Das Fest der pfingstlichen Verunsicherung – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Versicherung, gesprochen von Dr. Wolfgang Beck (kath.), veröffentlicht am 8.6.19 von ARD/daserste.de
Nachdem das letzte „Wort“ zum „Wort zum Sonntag“ wiedermal ziemlich lang geraten war, solls heute etwas kompakter ausfallen. Versprochen!
In seiner Pfingst-Fernsehpredigt 2019 versucht Herr Dr. Beck, dem Pfingstfest Relevanz zu verleihen, indem er die Wirkweise seines „Heiligen Geistes“ mit den Leistungen einer Versicherung vergleicht.
Wir erfahren zunächst, dass es auch eine Art von Versicherung gebe, die nicht nur für die Einzelnen wichtig sei. Sondern für die ganze Gesellschaft. Wie zum Beispiel die Sozialversicherung. Außerdem gebe es auch Risiken, bei denen man abwägen müsse, ob man für sie eine Versicherung abschließen möchte oder nicht.
Die hier und später nochmal angeteaserte Unterscheidung zwichen individuell und gesellschaftlich relevanter Versicherung spielt dann für die restliche Fernsehpredigt allerdings keine Rolle mehr.
Ob Herr Dr. Beck den eigentlich zu erwartenden Transfer der gesellschaftlichen Relevanz von seinem Vergleichsbeispiel „Versicherung“ hinüber zu seiner Glaubenslehre schlicht vergessen hat oder ob er diese Leistung bewusst seinem Publikum überlässt, ist unklar.
So weit, so trivial.
Komplizierter wird es dann, wenn man versucht, Parallelen zwischen dem Thema Versicherung und dem Pfingstfest herzustellen.
Bilder und Metaphern – aber nix dahinter
Denn am Pfingstfest feiern Christ*innen die Zusage des Heiligen Geistes. In den biblischen Texten gibt es eine Fülle von Bildern und Metaphern: mal wird er als Feuer, mal als Sturm oder als Hauch beschrieben. Und schon diese vielen Bilder und Metaphern deuten an, dass die Menschen nicht so richtig in den Griff bekommen, worum es dabei gehen könnte. (Die so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten Beitrag: Das Fest der pfingstlichen Verunsicherung – Das Wort zum Wort zum Sonntag gesprochen von Dr. Wolfgang Beck (kath.), veröffentlicht am 8.6.19 von ARD/daserste.de)
Für Christen könnte es sogar ziemlich einfach sein, ihren „Heiligen Geist“ „in den Griff“ zu bekommen. Wenn sie das denn wollten.
Dazu müssten sie nur mal überlegen, was sie von beliebigen anderen „Heiligen Geistern“ halten. Also von solchen, die die Anhänger anderer Götter verehren.
Statt mit Geistern funktioniert es auch mit dem Glauben an beliebige andere Phänomene (Beispiel: UFOs, Homöopathie oder sonstige Esoterik), zu denen es keine verbindliche, nachweisbare Faktenlage gibt. Oder wenigstens gute Gründe, die für eine gewisse Plausibilität einer Annahme sprechen. Statt einer Behauptung, die bei Licht betrachtet ausschließlich aus Bildern und Metaphern besteht.
Dann würden sie sehr schnell darauf kommen können, dass es sich hierbei um eine von Menschen erdachte, je nach Ausprägung furchteinflößende oder auch hoffnungsvoll erscheinende Fiktionen handelt.
Aber natürlich nur, solange es nicht um „ihren“ „Heiligen Geist“ geht. Der fällt ja unter das „Geheimnis des Glaubens.“ Weil: Von dem berichtet ja die Bibel. Und gespürt haben sie ihn meistens auch schon. Wenns mal wieder ganz besonders schön war. Die Geister, die ich rief…
Eine Definition ist eine Definition – und nicht keine Defintion
Bei Herrn Dr. Beck klingt der Versuch, mit seinem „Heiligen Geist“ zu Rande zu kommen so:
Er ist die große Zusage Gottes an die Menschen, an ihrer Seite zu bleiben. Aber dieser Heilige Geist lässt sich eben nicht definieren.
Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit sich Menschen vor eine Fernsehkamera stellen und eine solch offensichtlich widersprüchliche und damit unsinnige Aussage tätigen können.
Wenn der „Heilige Geist“ „die große Zusage Gottes an die Menschen“ ist, dann ist der „Heilige Geist“ damit definiert. Als „die große Zusage Gottes an die Menschen“. Dass diese Definition nichts weiter als eine leere Worthülse ist, spielt für die Untersuchung der logischen Konsistenz keiner Rolle.
