Auf Anregung eines Stammlesers hier einige Gedanken zum katholisch.de-Beitrag „Durch gute Taten in den Himmel?! Klartext.“ von Christian Ording, Pop-Kaplan.
Darum geht es
Der „Pop-Kaplan“ Christian Ording vertritt die hauptsächlich protestantische Auffassung, dass man nur durch den rechten Glauben in den Genuss des christlichen Heilsversprechens kommen könne. Das hätte allerdings bizarre Folgen, wie ein kleiner Ausflug in die biblisch-christliche Fantasiewelt zeigt.
Viele Christen glauben, dass sie durch gute Taten in den Himmel kommen. So strengen sie sich an und bemühen sich, mit möglichst wenig Schuld vor Gott zu treten. Doch der Weg in den Himmel geht nicht über gute Werke, sagt Pastor Christian Olding…
Es ist doch schön, dass es wenigstens auf manche Fragen im Leben eine ziemlich eindeutige Antwort gibt: „Nein, mit guten Werken wird keiner von uns in den Himmel kommen!“. Denn in der Bibel heißt es schon ziemlich eindeutig, dass wir alle Sünder sind und keiner von uns ist gerecht.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Christian Ording via katholisch.de: Durch gute Taten in den Himmel?! Klartext.)
Wenn die biblische Antwort auf die Frage, inwieweit menschliches Handeln in die finale göttliche Endabrechnung mit einfließt tatsächlich so „ziemlich eindeutig“ wäre wie Herr Olding hier behauptet, wieso glauben dann trotzdem so viele Christen genau das?
Mangels gültiger Argumente bedienen sich Vertreter beider Auffassungen herausgepickter Textstellen aus der biblischen Mythologie. Und wie kaum anders zu erwarten bietet die Bibel auch in dieser Frage genug Stoff für beide Seiten.
Den Rest besorgen dann Theologen. Und erfinden dann bei Bedarf so bizarre Konstrukte wie zum Beispiel das „Gnadenkapital“ der crazy Schönstatt-Brüder.
Glaube oder gute Taten: Harmlose Textklauberei? Von wegen…
Nun könnte man sagen: Lasst sie doch, wenns ihnen Spaß macht. Aber leider handelt es sich hier nicht um eine harmlose Textklauberei unter ein paar Fantasy-Freaks. Wie sie zum Beispiel auch in Diskussionen zwischen Star Wars™- und Star Trek™-Fans immer wieder mal vorkommen kann.
Nein. Hier geht es tatsächlich um Leben und Tod. Wegen unterschiedlicher Auffassungen darüber, wer die richtigeren Teststellen aus dem „Wort Gottes“ herausgepickt und diese dann richtiger interpretiert hat, haben sich Menschen bekämpft und ermordet. Und das nicht nur im finsteren Mittelalter. Sondern bis in die Gegenwart.
Die fixe Idee, man könne nicht durch gute Werke, sondern lediglich durch den Glauben das „ewige Leben“ erreichen, ist unter dem Stichwort „Sola fide“ hauptsächlich bei den protestantischen Schäfchen anzutreffen.
Wohingegen sich ihre katholischen Glaubensbrüder (die Schwestern haben laut Bibel in der Versammlung ja sowieso zu schweigen und sich dem Mann unterzuordnen) durchaus einbilden, dass es nicht schaden könne, sich ein bisschen anständig zu verhalten. Zumal einem ja die Verurteilung durch einen allwissenden Richter bevorsteht…
Gutes Benehmen wäre ihm viel zu wenig gewesen
Aber davon will Herr Ording nichts wissen:
Alles andere würde auch heißen, dass wir mit Gott in Verhandlung treten können und je mehr wir vorzuweisen haben, desto mehr arbeiten wir uns nach oben. Und Jesus wollte eine Revolution des Herzens und keine Revolution des Handelns. Das wäre ihm viel zu wenig gewesen, wenn es nur darum ginge, sich gut zu benehmen, aber die inneren Haltungen weiterhin unangerührt bleiben.
Um sich nun mit den Ansichten von Herrn Ording auseinanderzusetzen, verlassen wir kurz mal die irdische Wirklichkeit. Widmen wir uns also für einen Moment den Stoffen, Schnitten und Mustern von des Kaisers neuen Kleidern – hier in der Version, die die bizarre Fantasiewelt biblisch-christlicher Mythologie bietet:
Die Annahme, der Glaube und nicht das menschliche Handeln sei das einzige Kriterium für die Bemessung des Strafmaßes beim „jüngsten Gericht“, impliziert Absonderliches (wobei ja allein schon diese Vorstellung an sich absonderlich genug ist…).
Hier einige Beispiele:
- Nach dieser Logik käme zum Beispiel Adolf Hitler als getaufter und gläubiger Christ unter Berufung auf Mk 16,16 in den Genuss ewiger himmlischer Herrlichkeit.
