Neustart oder Reset? – Gastbeitrag zum Wort zum Sonntag

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Gastbeitrag von Hermann zum Wort zum Sonntag: Neustart oder Reset?, verkündigt von Gereon Alter (kath.), veröffentlicht am 2.5.2020 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Dem heutigen Wort zum „Wort zum Sonntag“ schickt unser Gastkommentator Hermann einige Informationen zu diesem seltsamen Überbleibsel deutscher Fernsehgeschichte voraus, bevor es – worum sonst – einmal mehr um diverse religiöse Beiträge zum Thema Corona geht.

Ein Wort vorab zum „Wort zum Sonntag“

Die Religiösen verkünden immer wieder an allen Ecken und Enden, sie hätten die großen Antworten auf die allerletzten Frage des Lebens, des Seins eines Menschen.

Die Antworten drauf sind natürlich nicht wirklich gleich, die sind immer ein wenig verschwommen, im Dunkeln gehalten. Jo, es sind nicht wirklich Antworten: Man erfindet da immer wieder Neues. Sonst würden die Antworten ja da so einfach stehen. Und man könnte sie anhand eines Abgleiches mit der Lebenswirklichkeit einer Prüfung in Sachen Plausibilität, Wahrheit und Relevanz unterziehen.

In dieser Richtung betrachtet hat „Das Wort zum Sonntag“ immer wieder mal einen sehr schönen informativen Unterhaltungswert. Aber auch einen Informationsgehalt darüber, wie die Welt der religiösen Verkünder funktioniert und was der Stand des christlichen Mainstreams ist.

Was ist das „Wort zum Sonntag“?

Die einen sagen, es ist eine Verkündungssendung, eine Missionssendung. Andere sehen darin eine Werbungssendung für das Produkt „Seelenheil“, für die christliche Ideologie. Jo, und böse Zungen sehen darin sowas wie Realsatire.

Das „Wort zum Sonntag“ ist eine fremdfinanzierte Werbesendung für den christlichen Glauben, die christliche Ideologie, die christliche Weltanschauung. Hier präsentieren Berufsgläubige der beiden großen christlichen Konfessionen ihre persönlichen Interpretationen des christlichen Glaubens.

Die Sendung ist nicht neutral gehalten oder in Form einer Diskussionsrunde gestaltet. Es handelt sich um eine vollkommen einseitig christlich-religiöse Verkündigungssendung.

Als Zuschauer hat man auch nicht wirklich eine Möglichkeit, sich da an Diskussionen direkt zu beteiligen, wie etwa in einer Diskussion oder einem Gedankenaustausch mit den Machern. Die Kommentarfunktionen zur Sendung wurde auf der Webseite der ARD abgeschaltet, die Kommentare (besonders kritische oder hinterfragende) waren offensichtlich nicht wirklich gewünscht.

Lediglich besteht die Möglichkeit, per E-Mail die Redaktion und manche der Verkünder sogar persönlich zu erreichen. Allerdings laufen solche Anfragen in der Regel auf Antworten der Kategorie „Ja, Sie glauben halt an Ihren Atheismus und ich an Gott…“ hinaus. Ein echtes Interesse an einer konkreten Auseinandersetzung mit Rückfragen ist jedenfalls nicht zu erwarten.

Das ist heute nicht wirklich als offene Möglichkeit für mögliche Diskussionen zu verstehen. Man lebt da das Abschottungsprinzip.

Das Wort zum Sonntag: Fremdfinanzierte Kirchenreklame

Andere, wie etwa Parteien, müssen für ihre Eigenwerbung und Botschaften zu ihrer ideologischen und/oder weltanschaulichen Agenda bezahlen. Die Kirche nicht.

Das Interessante dabei: Der öffentlich-rechtliche Sender trägt neben den Kosten für die Ausstrahlung auch die vollen Produktionskosten. Zuzüglich eines Honorars für den Verkünder. Zuzüglich dessen Nebenkosten.

Der Wert einer Sendung liegt bei etwa 100.000 – 120.000 Euro für die Werbeminuten, zzgl. Produktionskosten von geschätzt 10.000 Euro und eben das Verkünderhonorar in einer Größenordnung von geschätzt 800 – 1.000 Euro einschl. Spesen.

Gespartes Geld für die Kirche, auf Kosten des Gebührenzahlers. Bei 53 Sendungen Im Jahr ist das eine gesparte Summe von ca. 5.5 – 6.5 Millionen Euro.

