Fundstück der Woche: Netze bleiben leer

Lesezeit: ~ 3 Min.

Unser Fundstück der Woche ist der Leserbrief „Netze bleiben leer“ von Dr. Johannes Fasel aus Würzburg:

Leserbrief: Netze bleiben leer
Quelle: Mainpost vom 17.11.2018

Netze bleiben leer

Zum Artikel „Kirche verliert für junge Leute an Bedeutung“ (13.11.):

Oder, um es noch deutlicher mit den Worten von Gerhard Wegner, dem Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland, in der aktuellen Studie auszudrücken: „Sie (die jungen Leute) führen ein eigenständiges, glückliches Leben, ohne uns als Kirche.“

Ach wie schön!

Die Netze der Menschenfischer bleiben leer. Es herrscht ein Mangel an „Mühseligen und Beladenen“, die sich bevorzugt in den Maschen aus „spirituellem Größenwahn („Unfehlbarkeit“), Anmaßung und Scheinheiligkeit verfangen.

Der gesellschaftliche Fortschritt, gegen den sich die Amtskirchen mit aller Kraft stemmen, bringt Menschen hervor, die vermehrt zu eigenständigem, glücklichem Leben befähigt sind.

Ach wie wunderschön!

Dr. Johannes Fasel,
97074 Würzburg

Diesem Leserbrief ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Trotzdem hier noch ergänzend einige Gedanken, angeregt durch eine Diskussion in einer regionalen Facebookgruppe:

Besser dran ohne Religion

Mit dem Rückgang der Religiösität verschwinden auch die negativen Aspekte von Religion immer mehr in der Bedeutungslosigkeit.

In einer Facebookgruppe waren die Nutzer nach ihren Erfahrungen oder Erlebnissen gefragt worden, wie sich die konfessionelle Unterscheidung zwischen evangelischen und katholischen Christen früher in der ländlichen Region im Dreiländereck von Bayern, Hessen und Thüringen ausgewirkt hatte.

Viele Nutzer schildern hier Begebenheiten und Erlebnisse, wie die Konfessionszugehörigkeit noch bis vor wenigen Jahren zur teils tiefen Spaltung der Bevölkerung geführt hatte.

Noch im 18. Jahrhundert seien Uttrichshäuser Katholiken bei Nacht mit Gewehren vor das Pfarrhaus des evangelischen Pfarrers gezogen, wird da aus einer Chronik berichtet. Nachdem dieser scharf gegen die Katholiken gepredigt hatte.

Interkonfessionelle Hochzeit: Noch vor wenigen Jahrzehnten ein erschütterndes Drama

Wollte zum Beispiel ein Mann aus einer katholischen Gemeinde eine evangelische Frau heiraten, dann sei das vor 60-70 Jahren noch ein „erschütterndes Drama“ gewesen.

Auch 1962 war eine „Misch-Ehe“ von katholischen und evangelischen Christen noch problematisch. Nicht selten war eine Konvertierung erforderlich, um überhaupt heiraten zu können.

Von Ausgrenzung und Verächtlichmachung von Angehörigen der jeweils anderen Konfession ist die Rede. Oft initiiert durch Priester, Pfarrer und Nonnen.

Besonders perfide: In vielen Berichten ist zu erfahren, wie Kinder und Jugendliche von Kirchendienern systematisch mit Ablehnung der und Hass auf die Angehörigen der jeweils anderen Konfession indoktriniert worden waren.

Wie schön, dass die Netze der „Menschenfischer“ heute zumindest hierzulande immer leerer bleiben!

Mein Glaube ist ernsthafter und wärmer als deiner

Netze bleiben leerWer meint, das alles sei längst überwunden, liegt allerdings falsch: Evangelisch sei zwar nicht teuflisch, aber „für mich als Katholikin eher kalt.“, schreibt eine Diskussionsteilnehmerin. Der katholische Glaube sei „ernsthafter und wärmer.“

Kaum erstaunlich, dass ein solcher Standpunkt für Gegenwind sorgt: „So viel schöner und ehrlicher als der katholische“ sei der evangelische Gottesdienst, entgegnet ein anderer Nutzer.

