#KeinerBleibtAllein – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

#KeinerBleibtAllein – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Elisabeth Rabe-Winnen, veröffentlicht am 1.12.2018 von ARD/daserste.de

in Stall und StubeUnd einmal mehr präsentiert Frau Rabe-Winnen ein „Wort zum Sonntag“ nach altbekanntem Schema:

Wiedermal findet sie den Einstieg über die Schilderung einer persönlichen Abschiedserfahrung. Diesmal nicht, wie in ihrer Sendung vom 10.11. am Flughafen. Sondern am Bahnhof. Mit der weiteren Story hat diese Geschichte allerdings nur sehr entfernt zu tun. Aber irgendwie müssen die 4 Minuten Sendezeit ja gefüllt werden…

Gemeinschaft in Stall und Stube

Wir erfahren, verpackt in winter-weihnachtlich verbrämte Wortgirlanden und Plattitüden, dass weder Frau Rabe-Winnen, noch ihre gerade am Bahnhof verabschiedete Freundin über Weihnachten allein bleiben werden:

Die Adventszeit hat den Frost. Die Wärme auch. Hat die Einsamkeit auf dem Feld und die Gemeinschaft in Stall und Stube. Meine Freundin wird Weihnachten in ihrer Kirchengemeinde Gottesdienste feiern und dann zuhause mit ihrem Mann und den Kindern. Und auch meine Kinder haben schon heute ganz rotwangig und aufgeregt das erste Türchen am Adventskalender geöffnet.*

Doch eigentlich geht es gar nicht um die, die in den nächsten Wochen (oder überhaupt) sowieso nicht alleine sind.

Sondern eben um die, die sich wünschen, nicht allein zu sein. Und Frau Rabe-Winnen samt Freundin haben ja ihre Pfarrgemeinden und Familien. In Stall und Stube.

#keinerbleibtallein

Hashtag „keinerbleibtallein“. Bei diesem Verein suchen Menschen Gelegenheiten für andere. Um Anschluss zu finden. Um nicht allein zu sein. Gerade jetzt nicht.

Laut Satzung ist der Verein hinter #keinerbleibtallein politisch und religiös neutral. Was Frau Rabe-Winnen freilich nicht davon abhält, das Engagement dieses Vereins für ihre Zwecke zu vereinnahmen.

Und so switcht sie aus der wirklichen Welt schnell mal rüber in ihre religiös erweiterte Scheinwirklichkeit:

Die Fenster und Schaufenster, die Balkone und Bäume sind geschmückt in Ahnung und Erwartung der Weihnacht. Dann kommt er wieder zu Besuch. Blick auf die Anzeigetafel: 23 Tage noch Ankunft Jesus von Nazareth in der ,stillen Nacht‘. Er kommt wie meine Freundin, dieser Lieblingsmensch. Kommt wie „alle Jahre wieder“. Tritt ein in unseren Raum; in alles, was ist und sich verbirgt hinter dem Gardinenspalt. Bringt Licht mit.

Und auch so einen Schlüssel für mein Herz. Und ich spüre: alles ist gut. Ich kann einfach sein. Als wir uns kennenlernten, war es Liebe und Gerettet-Sein. Er kennt mich vom Mutterleib an. „Da ich noch nicht geboren war, da ist er mir geboren.“ Er kommt in die blaue Nacht. Mit dem goldnen Licht. Sagt mit dem Engel am Grab und dem Engel auf dem Feld der Weihnacht: „Fürchte Dich nicht!“

Alle Jahre wieder – nicht

Nein. Jesus kommt auch dieses Jahr nicht. Alle Jahre wieder nicht.

Ein historischer Jehoschua, dessen zunächst über Jahrzehnte nur mündlich überlieferte Biographie möglicherweise als Vorlage für den biblischen Romanheld Jesus Christus verwendet worden war, ist, sollte er überhaupt gelebt haben, seit rund 2000 Jahren tot.

Und wenn mit Jesus der biblische Jesus gemeint sein soll: Auch der kommt bestenfalls in dem Sinne, wie der Nikolaus kommt. Oder der Weihnachtsmann, die Zahnfee und der Osterhase.

Wo wir uns gerade schon in der mythologisch erweiterten Wirklichkeit befinden: Wenn jemand das Licht bringt, dann wäre das immernoch Lucifer. Wobei freilich jedes Kind weiß, dass es der Lichterpirat ist, der zum Weinachtsfest das Licht bringt.

Cui bono?

Ich frage mich, was sich Frau Rabe-Winnen davon verspricht, ihr Fernsehpublikum an ihren Einbildungen und ihrer Realitätsflucht in religiöse Phantasien teilhaben zu lassen.

