Bezugnehmend auf den Artikel: Eva hatte keine Schuld – Forscher entschlüsseln Tontafeln, veröffentlicht von diepresse.com am 18.5.2014 tauchten in einer Facebook-Gruppe einige Erkenntnisse historisch-kritischer Bibelexegese auf. Anhand von fünf Beispielen wurden einige biblische Aussagen auf deren möglichen Ursprung hin untersucht:
1. Erschaffung aus Lehm
Es zeigt sich beispielsweise, dass die Idee mit der Erschaffung der Menschen aus Lehm, durch Götter, im alten, polytheistischen Orient sehr bekannt war. Die Götter Enki und Ninmah schufen in sumerischen Mythen die Menschen aus Lehm, damit diese ihnen das Getreide anbauen, um Bier daraus zu brauen.
Auch der ugaritische Obergott El(ohim) gilt als Schöpfer, wurde aber eben neben anderen Göttern wie Baal und Astarte verehrt.
2. Evas Sünde
In Ugrarit bei Gott El(ohim) bleibend, zeigen die Keilschrifttexte, dass Eva keine Schuld hatte und Adam eigentlich als Gott der Erde verehrt wurde.
3. David und Salomon
Die ägyptischen Tell el-Armana-Korrespodenzen zeigen auf, dass es zur Zeit Davids im Südreich nicht zu erobern gab, außer ein paar Bauernhöfen. Der Befund des Direktors des archäologischen Instituts von Tel-Aviv (I. Finkelstein) zeigt auf, dass es kein vereintes Königreich unter David und Salomon gab.
Und auch dass die Bauwerke, die Salomon zugeschrieben werden, typische Werke der biblisch verhassten Omridendyastie des Nordreiches waren. Auch zeigt sich anhand der babylonischen Urkunden, das kein Nachfahre Davids das Babylonische Exil verlassen hatte, um dann als Blutsvorfahre von Jesus zu gelten.
4. Polytheismus als ursprünglicher Glaube in Kanaan
Weiter zeigt der archäologische Befund, dass erst die judäische Priesterschaft zwischen 8. und 5. Jhr. v.u.Z. den Monotheismus ansetzte und aus dem ursprünglich polytheistischen Gott El(ohim) den monotheistischen Gott El(ohim) (Jahwe) schuf und dieser noch lange Zeiten zusammen mit seiner Gottfrau Aschera angebetet wurde.
5. Die 10 Gebote
Hier zeigt sich, dass diese aus dem Ägyptischen Totenbuch und den altorientalischen Herrschergesetzen übernommen wurden und nur aus „Götter ehren“ „Gott ehren“ wurde.
Was heißt das für bibelgläubige Christen von heute?
Historisch belegbare Fakten wie diese lassen sich kaum mit dem wortwörtlichen Bibeltext in Einklang bringen. Und so stellt sich die Frage: Wie gehen Gläubige damit um, dass Grundpfeiler ihrer christlichen Glaubensgewissheit ihren Ursprung gar nicht in einer christlichen Lehre haben? Sondern vielmehr nur (leidlich) passend umgedeutete Kopien früherer Mythen und Legenden darstellen?
Aus Gesprächen mit Gläubigen weiß ich, dass viele die biblischen Mythen und Legenden für wahr oder zumindest für bedeutsam halten. Was mir auch oft aufgefallen ist: Viele sind der Ansicht, der biblische Gott und später sein Sohn seien die einzigen ernstzunehmenden Götterwesen. Dass es zahllose andere Götter, Geister und Gottessöhne schon vorher gegeben hatte, fällt für sie in die Kategorie „Aberglaube.“ Oder es wird behauptet: Das war alles derselbe (nämlich ihr) Gott. Zu dem Menschen eben unterschiedliche Zugänge gesucht hätten.
Kaum jemand, abgesehen vielleicht von Hardcore-Fundamentalisten-Christen glaubt heute noch, dass zum Beispiel die Geschichte von der Vertreibung aus dem Pardies ein Tatsachenbericht sei. Sprechende Schlangen, Inzest und die Frau als Hauptschuldige an der menschlichen Misere passen kaum noch zum Weltbild von aufgeklärten Menschen im 21. Jahrhundert.
Nur: Was passiert mit dem christlichen Heilsversprechen der Erlösung, wenn die Ursache der Erbsünde wegfällt? Klar: Dieses Versprechen löst sich umgehend genauso in Luft auf wie die Legende, auf das es Bezug nimmt.
Der Wunsch, die Hoffnung, aber doch irgendwie erlöst zu werden, scheint aber selbst bei ansonsten klar denkenden Menschen so stark zu sein, dass sie auch noch daran glauben (wollen), wenn es gar keine Notwendigkeit mehr gibt, erlöst zu werden.
Lieber definiert man sich die Geschichte so um, dass man am Ende doch wieder von irgendwas erlöst wird, wenn man nur an Gott glaubt. Wie grotesk lächerlich ein solcher Glaube letztlich ist, könnten die Gläubigen wohl nur erkennen, wenn sie ihre Glaubensgewissheiten mal objektiv betrachten würden.
Ursprünglich christlich?
Was mir auch immer wieder begnet sind Gläubige, die ihre christliche Glaubenslehre als genuin, also ursprünglich christlich auffassen. Sie sind ernsthaft der Meinung, dass etwa die 10 Gebote die ersten und einzigen moralischen Standards gewesen seinen, die sich die Menschheit je ausgedacht hätte.
Das lässt sich nur damit erklären, dass sie dies so – vermutlich vom Kleinkindalter an – so beigebracht bekommen hatten. Und dass offenbar versäumt wurde sie zu lehren, auch religiöse Glaubensgewissheiten mit der bewährten Methode des rationalen Denkens kritisch und ehrlich zu prüfen.
Was dann übrigbleibt ist eine Glaubenslehre, die den Gläubigen wie eine einzigartige, tatsächlich übernatürliche Wahrheit vorkommt. Die Evolutionsgeschichte ihres Glaubens als sozio-kulturelles-geschichtliches Phänomen kennen sie entweder nicht oder sie blenden sie aus. Und halten stattdessen aus ihrem, passend nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zusammengepfriemelten Glauben fest. Eine historisch-kritische Bibelexegese würde da nur unangenehme Fragen aufwerfen.
Und Kirchenvertreter werden einen Teufel tun, sie davon abzubringen. Denn was jemand tatsächlich glaubt und warum, spielt letztlich keine Rolle. Nur die Herde verlassen – das schmerzt die Hirten und die Mutter Kirche nach wie vor. Weil dieser Akt der einzige ist, der tatsächliche Auswirkungen hat: Macht- und Geldverlust.
Frage an unsere gläubigen Leserinnen und Leser: Wirkt sich eine historisch-kritische Bibelexegese wie in den fünf Beispielen gezeigt auf deinen Glauben aus? Und wenn ja, wie?
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