Detlef Löhde und der kleinste gemeinsame Nenner in Sachen Kreuzigung

Lesezeit: ~ 6 Min.

In einer Facebook-Diskussion zitierte ein Teilnehmer aus einem Text von Detlef Löhde, um damit zu erklären, was es denn eigentlich mit dem Kreuz in der christlichen Mythologie auf sich habe.

Hier einige Gedanken zu den Behauptungen von Detlef Löhde, weil ich mich schon seit Längerem frage, was denn eigentlich der „kleinste gemeinsame Nenner“ der christlichen Lehre ist. Also das, was man für wahr halten müsste, um sich redlicherweise als Christ bezeichnen zu können.

Allgemein zusammengefasst findet sich dieser „kleinste gemeinsame Nenner“ im christlichen Glaubensbekenntnis. In den nun folgenden Zitaten aus dem Text von Detlef Löhde geht es speziell um die Bedeutung der biblischen Kreuzigungslegende:

Kreuzigung: Absicht oder Schicksal?

„Jesus ist für uns gekreuzigt,*

Detlef Löhnde über KreuzigungOb vor rund 2000 Jahren tatsächlich ein Mann namens Joschua gekreuzigt wurde, lässt sich historisch nicht belegen. Sollte dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden haben, so war es nichts Außergewöhnliches. Aufständler und Unruhestifter landeten damals genauso schnell am Kreuz wie Verbrecher aller Art.

Hier handelt es sich zwar um eine Aussage, die wie eine Feststellung klingt, in Wirklichkeit aber bereits im Reich des Wunschdenkens und der Mythologie angesiedelt ist.

„Für uns“ deutet darauf hin, dass der Verfasser dieser Zeilen davon ausgeht, dass dieses Ereignis mit ihm oder allgemeiner mit Menschen im 21. Jahrhundert etwas zu tun hat. Hier wird also behauptet, dass diese vorübergehende Todesfolterung uns zuliebe stattgefunden haben soll.

Müsste man folgerichtig dann nicht eigentlich denen dankbar sein, die Jesus ans Kreuz geschlagen hatten?

Aber mit Geschichtlichem hält sich der Autor nicht weiter auf. Eine ad hoc-Behauptung zu Beginn reicht ihm offenbar aus, um darauf seine nun folgenden religionsphilosophischen Gedankengebäude aufzubauen. Damit verlassen wir den Bereich der Existenz- oder Tatsachenbehauptungen. Und begeben uns in die bunt schillernde Welt theologischer Interpretation:

Detlef Löhde weiß Bescheid…

er opferte sich am Kreuz zur Vergebung unserer Sünden;
das ist seine Stellvertretung für uns, seine Übernahme unserer Sünden, unserer Strafe und des Zornes Gottes;

Wenn, wie hier von Detlef Löhde behauptet, die Kreuzigung ein von Jesus absichtlich herbeigeführter Akt war, dann ist die erste Behauptung damit hinfällig.

SuendeDenn dann müsste es heißen: „Jesus hat sich für uns kreuzigen lassen.“ Das würde natürlich zu einer völlig anderen Bewertung der Kreuzigenden führen. Denn was hätten die schon anderes machen sollen als dem Willen des Gottessohnes (bzw. des zweiten Drittels eines allmächtigen Gottes) Folge zu leisten?

Weiter muss der Autor ja davon ausgehen, dass Menschen mit Sünden belastet seien. Was genau eine Sünde sein soll, erklärt er hier allerdings nicht.

Gemeint dürfte wahrscheinlich die „Erbsünde“ sein. Ein absurdes, fiktives und höchst unmenschliches Gedankenkonstrukt, das schon für unendlich viel Leid gesorgt hat.

Und ein Grund, warum das Christentum niemals auf das Alte Testament verzichten kann. Kein Apfel-Diebstahlsdelikt –> keine Erbsünde –> keine Erlösungsbedürftigkeit –> christliches Heilsversprechen sinnlos, weil überflüssig.

Eine höchst seltsame Gottesvorstellung

Es scheint jedenfalls ein höchst seltsamer Gott zu sein: Der einerseits in der Lage ist, ein ganzes Universum aus dem Nichts zu erschaffen. Einschließlich Galaxien, Eichhörnchen und Ebola-Viren.

Und der aber andererseits offenbar keinen anderen Weg weiß, sich mit der Menschheit zu versöhnen, als sich seinen eigenen Sohn für sich selbst als Menschenopfer qualvoll (wenn auch nur vorübergehend) hinrichten zu lassen.

Jedenfalls scheint es seiner Vorstellung von Moral zu entsprechen, dass er die stellvertretende Hinrichtung eines Menschen im Interesse Dritter als legitime und angemessene Maßnahme einschätzt.