Definition ist Definition.
Versicherung gegen Logik?
Die zweite Behauptung, dass sich dieser „Heilige Geist“ eben nicht definieren lassen würde, steht damit im Widerspruch zu der gerade eben getätigten Definition:
- Behauptung: Der Heilige Geist ist die große Zusage Gottes an die Menschen, an ihrer Seite zu bleiben.
- Behauptung: Aber dieser Heilige Geist lässt sich eben nicht definieren.
Ein kleines Beispiel soll den Widerspruch verdeutlichen:
- Behauptung: Diese Blume ist rot.
- Behauptung: Diese Blume hat keine Farbe.
Oder allgemein ausgedrückt:
- Behauptung : A = B
- Behauptung: A ist nicht definierbar
Ohne Denkverzicht kein Glaube
Ist eine solche Behauptung dann nicht völlig unsinnig? Ja. Aber das ist kein Problem für Gottgläubige. Bei Bedarf nennen sie einen ganzen Katalog angeblicher göttlicher Eigenschaften. Und schildern detailliert seine angeblichen Absichten und Handlungen. Um im nächsten Satz zu behaupten, der Mensch sei ja gar nicht in der Lage, irgendwelche göttlichen Eigenschaften überhaupt erkennen zu können. Da verlässt man sich lieber auf den Erkenntnisstand eines primitiven Wüstenvolkes aus der Bronzezeit.
Das Ignorieren der Konsequenz, die sich aus diesem Widerspruch ergibt, müssen sie auf Kosten ihrer Vernunft und ihrer intellektuellen Redlichkeit in Kauf nehmen. Der hierfür erforderliche Denkverzicht ist einer meiner Hauptkritikpunkte an der Methode des religiösen Glaubens.
Zur Bewältigung dieses Widerspruches wählt Herr Dr. Beck auch diesmal wieder die nicht nur im „Wort zum Sonntag“ altbekannte Methode „Angetäuschte Flucht nach vorne“: Benenne erstmal den Punkt, der deine Argumentation als ungültig entlarvt klar beim Namen. Fahre dann mit deiner Rede fort, ohne weiter darauf eingegangen zu sein:
Er [der Heilige Geist, Anm. v. mir] ist für den christlichen Glauben wesentlich, aber lässt sich doch nicht greifen. Sich auf den Heiligen Geist, auf diese Zusage Gottes einzulassen, ist deshalb riskant. Denn hier enden Berechnungen. Wer sich auf den Heiligen Geist einlässt, geht vor allem das Risiko ein, dumm dazustehen.
Wo die Vernunft endet, beginnt die Phantasie. Oder, wie Karlheinz Deschner es in seiner bekannt sarkastischen Art ausdrückte: Je größer der Dachschaden, desto schöner der Blick in den Himmel.
Auch wenn ich den Begriff „dumm“ wegen der abwertenden Konnotation für gewöhnlich nicht zur Beschreibung von Gläubigen verwende, trifft Herr Dr. Beck den Nagel mit dieser Aussage ziemlich genau auf den Kopf. Denn „dumm“ bedeutet im Kern: An einer Überzeugung ohne Einforderung von Beweisen, entgegen jede Plausibilität und zur Not auch wider besseres Wissen festzuhalten.
Erkenntnis kann einen erstmal „dumm dastehen“ lassen
Das Risiko, das dieses „dumm Dastehen“ in sich birgt, besteht darin, dass es zunächst mal schon enttäuschend sein kann, wenn man sich von dieser fiktiven Zusage des ebenso fiktiven Gottes befreit. Wenn man sich also im besten Wortsinn ent-täuscht.
Denn erst dann wird einem bewusst, dass man sich die ganze Zeit auf jemanden oder etwas eingelassen hatte, der oder das bis zum Beweis des Gegenteils nur in der menschlichen Phantasie existiert. Und mit dem sich redlicherweise nichts in einen ursächlichen Zusammenhang bringen lässt. Nicht von einer rein menschlichen Einbildung unterscheidbar.
Auch hier könnten Christen wieder recht einfach und schnell nachvollziehen, wie sich das für jemanden anfühlt, der sich auf gar keine magischen Wesen einlässt. Sie müssten dazu nur mal kurz überlegen, warum sie sich zwar auf ihren „Heiligen Geist“, nicht aber zum Beispiel auf Shiva, Zeus oder Anubis einlassen würden. Oder auf das Fliegende Spaghettimonster.
