaer Zeitung: Entscheidung gegen Zölibat: Schlüchterns Pfarrer Kowalewski legt Amt nieder
- Osthessennews: Zweiter Pfarrer in drei Wochen: Lech Kowalewski wegen Zölibat abgetreten
- Bild: Zwei Geistliche des Bistums Fulda legen im Juli ihre Ämter nieder Nächster Rücktritt aus Liebe
- hessenschau.de: Schlüchterner Pfarrer geht Nächster Priester legt Amt aus Liebe nieder
- op-online.de: Schon der zweite Fall innerhalb kurzer Zeit – Pfarrer legt aus Liebe sein Amt nieder
- sueddeutsche.de: Zweiter Priester im Bistum will nicht mehr zölibatär leben
- fulda-info.de: Zweiter Priester legt Amt nieder – Er konnte dem Zölibat nicht weiter folgen
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