Die christliche Religion, die christlichen Kirchen werden hier eindeutig bevorzugt behandelt. Sie werden bevorteilt. Denn sie finanzieren ihre Verkündungsbotschaft fremd.

Das ganze irritierenderweise noch unter dem Hintergrund, dass etwa christliche Werte im Heute keinerlei gesellschaftliche Relevanz mehr haben. Man kann das, was man darunter versteht persönlich leben, wenn man möchte. Oder auch nicht, sie sind nicht bindend.

Gesetze mit christlichem Wertehintergrund wurden in umfangreichem Maße abgeschafft. Gesellschaftliche Relevanz hat unser Grundgesetz, haben die Menschenrechte.
Und dahinter stecken ganz eindeutig gottlose, atheistisch formulierte Werte.

Strategie und Muster der Verkündungen

Kommen wir jetzt zur Thematik der religiösen Verkündungen im Umgang mit Krisen. Da sehen und beanspruchen die Religiösen immer wieder eine Deutungshoheit. Sie geben Krisen einen höheren Sinn.

Die Antworten der Religiösen auf die Coronakrise oder auch die Empfehlungen, die dahinter stecken, haben denn schon einen gewissen Unterhaltungswert, wie ich finde.

CORONA = STRAFE GOTTES

In einigen religiösen Milieus redet man da von einer Strafe Gottes. Ein altbekanntes Muster, das man immer wieder gerne zum Einsatz gebracht hat und eben auch heute noch bringt.

Eine Krise soll eine Strafe Gottes sein für ein Fehlverhalten des Menschen. Weil er Gottes Gebote nicht achtet, weil er sündhaft ist, weil er Böses tut.

Beispiele finden sich da in der Geschichte zu hauf. So hat etwa der „Heilige Vater“ den 2.Weltkrieg zur „Strafe Gottes“ erklärt. Die ganzen Verbrechen da, das industrielle Morden, wäre demnach als Strafe des Immerdar Währenden zu sehen.

Die große Pest in Europa: Auch eine Strafe Gottes. AIDS sollte seinerzeit auch eine Strafe Gottes sein, in Bezug der himmelschreienden Sündhaftigkeit gleichgeschlechtlicher Liebe.

Das alles soll dann den Menschen zur Besinnung bringen. Es soll den Menschen wieder auf Gott lenken, soll den Menschen wieder zum Glauben bringen. Der Umkehrgedanke zu einem gottgefälligen Leben.

CORONA = GOTT SPRICHT ZU UNS

Jo, andere sagen Gott spräche zu den Menschen durch Corona.

Eine sehr interessante Hypothese stammt von Ekkehart Vetter, Präses des Mülheimer Verbandes Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden und Erster Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz. Die Coronakrise soll demnach der Kommunikationsweg des Allmächtigen mit den Menschen sein.

Gott nutzt quasi die Coronakrise, um zu uns zu reden.

Jo, klingt lustig, wird aber tatsächlich so behauptet. Ein, wie ich finde ziemlich doofer Kommunikationsweg des Allmächtigen, eine Krise als Kommunikationsweg des Allmächtigen zu interpretieren. Warum soll Gott ausgerechnet durch Corona zu uns reden?

Hätte ein Allmächtiger da nicht viel einfachere, weniger leidvolle und damit bessere, menschlichere Kommunikationsmöglichkeiten?

Könnte Gott sich nicht einfach mal im Studio bei Anne Will & Co. persönlich zeigen und richtig ordentlich mit ALLEN, zu ALLEN reden? Dann gibt es da nicht wirklich mehr Missverständnisse, dann braucht es gar nicht dieser ganzen religiösen Verkünder, die Gottes Willen an den Mann scheinbar bringen wollen, die hier die Deutungshoheit beanspruchen.

Dann hören/sehen wir das Original. Das wäre auch sehr dienlich auch für die ganzen Gottlosen: Die wüssten dann tatsächlich, wo der Laden hinzugehen hat.

Stattdessen wird da Nebulöses verkündet:

  • „Aber will Gott angesichts Corona mit seinen Menschen reden? Ja, da bin ich sicher. Der Schriftsteller C.S. Lewis hat es so auf den Punkt gebracht: „Gott flüstert in unseren Freuden, … in unseren Schmerzen aber ruft er laut. Sie sind sein Megaphon, eine taube Welt aufzuwecken.“ Die große Verunsicherung, die dieser kleine Virus auslöst, kann doch ein Hinweis Gottes sein, dass nicht wir in dieser Welt alles unter Kontrolle haben.“
    (Quelle: ebenda)

Bei näherer Betrachtung wäre die Hypothese Krise = Kommunikationsweg Gottes auch ein Armutszeugnis für Gott und nicht viel besser einzustufen wie die Hypothese „Corona ist eine Strafe Gottes“.