Diese Vorstellung entspricht verblüffend genau der Denkweise der Menschen, die sich diesen Gott in der Bronzezeit ausgedacht hatten.

Stellvertretende Übernahme unserer Strafe und des Zornes Gottes?

Da ist also ein zorniger Gott, der offenbar ein Problem mit der vom ihm genau so und nicht anders geschöpften Trockennasenaffenart ein Problem hat.

Obwohl angeblich allmächtig und allgütig, so war er augenscheinlich nicht willens oder in der Lage, seine Schöpfung so zu gestalten, dass er keinen Grund haben müsste, die von ihm angeblich bevorzugte Spezies für ihr Fehlverhalten (nach seinen Maßstäben) zu bestrafen. Glaubt man der biblischen Mythologie, so war das ja nicht sein erster „Ausrutscher“ dieser Art. Stichwort Sintflut…

er zahlte so das Lösegeld für unsere Befreiung vom Tod,
er ist unser Erlöser;

Was soll das denn für ein seltsamer Deal gewesen sein? Das zweite Drittel eines dreiteiligen Gottes zahlt sich selbst ein Lösegeld, um Menschen unsterblich zu machen?

Bis heute ist (noch) kein einziger Fall von menschlicher Unsterblichkeit bekannt. Und eine Unsterblichkeit, wie sie die biblisch-christliche Mythologie behauptet, ist eine bis zum Beweis des Gegenteils unbewiesene Behauptung. Basierend auf Einbildung, Angst und Hoffnung.

Die Hoffnung auf eine ausgleichende Gerechtigkeit für irdisches Unrecht (wie auch immer man das definieren mag) wird damit in den nicht überprüfbaren Bereich der Fiktion verschoben.

Gott hat ein Problem – mit sich

er versöhnt uns mit Gott; in Christus versöhnte sich Gott mit sich selber;

Ich habe mich nicht mit Gott gestritten. Und deshalb auch kein Bedürfnis, mich mit ihm zu versöhnen. Wenn Gott sich mit sich selber versöhnen muss, dann ist das seine Angelegenheit. Dann möge er das aber bitte mit sich selbst ausmachen und keine Menschen in die Welt schicken, um sie sich dann sich selbst als Opfer zu Tode quälen zu lassen.

im Kreuz Christi treffen Gottes gerechtes Gesetz und sein gnädiges Evangelium zusammen;

Gottes Gesetz ist genausowenig gerecht wie sein Evangelium gnädig ist. Auf den Punkt gebracht in Mk 16,16.

so ist das Kreuz Zeichen der Gerechtigkeit u. Strafe
und zugleich der Gnade und Liebe Gottes
– Zeichen des Todes und zugleich Zeichen des Lebens für uns;

Mit welchem Recht sollte ein allmächtiger, allgütiger Schöpfergott Menschen bestrafen dürfen? Unter welchen Umständen kann eine Kreuzigung nach unseren heutigen ethischen und rechtlichen Standards denn gerecht sein? Und was um alles in der Welt soll das mit „Gnade und Liebe“ zu tun haben, von der Detlef Löhde hier schreibt?

Erben des ewigen Lebens

Jesus ist das (Opfer-) Lamm Gottes;
er vergoss sein Blut als Testament des Neuen Bundes,
damit wir Erben des ewigen Lebens werden;

Mit anderen Worten: Mit Jesus hat sich Gott selbst ein Opfer dargebracht. Das Merkwürdige dabei: Üblicherweise bringen ja Menschen ihren Göttern Opfer dar, um sie sanftmütig zu stimmen. Oder weil ihre Vorfahren das ja auch schon immer so gemacht gemacht hatten. Kann ja nicht schaden. Außer dem Opfer, natürlich.

Nicht so in diesem Fall: Denn hier opfert ein Gott sich selbst sich selbst. Demzufolge scheint er ein Problem mit sich zu haben. Oder mit seiner Schöpfung. Das ist dann aber sein Problem. Zu einem Problem für die Menschheit wird es erst dadurch, dass Gott einen Menschen zu Tode quälen muss, um sich selbst zu befriedigen.

Welche Gerechtigkeit?

er ist der gerechte und leidende Knecht Gottes,
xer ist gekommen um uns zu dienen,
er erwirbt alle Gerechtigkeit vor Gott und schenkt sie uns,
damit wir gerecht sind vor Gott;

Hier stellt sich für eine moralisch-philosophische Betrachtung (keine historische) einmal mehr die Frage, inwieweit das in der biblischen Legende beschriebene Leiden von Jesus ein von ihm absichtlich herbeigeführter Akt war. Wobei solche Überlegungen sowieso schon deshalb sinnlos sind. Weil Jesus von Christen ganz nach Bedarf entweder als Mensch oder als zweites Drittel eines Gottes ausgegeben wird.

