Was wir Menschen geben – Gedanken zu Sonntagsgedanken von Christina Lander über Jesus als Vorbild

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Gedanken zu: Nachgedacht: Was wir Menschen geben – Sonntagsgedanken von Christina Lander… über Jesus als Vorbild, veröffentlicht am 5.5.2019 von osthessennews.de

Frau Landers heutige liberal-theologische Verkündigung lässt sich inhaltlich in einem Satz kurz, knapp und etwas flapsig formuliert so zusammenfassen: „Sei kein Arschloch.“

Für diese, an sich triviale Erkenntnis braucht es wahrlich keine Gottessohnfiktion. Wenn man jedoch die Aufgabe hat, irgendwas mit Religion zu verfassen, dann kann man sich sogar die biblisch-christliche Mythologie auch entsprechend zurecht biegen. Sodass der biblische Romanheld Jesus als das leuchtende Vorbild philanthropen Verhaltens schlechthin erscheint:

Der christliche Glauben verehrt Jesus Christus, weil er sich selbst den Menschen geschenkt hat, sein Leben war keine Ego-Tour, sondern wie kein anderer hat er sich auf das Geben im Leben konzentriert. Die Wundergeschichten zeigen, dass er den Menschen ihr Leben zurückgeben wollte, die es längst verloren hatten. Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Was wir Menschen geben – Sonntagsgedanken von Christina Lander, veröffentlicht am 5.5.2019 von osthessennews.de

Sätze wie diese lassen, wie auch schon ähnliche Formulierungen in früheren Veröffentlichungen der Schreiberin einmal mehr vermuten, dass diese eine ziemlich einseitige und vor allem reichlich idealisierte Vorstellung hat, was den biblischen Jesus angeht. Und eine, die nur sehr weit entfernt zu dem passt, was die biblischen Jesuslegenden inhaltlich hergeben. Was taugt Jesus als Vorbild? Was taugen seine Wunder?

Wenn nicht vorrangig aus Mitmenschlichkeit…

Klar: Heilungen können, genauso wie zum Beispiel herbeigezauberte Lebensmittel als Zeichen der Mitmenschlichkeit ausgelegt werden.

Allerdings lässt die biblische Mythologie keinen Zweifel daran, dass es den anonymen Bibelschreibern wohl zumindest nicht vorrangig darum gegangen war, Jesus als uneigennützigen Menschenfreund erscheinen zu lassen. Schon gar nicht als Freund aller Menschen. Als der er heute, besonders von Mainstream-Christen gerne dargestellt wird.

Vielmehr dienten Wundererzählungen zu der Zeit in erster Linie mal als Beleg für die angebliche Übermenschlichkeit, die Göttlichkeit des Protagonisten.

In heutiger Zeit, in der magisches Denken von den meisten Menschen und in den meisten Bereichen klar im Reich der Phantasie verortet wird, erscheinen die biblischen Wundergeschichten als geradezu außerordentlich außergewöhnlich. Dass solche wundersamen Geschichten zum Zeitpunkt ihrer Entstehung weit verbreitet und keineswegs auf Jahwes mythologischen Gottessohn beschränkt waren, kann man dabei schnell übersehen.

Tatsächlich war der biblische Jesus Christus beiweitem nicht der erste angebliche Gottessohn, den sich Menschen ausgedacht hatten. Und auch seine Biographie stimmt mit der früherer Göttersprösslinge zum Teil frappierend genau überein.

…warum dann die ganzen Wunder?

Dem biblischen Jesus ging es nicht darum, „Menschen ihr Leben zurückzugeben, die es längst verloren hatten.“ Das mag vielleicht auf den Landerschen Wunschjesus zutreffen.

In den biblischen Texten sind diese Menschen lediglich Mittel zum Zweck.

Mangels medizinischen Wissens hielt man Krankheiten damals für das Werk böser Mächte. Die Heilung von Krankheiten war somit kein medizinischer Vorgang. Sondern ein magischer Kampf gegen „das Böse.“ Das Ganze gipfelt in der angeblichen Erweckung von Toten: Eine Machtdemonstration des „Guten“ über das „Böse.“

Eine andere mögliche Ursache für Krankheiten aller Art sah man damals in menschlichem Fehlverhalten. Wenn Krankheit die Konsequenz von Sünde ist, dann geht eine Heilung auch mit einer Vergebung dieser Sünden einher (z.B. Mt 9,2). In einem anderen Fall (Mt 9,22) ist es der „richtige“ Glaube, der die Heilung zur Folge hat.

Und alle Leute wurden gläubig…

Ein weiteres Indiz dafür, dass es dem biblischen Romanhelden nicht vorrangig um das Schicksal der Geheilten ging (vortrefflich sarkastisch karikiert in Monty Pythons „Leben des Brian“, wo ein Ex-Leprakranker betteln muss, weil Jesus ihn ungefragt geheilt und ihm damit seine bisherige Einkommensgrundlage als Bettler genommen hatte) sind die zahlreichen biblischen Schilderungen der Reaktionen anwesender Zeugen diverser Heilungswunder.

Dieses textliche Stilmittel ist als „Chorschluss“ bekannt. Durch diesen Trick gaukelt man vor, dass ein Ereignis auch von anderen Menschen bezeugt sei und dass diese von dem Wunder so ergriffen gewesen seien, dass sie spontan ebenfalls zum „richtigen“ Glauben übergetreten seien (z.B. Joh 11,45).

Für den Durchschnittsgläubigen stand (und für so machen steht auch heute noch) somit zweifsfrei fest: Wer in der Lage ist, die in der Bibel geschilderten Wunder zu wirken, die bösen Mächte zu besiegen und obendrein sogar noch Sünden zu vergeben (Mt 9,6), der kann ja nur der Gottessohn sein.