Meint sie tatsächlich allen Ernstes, einsamen Menschen einen Gefallen zu tun, wenn sie ihnen vorgaukelt, ihr fiktiver Gottessohn käme tatsächlich alljährlich zum Jahresende vorbei? Und zwar offenbar überall, ungefragt und uneingeladen? So wie sie sich das einbildet und wie sie es behauptet?

Der biblische Gott rettet Menschen bis zum Beweis des Gegenteils nicht. Weder vor Einsamkeit noch aus sonst irgendeiner Not. Der rettet, wenn überhaupt, Menschen vor seiner eigenen Dauerbestrafung in Form von zeitlich unbegrenzter physischer und psychischer Höllenfolter bei vollem Bewusstsein.

Aktionen wie #keinerbleibtallein richten sich an Menschen, die nicht allein sein wollen. Die sich deshalb Kontakt zu anderen Menschen wünschen. Und nicht zu mythologichen Phantasiefiguren.

Daß ich dein mündlein küsse

A propos „Da ich noch nicht geboren war, da ist er mir geboren.“: Genau wie bei Bibeltextfragmenten ist es auch bei Kirchenlieder-Zitaten immer wieder aufschlussreich, sich den umgebenden Text anzuschauen, aus dem die jeweils gefälligen Rosinchen herausgepickt wurden.

Bei Kirchenliedern ist es besonders interessant zu schauen, welche Strophen im Lauf der Jahre umgedichtet oder gleich ganz weggelassen wurden.

So fehlt zum Beispiel diese Strophe in allen neueren Fassungen des von Frau Rabe-Winnen zitierten Liedtextes:

  1. Vergönne mir / o Jesulein /
    Daß ich dein mündlein küsse /
    Das mündlein / das den süssen wein /
    Auch milch und honigflüsse
    Weit übertrifft in seiner krafft /
    Es ist voll labsal / stärck und safft /
    Der march und bein erquicket.
    (Quelle: Originaltext 1653 Ich steh an deiner Krippen hier Zit. n. Wikipedia)

Das scheint den Herausgebern des aktuellen evangelischen Gesangbuches dann doch ein bisschen too much gewesen zu sein. Man darf gespannt sein, welche der aktuell noch veröffentlichten Strophen in künftigen Ausgaben möglicherweise noch entfernt werden. Und vor allem: warum.

Armselig und leer

Worum es in dem Lied tatsächlich geht:

  • Der Text lebt von Kontrasten wie Größe – Kleinheit, Armut – Reichtum, wobei das scheinbar arme und schwache Kind in der Krippe als wahrhaft mächtig und reich erkannt wird, der Glaubende, der ihm begegnet, sich dagegen als armselig und leer erfährt, solange das Kind ihn nicht beschenkt und verwandelt. (Quelle: Wikipedia)

#keinerbleibtalleinDiese Gesamtaussage steht im krassen Widerspruch zu der Intention von Aktionen wie #keinerbleibtallein. Es geht bei diesem Text eben nicht darum, dass Menschen zum Beispiel durch den Kontakt zu anderen Menschen ein glücklicheres und sinnerfülltes Leben führen. Oder überhaupt aus eigener Kraft bzw. mit irdischen Mitteln.

Sondern darum, dass ein solches Leben nach biblisch-christlicher Lehre einzig und ausschließlich, wenn überhaupt nur (zumindest theoretisch) dann möglich ist, wenn man bereit ist, sich dem „richtigen“ Gott zu unterwerfen.

Oder, wie Frau Rabe-Winnen es vermutlich ausdrücken würde: Sich von diesem lieben zu lassen. Auf den Aspekt, dass es sich bei diesem Liebesangebot laut biblisch-christlicher Mythologie nicht etwa um eine optionale Offerte handelt, hat Frau Rabe-Winnen interessanterweise im „Wort zum Sonntag“ noch nie hingewiesen.

Fürchte dich nicht!

Immerhin die Aufforderung „Fürchte dich nicht!“ kann man stehen lassen. Wenn man sie noch um „Mich gibts gar nicht!“ ergänzt.

Ich wünsche Ihnen eine schöne, eine gesegnete Adventszeit!

Einmal mehr frage ich mich, wie das mit der Segnerei konkret funktionieren soll. Gehen Leute, die eine „gesegnete Advenszeit“ wünschen tatsächlich davon aus, dass ihre jeweilige Gottesvorstellung ihren allgütigen Allmachtsplan ändert, wenn man sie nur darum bittet?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag zum Thema #keinerbleibtallein.

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