Und während sich Gläubige wohl auch noch weiterhin (hoffentlich nur verbal) die Köpfe über die Frage einschlagen, wer von ihnen den besseren Draht zu ihrem gemeinsam geglaubten magischen Himmelswesen hat, welche Konfession „wärmer“ ist, wer das „Wort Gottes“ richtiger interpretiert oder auch, wer an der (symbolischen oder eben nicht symbolischen) Menschenfleischverzehrungszeremonie teilnehmen darf und wer nicht, machen sich andere Menschen andere Gedanken.

Zum Beispiel darüber, wie sie das Zusammenleben der Dorf- und Weltbevölkerung friedlicher, freier und fairer gestalten können.

Kirchenfunktionäre verlegen sich da lieber auf den „interreligiösen Dialog.“ Man brüstet sich immer gerne damit, mal wieder auf die Schafe aus den anderen Ställen zugegangen zu sein. Und redet sich damit den Umstand schön, dass einem ja gar nichts anderes mehr übrig bleibt.

Das Dilemma der christlichen Konfessionen

Lack of empathyDie christlichen Kirchen stehen heute (besonders hierzulande) vor einem Dilemma:

Geben sie, wie die EKD, ihre biblisch-christlichen Grundsätze auf (z. B. durch Weglassung der unmenschlichen und grausamen Aspekte, Stichwort: Kuschelgott), machen sie sich damit überflüssig:

Immer weniger Menschen fallen noch auf die Legende von der christlichen Moral herein. Sie brauchen keine Gottesvorstellung mehr, um zu wissen, wie sie sich verhalten sollten. Und wie nicht.

Halten sie, wie die katholische Kirche, an ihren Grundsätzen fest, tun sie sich damit allerdings auch keinen Gefallen.

Immer mehr Menschen realisieren, dass diese Grundsätze nicht mehr mit den ethischen Standards und Werten im 21. Jahrhundert in Einklang zu bringen sind. Es sei denn, man verbiegt das biblisch-christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept so massiv, dass man es auch gleich ganz weglassen kann.

So oder so: Die Netze bleiben erfreulicherweise immer öfter leer.

Säkulare Woche der Menschenrechte

Weltbürger statt ReichsbürgerGerade geht in Berlin die Säkulare Woche der Menschenrechte zu Ende.

Unter dem Motto „Weltbürger statt Reichsbürger“ haben es sich die Teilnehmer zum Ziel gesetzt,

  • die weltbürgerliche Perspektive zu stärken, die der maßgebliclhe Vorreiter der Menschenrechtsidee, Thomas Paine, bereits vor mehr als zwei Jahrhunderten eingenommen hat: „The World is our country.“ (Quelle: saekulare-woche.de)

Den Veranstaltungsflyer (PDF) zur „Säkularen Woche der Menschenrechte“ gibt’s bei der Giordano-Bruno-Stiftung hier zum Herunterladen.

Fazit: Die Richtung stimmt, aber es gibt noch viel zu tun. Damit die Netze der „Menschenfischer“ auch weiterhin leerer werden.

*Quelle des Leserbriefes „Netze bleiben leer“: Mainpost vom 17.11.2018
**Quelle der Facebook-Beiträge: Facebook-Gruppe „Rhön – Historisches und Aktuelles
***Quelle des Weltbürger-Logos: saekulare-woche.de

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1 Gedanke zu „Fundstück der Woche: Netze bleiben leer“

  1. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die RKK in Deutschland, aber letztlich auch überall auf dem Globus, sich spalten wird.
    Die eine Seite wird sich zum Sozialverein, die andere zu einer fundamentalistischen Sekte entwickeln.
    Beide Aussichten sind nicht rosig für die RKK.

    Bei den Evangelischen ist der Spaltungsprozess schon in vollem Gange: hie EKD, dort Evangelikale.

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