Während Gott zum Beispiel Anne Frank für ihren „falschen“ Glauben ebenfalls zeitlich unbegrenzt mit physischer und psychischer Höllenqual bei vollem Bewusstsein dauerfoltern (lassen) würde. - Im irdischen Diesseits ist es völlig irrelevant, mit welchen religiösen oder sonstigen Phantastereien sich jemand seine persönliche Vorstellungswelt dekoriert. Ob sich jemand einfach seiner Mitmenschen wegen mitmenschlich verhält (sofern das mit „gut benehmen“ bzw. „gute Taten“ überhaupt gemeint sein soll) oder weil er sich davon eine jenseitige Belohnung bzw. Vermeidung einer jenseitigen Bestrafung verspricht ist spielt höchstens für ihn selbst eine Rolle. Und das auch nur dann, wenn er überhaupt daran glaubt. Für alle anderen zählt ausschließlich das, was jemand tut oder lässt.
- Glaubensgewissheiten fallen unter die Kategorie „Gedankenfreiheit.“ Ein Gott, der es nötig hat, Menschen durch Androhung unvorstellbar grausamer Bestrafung dazu zu nötigen, an ihn zu glauben, wäre keinesfalls als gerecht zu bezeichnen. Ein solcher Gott wäre ein narzisstischer Despot. Und ein Gedanken-Diktator, der Menschen vorschreibt, was sie ohne irgendwelche Beweise für wahr zu halten haben. Ähnlichkeiten mit irdischen Diktatoren sind keineswegs rein zufällig.
Die Folge: Vielfältiges Leid
- Das Ausmaß an Leid, das von Menschen in der Gewissheit verursacht wurde, dass es dereinst ja nur auf ihren Glauben ankommen würde und nicht auf ihre Handlungen, ist genauso unermesslich wie das Leid, das Menschen in der Gewissheit verursacht haben, damit genau das zu tun, was ihr Glaube von ihnen verlangen würde. Nicht zu vergessen das Leid, das Menschen in der Gewissheit verursacht haben, ihre Schuld ja von höchster Stelle vergeben zu bekommen, wenn sie ihr Fehlverhalten einfach einem seiner Kundenbetreuer anvertrauen.
- Die christliche Vorstellung, Glaube, speziell in Form von Gebeten (Stichwort: Thoughts and Prayers) sei ein sinnvoller Ersatz für eine tatsächlich wirksame Verminderung von Leid, ist eine weitere Quelle für Leid.
- Nochmal zu Gott: Auch in diesem Zusammenhang stolpert der Christengott wieder über seine eigenen Füße bzw. über seine angeblichen Eigenschaften Allmacht, Allwissenheit und Allgüte (Stichwort: Theodizee). Ein allmächtiges Wesen könnte problemlos dafür sorgen, dass sich seine bevorzugte Trockennasenaffenart so verhält, wie es es gerne hätte. Und zumindest könnte es besser funktionierende Wege nutzen, um seine Wünsche mitzuteilen. Statt den gewählten Weg, bei dem abzusehen ist, dass auch diese Religion eher früher als später in der gleichen Bedeutungslosigkeit verschwinden wird wie tausende andere Religionen vor ihr.
Pragmatischer Beleg – aus der biblischen Mythologie
Und wer es gerne noch pragmatisch belegt haben möchte: Der Schächer (Verbrecher) neben Jesus am Kreuz hatte gar keine Chance mehr gute Taten zu vollbringen, so angenagelt wie er war. Und dennoch hat er von Jesus das Paradies versprochen bekommen.
Joooa Herr Olding, dann nehmen wir halt irgendeine andere Stelle, die das Gegenteil besagt, zum Beispiel Jakobus 2,19-26 oder Epheser 2,10.
In der Bibel genannte Belege (egal wofür) sind in etwa so pragmatisch wie zum Beispiel die Ausführungen im „Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters“ zum Zusammenhang zwischen Anzahl der Piraten auf der Erde und der Erderwärmung.
Es herrscht ja nicht mal Einigkeit über die Frage, inwieweit die Bibel überhaupt als einzige verbindliche Quelle anzusehen ist. Durch den Mangel einer verbindlichen Grundlage erfüllt das Christentum nicht mal die Mindestanforderungen, um als Moralqualle wenigstens theoretisch auch nur in Frage zu kommen.
Glaube ist immer eine Bankrotterklärung an mein eigenes Handeln, Tun und Machen.
Glaube ist immer eine Bankrotterklärung an die eigene intellektuelle Redlichkeit.
Menschliches Handeln ist die Antwort auf bedingungslose göttliche Liebe?
Das, worauf es ankommt, ist zunächst einmal, was Gott tut. Seine bedingungslose Liebe zu mir ist immer das Erste! Und alles was ich tue, ist immer nur eine Antwort darauf.
Ob solche abstrusen Vorstellungen als Folge von traumatischen Kindheitserlebnissen und psychischen Problemen entstehen können (wie etwa denen, von denen Herr Olding in seinem Buch berichtet), kann ich nicht beurteilen. Trotzdem erscheint mir ein solcher Zusammenhang als plausibel.
Zumal ich mir nicht vorstellen kann, wie man sonst als erwachsener, ansonsten vermutlich aufgeklärt denkender Mensch auf solch bizarre Ideen kommen und diese ja vermutlich auch noch tatsächlich für wahr halten kann.
