Mut zum Träumen – Das Wort zum Wort zum Jahresbeginn

Lesezeit: ~ 6 Min.

Mut zum Träumen – Das Wort zum Wort zum Jahresbeginn, verkündigt von Pastorin Elisabeth Rabe-Winnen (ev.), veröffentlicht am 1. Januar 2019 von ARD/daserste.de

Als ob ein allsamstägliches „Wort zum Sonntag“ nicht schon mehr als genug wäre, präsentierte Frau Rabe-Winnen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkpublikum am 1. Januar in einer Sondersendung einen weiteren Einblick in ihre bunt religiös verstrahlte Phantasiewelt.

Und einmal mehr stelle ich mir schon vor Beginn der Show mehrere Fragen. Zum Beispiel:

  • Wie lange wird der Kirchenkonzern noch sein Recht zur Ausstrahlung seiner Dauerwerbesendungen einfordern?
  • Und andersherum: Wie lange noch wird der Kirche dieses Recht noch eingeräumt werden und mit welcher Begründung?
  • Warum distanziert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht ausdrücklich von den Inhalten dieser Sendungen, wie es auch bei Wahlwerbesendungen der Fall ist?
  • Und wenn schon keine Distanzierung, dann vielleicht doch wenigstens ein Hinweis vorab, dass die nun folgende Sendung lediglich der Unterhaltung dient und dass hier unter Umständen Dinge behauptet werden, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen?
  • Was verspricht sich die Kirche überhaupt von der Ausstrahlung dieser Sendung? Wohl kaum eine erfolgreiche Kaltaquise?

Blick in die Zukunft, aber ohne Glaskugel

Mut zum TräumenIn ihrem diesjährigen „Wort zum Jahresbeginn“ betätigt sich Frau Rabe-Winnen zunächst als Prophetin. Sie verrät dem Publikum, was ihrer Vorstellung zufolge im gerade begonnenen Jahr so alles auf sie zukommen wird. Auf Kaffeesatz oder auf eine Glaskugel verzichtet sie dabei wohlweislich. Während sie sich über das biblische Gebot, nach dem Frauen in der Öffentlichkeit zu schweigen haben, einmal mehr hinwegsetzt.

Die von Frau Rabe-Winnen nun nach Monaten sortiert aufgezählten Ereignisse sind weder weltbewegend außergewöhnlich, noch von besonderem allgemeinem Interesse.

Zum Februar war der Pastorin offenbar nichts eingefallen. Deshalb gibt sie hier eine psychedelisch anmutende, offenbar selbst zusammenfabulierte Unterhaltung im Zoo zum Besten. Zwischen einem Wolf und einem Pfau. Ob sie sich dabei des Stilmittels der Fabel bedient oder nicht, lässt sich schwer sagen. In ihrer Vorstellungswelt gibt’s schließlich noch viel absurdere Dinge als sprechende Zootiere…

Den Juni nutzt Frau Rabe-Winnen in ihrer Jahresvorschau für ein bisschen Kirchentagswerbung. Und leitet damit zu ihrem eigentlichen Anliegen über: Ihre Empfehlung, auf die von ihr propagierte Gottesvorstellung zu vertrauen. Passend zum Motto des diesjährigen Kirchentages.

The crazy world of Frau Rabe-Winnen

Was sie dazu bewegt, ihren Zuschauern Vertrauen auf ein Phantasiewesen zu empfehlen, verrät sie nun in blumig-verklärten Wortgirlanden:

Und Sie fragen mich, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, von was für Bildern ich da rede. Was ist das für ein Vertrauen, das Du da hast? Ich sehe auf das, was kommt und male die Bilder im Kopf mit Vertrauen. Ich vertraue auf Gott. Auf Gott, der alles auf den Kopf stellen kann. Er bringt Himmel auf die Erde. Und durchkreuzt alles Denkbare. Bei meiner Taufe wurde mir gesagt: Freue Dich, dass Dein Name im Himmel geschrieben steht! Mit diesem Anker im Himmel stehe ich sicher auf der Erde. Und unsere Erde ist beseelt von Gottes Geist-Kraft. Ich vertraue darauf. Es passiert.*

Frau Rabe-Winnen, wie schon so oft geschrieben: Natürlich ist es Ihre höchstpersönliche Angelegenheit, wie Sie mit der irdischen Wirklichkeit umgehen, um sich diese angenehmer oder erträglicher zu gestalten. Dank Aufklärung und Säkularisierung sind Ihre Gedanken frei. Und es liegt mir fern, Ihnen diese Freiheit in Abrede stellen zu wollen.

