Missbrauchskandal der katholischen Kirche: Jetzt austreten!

Lesezeit: ~ 4 Min.

Studie zum Missbrauchskandal in der katholischen Kirche: Warum du jetzt austreten solltest

Im September 2018 liefert die katholische Kirche 3677 + x weitere Gründe, diese Glaubensgemeinschaft jetzt sofort zu verlassen.

Vier Jahre lang hatte ein Untersuchungsausschuss das Ausmaß sexueller Gewalt in der Kirche untersucht. Das Ergebnis der Studie hatte jetzt die ZEIT, sehr zum Ärger eines katholischen Kirchenfunktionärs, vorab veröffentlicht:

  • 1670 Kleriker wurden zwischen 1946 und 2014 als Missbrauchsbeschuldigte innerhalb ihrer Kirche aktenkundig. 3677 Kinder und Jugendliche wurden nach Lage der Akten mutmaßlich zu Opfern. 4,4 Prozent aller Kleriker sollen im genannten Zeitraum Minderjährige sexuell missbraucht haben. „Diese Zahl stellt eine untere Schätzgröße dar“, heißt es in einer offiziellen Zusammenfassung der Studie. (Quelle: ZEIT.de – Das Ausmaß des Verbrechens Von Evelyn Finger und Veronika Völlinger 12. September 2018 DIE ZEIT Nr. 38/2018, 13. September 2018)

Umgang mit dem Missbrauchskandal der katholischen Kirche

Studie zum Missbrauchskandal der katholischen KircheJetzt könnte man den Eindruck gewinnen, es sei der Kirche hoch anzurechnen, dass sie sich endlich, nach Jahrzehnten oder genauer nach Jahrhunderten des Schweigens und Vertuschens mit diesem ihren Skandal auseinandersetzt. Bei Licht betrachtet sieht es allerdings anders aus:

Die unabhängige Kommission, die zunächst mit der Erstellung der Studie beauftragt worden war, hatte ihre Arbeit nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Begründung: Mangelnde Kooperation kirchlicherseits. Von Vertuschung und Aktenvernichtung ist die Rede. (Quelle: spiegel.de)

Dass die Untersuchung dann von Kirchenangestellten durchgeführt wurden, weckt starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit, um es mal diplomatisch auszudrücken.

Dazu kommt, dass die hundertfachen Missbrauchsfälle in katholischen Internaten und ähnlichen Einrichtungen, die bekannt worden waren, bei dieser Studie nicht berücksichtigt worden waren.

Abwehrstrategien der katholischen Kirche

Auf der Webseite „Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie“ hat Rudolf Sponsel, Klinischer Psychologe / Psychotherapeut folgende Abwehrstrategien zusammengefasst, die ihm bei der katholischen Kirche in deren Umgang mit ihrem Missbrauchsskandal aufgefallen sind:

  • Kirche wehrt sich gegen Zensur-Vorwürfe. „Nach dem Abbruch der Missbrauchsstudie wehrt sich katholische Kirche nun juristisch gegen den Vorwurf der Zensur, den der Direktor des mit der Studie beauftragten Forschungsinstituts, Christian Pfeiffer, erhebt. …“ (FR 11.1.13)
  • Die Kirchenfürsten versuchen derzeit (Ende März 2010) in den Medien den Eindruck zu erwecken, als sei der sexuelle Missbrauch in der katholischen Kirche „nur“ ein Problem der unteren Ränge. […]
  • Verleugnung der systemischen Verantwortung. Das waren nicht nur „Betriebsunfälle“ einzelner „Verirrter“.
  • Verleugnung der persönlichen Verantwortung.
  • Bagatellisierung der Bedeutung.
  • Bagatellisierung durch Berufung auf eine andere Zeit mit anderen Sitten und Gebräuchen.
  • Ausweichen auf „wenige“ Einzelfalle.
  • Ausweichen auf die Vergangenheit („lange zurück“ mit dem Tenor heute sei alles ganz anders).
  • Verleugnung der Abschottungs,-, Unterdrückungs-, Separierungs- und Vertuschungsmotive.
  • Verleugnung der extremen Fehlleistungen, Kinder und Jugendliche weiterhin überführten TäterInnen auszusetzen.
  • Verleugnung der besondere Meßlatte, die an selbsternannte Moralführer anzulegen sind.
  • Falsche Rationalisierungen der Motive der TäterInnen, die meist alles andere als „pädophil“ sind.
  • Verleugnung des Anspruchs auf eigene, gesetzlich nicht fundierte Voruntersuchungsprivilegien („Kirchenrechtsstaat“ im Rechtsstaat)
  • Rationalisierung der Hintergründe („sexuelle Revolution“ oder Übersexualisierung der Gesellschaft sei schuld oder mitschuld).
  • Verleugnung der Tatsache, dass ein völlig unnatürliches und absonderliches Verhältnis zur Lebenslust und Sexualität besteht, d.h. eine vorsintflutliche und abweichende Sexualauffassung, die besser in ein Lehrbuch der Sexualpsychopathologie passt.
  • Verleugnung der Tatsache, dass die katholische Kirchenorganisation (streng hierarchisch, Kadavergehorsam; Unfehlbarkeit des Papstes) mit ihrer männerbündischen und abnormen Frauenfeindlichkeit – die mit den allgemeinen Menschenrechten nicht zu vereinbaren ist – die sadistischen Gewaltrituale fördert.
  • Bock-Gärtner-Spiele, indem nicht immer echt unabhängige (unbefangene) UntersucherInnen beauftragt wurden.
  • Öffentliche Lippenbekenntnisse, dass man nun alles ganz anders und richtig machen wolle. Tiefe Betroffenheit, echtes Schulderleben und tätige Reue sieht anders aus als was bislang in den öffentlichen Auftritten wahrzunehmen war.

(Quelle: sgipt.org – Materialien Sexueller Mißbrauch in den Katholischen und anderen Kirchen oder Institutionen, mitgeteilt und kommentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen)

Schweigen und Gebete

Und der Papst? Der wusste wohl schon viel früher viel mehr, als er bisher zugegeben hatte. Für seinen Umgang mit dem Missbrauchsskandal seines Konzerns erntet Papst Franziskus scharfe Kritik, z.B. hier, hier oder auch hier. Für Februar hat der katholische Oberschäfer eine Versammlung zum Missbrauchskandal einberufen. Ein Beispiel für das realitätsbefreite Selbstverständnis des Herrn Bergoglio lieferte er mit dieser Einschätzung:

  • Papst Franziskus hat sich nach Vorwürfen der Missbrauchs-Vertuschung Unruhestifter und Intriganten vorgeknöpft. «Menschen, die nur Skandale, nur Spaltung suchen», könne man nur mit Schweigen und mit Gebeten begegnen. (Quelle: berchtesgadener-anzeiger.de)

Die Menschen, die den Missbrauchskandal der katholischen Kirche als solchen anprangern, sind in seinen Augen „Unruhestifter und Intriganten.“ Und wer hat die Schuld? Wenn es nach dem Papst geht: Der Teufel natürlich. Also, nicht die Schuld an den Missbrauchsfällen. Sondern daran, dass diese jetzt aufgedeckt und öffentlich gemacht werden:

  • Der Großankläger versucht, die Sünden der Bischöfe aufzudecken, um das Volk zu schockieren, sagte Papst Franziskus. In einer Predigt in der Casa Santa Marta am Dienstagmorgen sagte der Papst den Bischöfen, dass sie vom Teufel angegriffen zu werden scheinen.
    Der beste Weg für die Bischöfe, dies zu bekämpfen, sei, Männer des Gebets zu sein, die dem Volk nahe stehen und die die Demut haben, sich daran zu erinnern, dass sie von Gott erwählt wurden, berichtet die Vatikannachricht. Der Papst sagte, dass das Gebet „ein Trost des Bischofs in schwierigen Zeiten“ sei, denn „Jesus betet für mich und für alle Bischöfe“. Mit Blick auf den Teufel sagte Papst Franziskus: „In diesen Zeiten scheint es, als wäre der Großankläger losgekettet und greift die Bischöfe an.“
    „Stimmt, wir sind alle Sünder, wir Bischöfe“, fügte er hinzu. „Er versucht, die Sünden aufzudecken, damit sie sichtbar werden, um die Menschen zu skandalisieren. […]
    (Quelle: catholicherald.co.uk –  Pope Francis: the Great Accuser is trying to uncover sins to cause scandal , übersetzt mit www.DeepL.com/Translator)

Die Grenze zwischen harmloser religiöser Vernebelung und wahnhaftem Realitätsverlust verläuft fließend. Denn hier geht es nicht um irgendwelche Erlösungsspinnereien, sondern um sexuelle Gewalt an Kindern.

Nicht der Teufel skandalisiert die Menschen durch Aufdeckung der klerikalen Verbrechen. Skandalös ist nicht die Aufdeckung. Sondern die Missbrauchsfälle. Und der Umgang der katholischen Kirche damit.

4,4% mutmaßliche Missbrauchstäter

Wenn 4,4 Prozent aller Kleriker der deutschen Bistümer mutmaßliche Missbrauchstäter sind, kann von wenigen Einzelfällen keine Rede mehr sein. Doch der Missbrauchskandal ist nicht auf Deutschland beschränkt: Neuseeland, USA, Chile, Irland… Das Problem betrifft die katholische Kirche weltweit, tausendfach. Von der Dunkelziffer ganz zu schweigen.

Von den deutschen Bischöfen hat sich Herr Ackermann zu Wort gemeldet. Und der räumt ein, dass das Ergebnis der Studie zum Missbrauchskandal „bedrückend und beschämend“ sei.

Aber das scheint gar nicht sein größtes Problem zu sein. Denn sein Statement veröffentlichte domradio.de unter dem Titel „Verantwortungslose Vorabbekanntmachung.“ Ackermann kritisert darin, dass die Studie vorab von den Medien, allen voran in der ZEIT veröffentlicht worden war.

Dass ein Kirchenfunktionär der katholischen Kirche, die per Gerichtsurteil straffrei auch als „Kinderficker-Sekte“ bezeichnet werden kann, ausgerechnet in diesem Zusammenhang von Verantwortungslosigkeit spricht, ist purer Zynismus.

Kirchenaustritt jetzt!

Hier nochmal zusammengefasst die Zahlen aus der Studie zum Missbrauchskandal, die jeder indirekt mitzuverantworten hat, der die katholische Kirche durch seine Mitgliedschaft unterstützt:

  • 3677 Opfer von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen.
  • 1670 Täter haben mutmaßlich missbraucht. Beschuldigte sind Priester, Ordensmänner und Diakone.
  • 4,4 Prozent aller Kleriker der deutschen Bistümer waren mutmaßlich Missbrauchstäter.

Alle Infos zum Kirchenaustritt in Deutschland gibts unter kirchenaustritt.de.

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2 Gedanken zu „Missbrauchskandal der katholischen Kirche: Jetzt austreten!“

  1. Ein Verein, der kriminelle Handlungen zulässt und deckt, der Täter schützt und sie im Problemfall einfach an anderen Orten weitermachen lässt, der Täter entschuldigt und Taten verharmlost, ist eine kriminelle Vereinigung. Jede Verharmlosung, jedes Decken ist Mittäterschaft.
    Eine kriminelle Vereinigung sollte aufgelöst und ihr Vermögen eingezogen werden.
    In das Jugendschutzgesetz sollte ein Passus aufgenommen werden, der es verbietet, Kinder mit Klerikern in einem Raum allein zu lassen.
    Bis das umgesetzt werden kann: Austreten, austreten, austreten.

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