Auf unserer Webseite wenigerglauben.de finden Interessierte ein kleines Experiment zu diesem Thema.
Woran kann man Geister voneinander unterscheiden?
Sich auf Geister zu verlassen ist freilich auch aus einem anderen Grund riskant: Denn niemand kann sagen, ob er sich tatsächlich auch mit dem richtigen Geist eingelassen hat.
Gerade bei Göttern, die in den von ihnen persönlich geoffenbarten Schriften als so eifer- und rachsüchtig beschrieben werden wie der liebe Gott der Christen, sollte hier höchste Vorsicht geboten sein. Also, wenn jemand tatsächlich an magische Wesen glaubt.
Bei über 4000 Göttern, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat, ist die Wahrscheinlichkeit, sich dem falschen Gott oder den falschen Göttern zu unterwerfen statistisch gesehen sehr sehr groß. Das schien auch den Erfindern des Bibelgottes Jahwe bewusst gewesen zu sein, als sie ihn sich die obersten seiner 10 Gebote hatten ausdenken lassen.
Wer meint, dass Herrn Dr. Becks Einschätzung jetzt die sich daraus ergebende logische Schlussfolgerung und Ent-Täuschung folgt, der irrt. Denn jetzt wird es richtig sportlich:
Im Fliegenden Galopp durchs Land der Widersprüche
Diese biblische Zusage, dass die Menschen vom Heiligen Geist begleitet sein sollen, ist keine Versicherung. Sie ist etwas, das zu den menschlichen Versicherungen dazu kommt. Diesen Geist als Beistand zu bezeichnen, beschreibt es ganz gut. Versicherungen greifen ja nur, wenn es zu Desastern kommt, wenn Unfälle passieren oder Geplantes gründlich schiefläuft. Versicherungen sind also ein Fall für Ausnahmesituationen. Der Heilige Geist als Beistand wirkt kontinuierlich. Er ist nicht nur eine Maßnahme für Notfälle, in denen Menschen an ihre Grenzen geraten. Er wirkt permanent. Auch wer als Christ*in an den Heiligen Geist glaubt, wird also ein paar Versicherungen abschließen.
Konkret ausgedrückt: Versicherungen springen ein, wenn etwas passiert. Der „Heilige Geist“ springt auch ein, wenn nichts passiert. Bei dieser theologisch-rhetorischen Lüftlmalerei könnte man glatt übersehen, dass sich eine Wirkung eines „Heiligen Geistes“ nicht von einer eingebildeten Fiktion unterscheiden lässt. Oder auch, dass Herr Dr. Beck die Erklärung schuldig bleibt, inwiefern man im Bezug auf Geisterwesen sinnvollerweise überhaupt von einer „Maßnahme“ sprechen kann.
Auch hier kann es fast schon wieder schmerzen, wenn man sich die Offensichtlichkeit des Widerspruches bewusst macht: Verlasse dich auf die göttliche Zusage, aber verlasse dich nicht auf die göttliche Zusage (sondern schließe lieber doch noch ein paar Versicherungen ab, falls wirklich mal was passieren sollte).
Hokus Pokus Verschwindibus – so oder so
Mit seinen blumigen Worten schlägt Herr Dr. Beck dem vernünftigen, klaren Denken mitten ins Gesicht: Erst gibt er vor zu wissen, dass sein „Heiliger Geist“ eben keine Versicherung sei, also jemand oder etwas, der oder das bei Notfällen einspringt. Und jetzt behauptet er, dass diese Zusicherung „nicht nur in Notfällen“ einspringen würde.
Offenbar ist Herrn Dr. Beck nicht bewusst, dass seine widersprüchlichen Aussagen (so wie auch bei ‚der „Heilige Geist“ lässt sich nicht definieren‘ versus ‚der Heilige Geist hat bestimmte Eigenschaften‘) in beiden Fällen dazu führen, dass sich seine magischen Vorstellungen bei Licht betrachtet sofort in Nichts auflösen:
Solange etwas nicht definiert und damit auch nicht unterscheidbar von etwas anderem ist, erfüllt es die Eigenschaft der Nicht-Existenz.
Sobald etwas dann definiert wird, wie in diesem Beispiel ein „Heiliger Geist“ als kontinuierlich/permanent wirkend, nicht nur als Maßnahme für Notfälle etc., dann lassen sich diese Definitionen kritisch untersuchen. Und, zumindest in diesem Fall, nach einem kurzen Abgleich mit der Wirklichkeit bis zum Beweis des Gegenteils als nicht nachweisbar zutreffend abhaken.