Wenn Sie meinen, dass Ihnen Ihr lieber Gott, den sich ein primitives Wüstenvölkchen in der Bronzezeit als einen Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Rachegott ausgedacht hatte dabei hilft, Ihren Alltag zu bewältigen – warum nicht. Ganze Kulturen vertrauten dereinst auf die Gnade des Sonnengottes. Oder auf den Klabautermann.

Kein schlechtes Gewissen?

Meme: ScrutatorAber haben Sie nicht zumindest irgendwo ganz tief innerlich wenigstens ein bisschen ein schlechtes Gewissen? Wenn Sie öffentlich Dinge behaupten, die bis zum Beweis des Gegenteils nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen? Jedenfalls spricht Ihre Mimik (besonders auffällig im Video ab Minute 1:59) eine ganz andere Sprache als das, was Sie da behaupten. Es scheint so, als könnten Sie selbst nicht glauben, was Sie gerade sagen.

Und wenn Ihnen Ihre eigene intellektuelle Redlichkeit schon egal sein sollte: Sind Sie nicht auch seitens Ihrer Religion gehalten, die Wahrheit zu sagen? Na gut, in den selben 10 Geboten werden Sie ja auch dazu aufgefordert, die Existenz und Macht eines Phantasiewesens anzuerkennen, wodurch das mit der Wahrheit schon wieder hinfällig ist…

Können Sie irgendetwas zweifelsfrei und objektiv nachprüfbar in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Wirken oder auch nur der Absicht speziell Ihrer Gottesvorstellung bringen? Ja? Herzlichen Glückwunsch, dann haben Sie soeben den religiösen Glauben überflüssig gemacht!

Und wenn Sie das nicht können, werfe ich Ihnen vor, dass Sie Ihr Publikum mit einer Ihnen vielleicht hoffnungsvoll erscheinenden Illusion in die Irre führen. Indem Sie Dinge behaupten, die so bis zum Beweis des Gegenteils einfach nicht stimmen. Es passiert – aber nur in Ihrer Phantasie. Und was in echt passiert, steht bis zum Beweis des Gegenteils in keinem Zusammenhang mit Ihrer Gotteseinbildung.

Religiöser Wunsch und irdische Wirklichkeit

Sie vermischen hier Ihre religiös induzierten und durch einen chronischen Bestätigungsfehler verfestigten Wunschvorstellungen mit Aussagen über die irdische Wirklichkeit.

Eine solche, auf magischem Denken, arroganter Einbildung und Selbstüberhöhung („…freue Dich, dass Dein Name im Himmel geschrieben steht!“) und Unwissenheit basierende Weltsicht stammt aus einer Zeit, in der die Menschheit verglichen mit heute noch so gut wie nichts über die natürlichen Zusammenhänge wusste.

Damit es nicht so sehr auffällt, bedienen Sie sich einer gewohnt theologisch-nebulösen, schwammigen, man könnte auch sagen: glitschigen Sprache: Gott kann alles auf den Kopf stellen. Woran erkennen Sie, dass gerade Ihr Gott wiedermal was auf den Kopf gestellt hat? Und nicht Zeus, Anubis, Thor… Oder Gundel Gaukeley?

Was bedeutet „Er bringt Himmel auf die Erde“ konkret? Woher wissen Sie (bzw. warum glauben Sie), dass Ihr Gott „alles Denkbare“ „durchkreuzt“ und wie unterscheiden Sie eine Durchkreuzung Ihrer Gedanken durch Ihren Gott von der Durchkreuzung Ihrer Gedanken durch andere Götterwesen? Woran könnte zum Beispiel ich erkennen, dass Ihr Gott gerade meine Gedanken durchkreuzt hat?

Wie unterscheiden Sie das von Ihnen behauptete Wirken Gottes von einer rein menschlichen Einbildung? Oder, wenn diese Einbildung die Lebensführung beeinträchtigt, von Wahngedanken?

Frau Rabe-Winnen, ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es für Ihre Behauptungen faktisch keinen Unterschied macht, ob Sie mit „Gott“ Jahwe, Shiva oder das Fliegende Spaghettimonster meinen? Und haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was das für die Plausibilität bzw. Sinnhaftigkeit Ihrer Behauptungen bedeutet?

Es passiert?

Woran können Sie, woran kann irgendwer zweifelsfrei feststellen, dass die Erde, wie von Ihnen behauptet, von der „Geist-Kraft“ genau Ihres Gottes „beseelt“ ist? Was meinen Sie überhaupt konkret mit „Geist-Kraft“ und „beseelt“? Und was meinen Sie mit „es passiert“?

Natürlich passiert immer irgendwas. Aber dadurch werden die von Ihnen behaupteten ursächlichen Zusammenhänge kein bisschen plausibler oder gar wahrer. Aussagen wie diese bezeichnet man als Deepity. Sie sind besonders oft dort anzutreffen, wo jemand versucht zu verschleiern, dass die aufgestellten Behauptungen nicht stimmen.