Wie oben schon geschrieben, genießen natürlich auch die absurdesten (Glaubens-)gewissheiten den Schutz der Gedankenfreiheit. Anhänger anderer Götter hegen mitunter mindestens genauso abgedrehte Überzeugungen wie die des Gottes, den auch Herr Olding verehrt.
Und dessen Liebe übrigens alles andere als bedingungslos ist: Wie schon in mehreren früheren Artikeln beschrieben, erfüllt die Liebe dieses Gottes den Tatbestand der Nötigung. Sie ist das genaue Gegenteil von „bedingungslos“.
Sich auf Gott einlassen – aber auf welchen?
Das, worauf es bei mir ankommt, ist zu vertrauen, an Gott zu glauben und mich auf ihn einzulassen.
Bei den über 4000 Göttern, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Herr Olding auf den „richtigen“ Gott eingelassen hat, statistisch gesehen verschwindend gering.
Er könnte dann nur hoffen, dass der „richtige“ Gott nicht so eifersüchtig, arrogant, brutal und gnadenlos denjenigen gegenüber ist, die sich nicht von ihm lieben lassen möchten, wie der, den er (sehr wahrscheinlich bedingt durch Geburtsort und -zeit) für den „richtigen“ hält.
Auf welche Götter hätte sich Herr Olding (mit mindestens der gleichen Überzeugung) wohl eingelassen, wenn er zum Beispiel in Indien geboren worden wäre? Oder auf einer abgelegenen Pazifikinsel? Was, wenn diese sehr wohl gute Taten von den Menschen verlangen würden?
Gute Taten: Folge göttlicher Liebe?
Das bedingt natürlich am Ende, dass ich anders leben und anders handeln will. Dass ich Gutes tun will. Dass ich das, was ich von Gott erfahren habe, auch anderen weitergeben möchte. Aber es ist immer erst das Zweite. Es ist nie etwas, womit ich mir, was von Gott verdienen, einhandeln oder einkaufen kann. Es ist immer die Folge dieser erfahrenen Liebe.
Was bringt Menschen, die diese Vorstellung nicht teilen dazu, „gute Taten“ zu vollbringen? Menschen, die sich nicht einbilden, sich deshalb richtig zu verhalten, weil sie von einem bestimmten Wüstengott geliebt werden, den sich Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten?
Auch eine solch bizarre (Selbst-)einschätzung bekräftigt mich in meiner Vermutung, dass vielleicht traumatische Kindheitserlebnisse und psychische Störungen zu solch irrealen, verzerrten Vorstellungen führen könnten.
Zumindest außerhalb des religiösen Kontextes hätte ein Psychologe oder Psychiater sicher allerhand weiterführende Fragen. Wenn ihm jemand erzählen würde, sein Verhalten stünde in einem Zusammenhang mit der illusorischen Liebe eines magischen Phantasiewesens.
Wobei das Festhalten an vermeintlich erkannten, aber offensichtlich absurden und irrealen Zusammenhängen auch im religiösen Umfeld zu kognitiven Verzerrungen bis hin zu Wahnvorstellungen führen kann. Auch das zählt zu den schädlichen Auswirkungen, die religiöser Glaube auf Menschen haben kann.
Abgesehen davon ist immer besondere Vorsicht geboten, wenn jemand mit einer offensichtlich realitätsfernen Weltanschauung vorgibt, „Gutes“ tun zu wollen:
Gerade Menschen, die sich bei ihrem Handeln an „Heiligen Schriften“ orientieren, haben mitunter nicht nur unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie ihr Gott das findet. Sondern auch höchst unterschiedliche Vorstellungen davon, was denn eigentlich konkret mit „Gute Taten“ gemeint sein soll.
Da kann man dann eigentlich nur froh sein, wenn es Christen bei ihren religiösen Phantasien belassen. Statt im angeblichen Auftrag und Namen ihres Gottes „gute Taten“ der Art zu tun, wie sie die rund 10.000 Buchseiten der Kriminalgeschichte des Christentums füllen. Oder die skandalöserweise quasi schon wieder zu den Akten gelegte Akten der sexuellen Gewaltverbrechen von Priestern gegen Kinder.
Ja mei, das ist halt so eine religiöse Geschmackssache, wie man es als Christenmensch in den Himmel (oder in die Hölle) schafft.
Die einen glauben an gute Taten, bei anderen – wie Herrn Olding – funktioniert es über den rechten Glauben und wieder andere – Stichwort „Prädestination“ – wissen, dass wir ohne jede eigene Einflussmöglichkeit der Gnade Gottes ausgeliefert sind. Wobei es zu jeder dieser Varianten zahlreiche Unter- und Mischvarianten gibt.
Was es dazu nicht gibt, sind sinnvolle Argumente – aber daran hat sich noch nie ein Theologe gestört. Auch nicht daran, wie viel menschliches Leid dieser ganze hirn- und moralfreie Unfug schon verursacht hat und heute noch anrichtet.