Übrig bleibt der Glaube als Synonym für das Festhalten an einer bestenfalls hoffnungsvoll erscheinenden Fiktion, Illusion und/oder Einbildung. Ich wäre gespannt, wie Herr Beck es begründen würde, wenn es sich seiner Meinung nach anders verhalten sollte.
Intellektueller Offenbarungseid
Bei allem Respekt vor der Freiheit der Gedanken: Wie kann man eine solche Aussage anders interpretieren als einen intellektuellen Offenbarungseid?
Die Versicherungen darf ich wieder vergessen. Denn sie werden erst gebraucht, wenn Schlimmes passiert ist. Allenfalls werde ich durch Rechnungen an sie erinnert. Beim Heiligen Geist ist es anders: Das Pfingstfest ist keine offene Rechnung. Es ist eine jährlich wiederkehrende, aber angenehme Erinnerung. Daran, dass es eine Zusicherung gibt, die immer da ist und nicht nur in Notfällen einspringt.
Zu diesen Gedanken kommt mir dann doch der Begriff „dumm“ in den Sinn. Denn ganz offensichtlich will Herr Dr. Beck sein Publikum für dumm verkaufen.
- Erstens handelt es sich bei dieser „angenehmen Erinnerung“ in Wirklichkeit um eine möglicherweise angenehme Einbildung.
- Zweitens „gibt“ es diese Zusicherung nur in einer archaischen Mythen- und Legendensammlung. Diese Zusicherung „gibt“ es genauso, wie es die Zusicherung Gargamels gibt, alle Schlümpfe zu schnappen. Und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue!
- Drittens ist die Formulierung, es gäbe mit dem „Heiligen Geist“ eine „Zusicherung, die immer da ist und nicht nur in Notfällen einspringt“ nichts weiter als eine hohle Phrase. Eine vernebelte, typisch theologisch-rhetorische Wortgirlande, die im Grunde überhaupt nichts aussagt. Außer vielleicht: Tut mir leid, in Wirklichkeit ist da nichts, aber ihr könnt es euch ja trotzdem einbilden.
Besser könnte ich die Bedeutungslosigkeit der biblisch-christlichen Lehre und die daraus resultierende Hilfslosigkeit ihrer zeitgenössischen Verkünder nicht auf den Punkt bringen als mit den Worten, mit denen es Herr Dr. Beck in seiner heutigen Fernsehpredigt geschafft hat.
Versicherung, seltsam leise zugehaucht
Ein Beistand, der Menschen zugesagt ist, die sich auf die Nachfolge Jesu mit ihrem Glauben und ihrem Leben einlassen. Es ist eine großartige, zugleich seltsam leise Ermutigung, die den Menschen „zuhaucht“: Ihr seid getragen und begleitet und müsst die Herausforderungen des Lebens nicht allein tragen.
Erst ist der „Heilige Geist“ ausdrücklich keine Versicherung. Dann ist er nicht nur eine Versicherung. Und schließlich bleibt von dem ganzen absurden Hokuspokus nur noch ein zugehauchtes (gemeint ist wohl: eingebildetes) Getragen- und begleitet-sein-Fühlen.
Dass diese „Ermutigung“ sogar Herrn Dr. Beck als „seltsam leise“ erscheint, könnte damit zusammenhängen, dass sie rein fiktiv ist.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstfest!
Und ich wünsche Ihnen, Herr Dr. Beck, dass Sie sich eines Tages genauso verwundert und ungläubig wie ich die Augen reiben und den Kopf schütteln über das, was Sie am Pfingstsamstag 2019 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen von sich gegeben haben.
Verleihung des „Goldenen Eies am Band Juni 2019“ an Herrn Dr. Beck
Zur Anerkennung seiner besonderen Leistungen im Bereich des theologisch-rhetorischen Herumeierns verleihen wir Herrn Dr. Beck heute feierlich und weltweit erstmalig das „Goldene Ei Am Band“.
Dieser virtuelle Orden soll daran erinnern, dass es hierzulande auch 2019 noch erwachsene Menschen gibt, die es offenbar für sinnvoll halten, ihre bei Licht betrachtet sinnfreien religiösen Wunschvorstellungen wortreich mit der Wirklichkeit vermischt zum Besten zu geben und durch sprachliches Herumgeeiere dafür zu sorgen, dass am Schluss keine einzige sinnvolle Aussage dabei herauskommt.
Herzlichen Glückwunsch!
Gibt es eine Promille-Grenze bzw. einen Drogentest für die Sprecher des WzS?