Das einzige, was allerdings offenbar tatsächlich „passiert“ ist, ist, dass die religiöse Indoktrination bei Ihnen augenscheinlich umfassend und nachhaltig funktioniert hat. Und Ihre Mimik bekommen Sie sicher auch noch in den Griff…

Eine religiöse Märchenstunde sollte als solche gekennzeichnet sein

Bis hierher könnte man dieses „Wort zum Jahresbeginn“ wohlwollend noch als religiöse Märchenstunde bezeichnen. Und darauf vertrauen, dass heute ja wohl niemand mehr ernsthaft glauben wird, Vertrauen auf Phantasiewesen sei für einen Erwachsenen eine sinnvolle, vernünftige Option, mit den Unwägbarkeiten des Lebens umzugehen.

Allerdings empfehlen Sie Ihren Zuschauern abschließend, es Ihnen gleich zu tun:

Was auch warten wird und vom Himmel fällt oder hereinbricht. Ich wünsche Ihnen und mir: Vertrauen, um sicher in die Zukunft zu gehen. Vertrauen auf Gott, der alles auf den Kopf stellen kann. Und eine gesunde Portion Mut zum Träumen.

Nebenbei bemerkt: Laut biblisch-christlicher Mythologie ist der, der alles auf den Kopf stellt nicht Gott. Sondern der Teufel. Kann es sein, dass Sie da etwas verwechselt haben?

Sie empfehlen nicht etwa das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten. Oder das Vertrauen darauf, dass wir auch 2019 in sicheren und friedlichen Verhältnissen leben dürfen, möglichst gesund, mit einem Dach über dem Kopf, etwas zum Anziehen im Schrank und zum Essen im Topf.

Oder auch das Vertrauen darauf, dass uns geholfen wird, wenn wir Hilfe benötigen sollten. Nicht von Ihrer Gotteseinbildung. Sondern von anderen Menschen. Zum Beispiel in Form von Sozialleistungen. Oder medizinischer Versorgung.

Durch Ihre Aufforderung, auf Ihre Gotteseinbildung zu vertrauen, führen Sie Menschen in die Irre.

In Wirklichkeit bedeutet Gottvertrauen, alles Beliebige so anzunehmen wie es kommt. Weil es ja so und nicht anders dem unergründlichen Allmachtsplan des unergründlichen Gottes entsprechen muss. Andernfalls er kaum als allmächtig zu bezeichnen wäre. Oder als allgütig.

Hilfreiche Tipps statt Irreführung auf den religiösen Holzweg

Mut zum TräumenFrau Rabe-Winnen, ich appelliere an Ihre Vernunft und vor allem an Ihr Gewissen: Meinen Sie wirklich, Menschen etwas Gutes zu tun, wenn Sie ihnen Gottvertrauen empfehlen?

Worauf sollen die Leute hier überhaupt konkret vertrauen? Dass es Gott gut bzw. besser mit ihnen meint, wenn sie nur auf ihn vertrauen? Oder darauf, dass zum Beispiel auch schrecklichstes Leid als Teil des göttlichen Allmachtsplanes klaglos zu erdulden ist? Des Planes eines Gottes, der irgendwann dereinst für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen wird?

Nochmal: Wenn Sie sich selbst so lange einreden und einbilden, einem magischen Himmelswesen sei Ihr persönliches Wohlbefinden ein Anliegen, bis Sie das tatsächlich selbst glauben, dann ist das Ihre Privatangelegenheit. Und wenn Sie dann das Bedürfnis haben, dies der Welt mitzuteilen, dann tun Sie das, aber bitte auf eigene Kosten.

Und vielleicht fallen Ihnen ja noch sinnvollere Empfehlungen ein als die, sich aus der Realität in religiöse Scheinwirklichkeiten zu flüchten? Dann könnten Sie die Sendezeit doch tatsächlich sinnvoll nutzen!

Natürlich spricht gar nichts dagegen, Mut zum Träumen zu fordern. Nur: Götter braucht es dazu keine. A propos Mut zum Träumen: Glauben Sie eigentlich an die Funktionalität von Traumfängern, Frau Rabe-Winnen?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag „Mut zum Träumen“.

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2 Gedanken zu „Mut zum Träumen – Das Wort zum Wort zum Jahresbeginn“

  1. Was verspricht sich die Kirche überhaupt von der Ausstrahlung dieser Sendung?
    Die Deutungshoheit in den Öffentlich-Rechtlichen und die dazugehörige Pissmarkierung. Warum auch nicht? Kosta nix. Die Produktionskosten trägt die ARD.

    Antworten

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