Sollte es den in der Bibel beschriebenen jüdischen Endzeitsektenprediger und Nebenerwerbsexorzist tatsächlich gegeben haben, dann hatte dieser seiner eigenen Aussage zufolge seine Aufgabe darin gesehen, seine Anhänger (und auch nur die) auf das, seiner Überzeugung zufolge unmittelbar bevorstehende „Jüngste Gericht“ vorzubereiten. Eine Annahme, mit der sich das zweite Drittel des allmächtigen Allwissenden gründlich geirrt hatte. Wie wir heute, rund 2000 Jahre später sicher feststellen können.

Die einzige Chance, die ganze Sache wenigstens theoretisch halbwegs unbeschadet zu überstehen, sah Jesus jedenfalls darin, sich dem „richtigen“ Gott zu unterwerfen. Darum ging es ihm.

My Personal Jesus als Vorbild

Jesus-DarstellungAll dies scheint für die NACHGEDACHT-Autorin bedeutungslos zu sein. Ihr genügt es, in Jesus‘ wunderlichem Wirken ein, oder genauer das Beispiel für selbstloses menschliches Verhalten schlechthin zu sehen. Opfertod, Erlösung, Auferstehung: All das, was einen Gottessohn tatsächlich von einem Menschen unterscheiden würde, braucht sie für ihre Vorstellung vom hilfsbereiten Jesus als Vorbild offenbar nicht.

Das Praktische an Phantasy-Figuren: Egal, wie man sie sich vorstellt – dadurch ändert sich faktisch nichts.

Es macht keinen Unterschied, ob sich Menschen Jesus als hellhäutigen, bärtigen Mitteleuropäer mit langem Haar und weißem Gewand imagieren. Oder ob sie Jesus als dunkelhäutigen Menschen mit Federschmuck und ihrer traditionellen Kriegsbemalung darstellen.

Jesus kann alles Beliebige sein. Und das genaue Gegenteil. Nicht nur äußerlich. Das fatale Ergebnis dieser Beliebigkeit füllt die 10bändige Kriminalgeschichte des Christentums.

Es gibt so viele bessere Vorbilder als ausgerechnet den biblischen Endzeitsektenführer…

Superstars - Meme: du nichtDass selbstloses Handeln, also ein Einsatz zum Wohle anderer Menschen in vielen tausend Fällen – anders als in der biblischen Mythologie – genauso unzweifelhaft belegt ist wie die Existenz der Menschen, die sich so verhalten oder verhalten haben, scheint Frau Lander nicht für erwähnenswert zu halten:

Ihre Behauptung, Jesus habe sich „wie kein anderer“ zum Wohle seiner Mitmenschen verhalten, lässt zumindest eine sehr einseitige Wahrnehmung der Wirklichkeit vermuten. Tatsächlich gibt es so dermaßen viele Menschen, denen die Menschheit so ungleich viel mehr Gutes zu verdanken hat als ausgerechnet der biblischen Romanfigur aus dem Vormittelalter, dass man viele Jahre spannende NACHGEDACHT-Beiträge damit füllen könnte.

Man könnte und sollte an Menschen erinnern, deren Verdienst nicht darin bestanden hatte, auf möglichst brutale Art und Weise für ihren jeweiligen Glauben gestorben zu sein. Und auch nicht darin, offenkundig erfundene oder wunschgemäß zusammenphantasierte Wunder gewirkt zu haben.

Allen voran sind hier die Wissenschaftler und Forscher zu nennen, die durch ihre Arbeit dazu beigetragen haben und täglich beitragen, dass die Welt besser wird. Das sind Menschen, die nicht auf die Unterstützung überirdischer Mächte vertrauen. Oder die diese Mächte eben nicht als Erklärung für beobachtbare Phänomene akzeptieren.

Während die einen damit beschäftigt sind wissenschaftlich (!) nachzuweisen, dass Jesus eigentlich in Ungarn lebte oder auf der Krim, erforschen andere Bereiche der irdischen Wirklichkeit, die um Lichtjahre beeindruckender sind als jeder brennende Dornbusch und jede sonstige biblische Wundergeschichte.

Überlegen, was wir geben

Erinnern wir uns doch daran, dass wir Menschen nicht einfach nur so für andere existieren. Wir geben ihnen in jeder Begegnung etwas von uns. Überlegen wir also, was das in Zukunft sein soll.

Dieser Appell soll freilich auch für Lehrkräfte wie Frau Lander gelten. Wer die verantwortungsvolle Aufgabe hat, Kindern und Jugendlichen etwas beizubringen, sollte erst recht sehr genau überlegen, was er oder sie an diese weitergibt.

Wenn schon nicht im Interesse der eigenen, dann doch bitte wenigstens im Interesse der intellektuellen Redlichkeit der Kinder und Jugendlichen sollte man ihnen eine möglichst wirklichkeitskompatible, vernünftige Weltsicht vermitteln. Statt ihnen vorzugaukeln, die religiöse Scheinwirklichkeit sei, im Unterschied zu sonstiger Fiktion, etwas, das es auch außerhalb menschlicher Phantasie anzutreffen sei.

Und machen wir uns klar, dass die Definition unserer Person auch davon abhängt, was und wie viel wir geben.

Die Definition einer Lehrkraft sollte meiner Meinung nach sein: Dass sie Kindern Selbstvertrauen, Fairness und Neugierde, aber natürlich auch eine Anleitung zum vernünftigen und kritischen Denken mitgibt.

Also das genaue Gegenteil von Glauben im religiösen Sinne.

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