Die Vorstellung von Detlef Löhde, jemand könne durch eine Todesfolterung „Gerechtigkeit“ erlangen ist eigentlich an sich schon grotesk genug. Dass er diese „Gerechtigkeit“ damit dann auch noch auf Dritte übertragen kann,  halte ich für geradezu absurd. Genauso absurd wie ein Götterwesen, das eine solche verquere Hin-und-her-Opferei nicht nur duldet. Sondern selbst veranlasst.

Schafe brauchen ihren Hirten – lebend

er lässt als der Hirte sein Leben für die Schafe;
er hat die größte Liebe, denn er lässt sein Leben für seine Freunde;

Pastorale: Schäfchen als HirtenWenn ein Hirte sein Leben für seine Schafe lässt, haben die Schafe keinen Hirten mehr. Und eine Schafsherde ist auf ihren Hirten angewiesen.

Eine Handlung wird noch lange nicht dadurch ethisch richtig, dass jemand sein Leben für seine Freunde lässt. Die Frage ist, was genau er in einer bestimmten Situation und unter den gegebenen Bedingungen tatsächlich damit bewirkt.

Nach heutiger Einschätzung war die Wochenend-Hinrichtung von Jesus ein rein symbolischer Akt. Jesus hatte sich nicht vor einen rollenden Zug geworfen, um so das Leben seiner Freunde zu retten, die weiter unten auf den Bahnschienen standen und andernfalls vom Zug überrollt worden wären.

Der „Wert“ einer solchen symbolischen Hinrichtung setzt einen Gott voraus, der diese Handlung als Akt der Nächstenliebe anerkennt. Was einmal mehr die Frage nach den moralischen Standards dieses Gottes aufwirft.

Freiwillig?

er stellt sich den Leidenden und Sterbenden an die Seite;
er erfüllt gehorsam, freiwillig aus Liebe den Willens des Vaters,
– unsere Erlösung;

Inwiefern lindert es das Leid von Menschen, dass ein Mensch vor rund 2000 Jahren mal ein paar Stunden (und auch nur vorübergehend, glaubt man der biblischen Legende) zu Tode gequält worden war?

Und nochmal: Wie kann Detlef Löhde hier von „freiwillig“ sprechen, wenn Gott seinen Sohn (bzw. sich selbst) ja extra zu diesem Zweck auf die Erde geschickt hatte, um sich dann im Interesse Dritter umbringen zu lassen?

Hatte er eine Wahl? Hätte er sich zum Beispiel auch anders entscheiden können, damit seine Hinrichtung verhindern und noch ein paar Jahre/Jahrzehnte Frieden und Nächstenliebe zu predigen?

Die Frage nach der plausibelsten Antwort

er erfüllt die Aufgabe und den Auftrag des verheißenen Christus“

Ist das so? Oder vielleicht in Wirklichkeit ganz anders? Ich schlage hier mal drei mögliche Szenarien vor:

  1. Es ist so, wie Detlef Löhde es hier beschreibt: Die biblische Kreuzigungslegende beschreibt tatsächlich die Absichten und das Handeln des Gottes, von dem in der Bibel die Rede ist. Als „Beleg“ dafür werden die von Menschen verfassten und später ebenfalls von Menschen „gedeuteten“ biblischen Mythen und Legenden angeführt. Gott selbst hat sich noch nie dazu geäußert, was Menschen in seinem angeblichen Namen und Auftrag so alles getan und gelassen haben.
  2. Die Todesfolter gehörte schon vor Jesus quasi zum Pflichtbestandteil einer gottessöhnlichen Biographie. Nachweislich ist nicht eine einzige Jesuslegende originär biblischen Ursprungs. Vielmehr handelt es sich bei den Jesuslegenden um eine Zusammenfassung und Übersteigerung früherer Phantasiefiguren. Eine Möglichkeit, valide nachzuweisen, welche dieser Legenden nun tatsächlich stimmt und welche nicht, besteht nicht.
  3. Alle biblisch-theologischen Aussagen über die Bedeutung der Kreuzigungslegende dienen dem Zweck, der profanen und eines Gottessohnes unwürdigen Hinrichtung durch Kreuzigung irgendeinen tieferen Sinn anzudichten.

Der Leser möge für sich selbst entscheiden, welche dieser möglichen Szenarien (oder welches andere) ihm am plausibelsten erscheint.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Text von Detlef Löhde, zit. n. Facebook-Post.

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