CORONA = KULTUR DES TODES

Boah, dann haben wir hier noch einen richtig fetten Brocken unter den Verkündern. Den lieben Voderholzer, den Chefhirten aus Regensburg.

Seine Hypothese lautet wie folgt:

  • Corona ist eine Kultur des Todes.

Eine, wie ich finde sehr interessante Deutung. Soll heißen, der Mensch wendet sich ab von Gott. Ein Abwenden von Gott bewirkt sowas wie Corona. Sowas wie ein Betriebsunfall, indem aber tatsächlich doch auch die Strafe Gottes irgendwie versteckt dahinter steht.

Der Weg des Menschen an Gottes Seite wäre demnach Krisenfrei. Der Weg abgewandt von Gott soll Krisen verursachen.

Da predigt Voderholzer:

  • Nein, liebe Schwestern und Brüder, Gott hat das Corona-Virus nicht geschickt. Das brauchte er nicht. Der Mensch hat es sich geholt und verbreitet in einer komplexen Verbindung vieler Elemente einer „Kultur des Todes“. Und nun leiden alle, und wie so oft trifft es die Ärmsten am schlimmsten. Die Zeit der Corona-Pandemie muss uns auch zur Zeit der Gewissenserforschung werden: Welche Elemente einer „Kultur des Todes“ haben mit dazu beigetragen, diese Situation heraufzuführen? Es geht nicht darum, Schuldige zu suchen, mit dem Finger auf andere zu zeigen oder sich selbst reinzuwaschen.
    (Quelle: https://www.kath.net/news/71308)

CORONA= SENSIBILITÄT DES LEBENS ERHÖHEN

Was macht jetzt hier unser Herr Alter, der Wort-zum-Sonntag-Verkünder? Auch er versucht, Corona einen Sinn zu geben.

Von der Version „Corona ist Strafe Gottes“ distanziert er sich. Sowas vertritt man heute nicht mehr im christlichen Mainstream. Man verkündet heute einen allliebenden Gott, einen allgütigen Gott. Einen, der allen Menschen ein optionales Liebesangebot macht. Eine solche Eigenschaft passt nicht zu einem strafenden Gott, das schreckt nur ab. Das war gestern.

Corona soll Sinn machen. Die Corona-Pandemie ist dafür da, um den Menschen sensibler für das eigene Leben und für den Umgang mit den Mitmenschen zu machen.

Einfach gesagt: Auch hier soll Corona den Menschen wieder in die Spur bringen.

Warum und woher Corona kommt, das sagt er nicht, da schweigt sich Herr Alter aus. Da hat er keine Antworten drauf. Die allerletzte Frage kann oder will er nicht beantworten.

Da wäre man sehr schnell dabei, wieder den Allmächtigen in bestimmten Formen mit ins Spiel bringen zu müssen. Und dann würden die Eigenschaften des uneingeschränkt und bedingungslos liebenden Gottes wieder ad absurdum geführt.

In seiner abschließenden Einschätzung, was zu tun sei in Sachen Krise ist er aber wieder d’accord mit allen anderen Verkündern, sich Gott (oder, wie von Woelki empfohlen, wahlweise auch der Mutter des unehelichen Sohnes bzw. zweiten Drittels dieses Gottes) hinzuwenden. Wieder ein artiger Gläubiger zu werden. Sensibler zu werden für das eigene Leben und das Leben anderer. Um dadurch Gott neu zu entdecken. In Form eines Neubeginns.

Fazit:

Unterm Strich zeigen die Strategien aller Verkünder dasselbe Muster: Man gibt der Krise irgendeinen Sinn. Der Sinn soll darin bestehen, zurück zu einem gottgefälligen Leben zu finden. Dann wird alles wieder gut.

Interessant sind die Maßnahmenvorschläge der verschieden Milieus, wie man der Corona-Krise begegnen solle, wie man sie mit religiösen Mitteln bekämpfen oder sie sogar stoppen könne: Gemeinsame Gebetsaktionen wie „Deutschland betet gemeinsam„, Beten zum Allmächtigen – und Fasten. Das wird denn übergreifend von allen monotheistischen Religionen empfohlen. Mit übergreifend gleichem Ergebnis.

Andere sind sogar der Auffassung, sie könnten in ihren Gebeten mit Gottes Hilfe, zur Schau gestellt mit einem wirkungsvollen Pusten Corona jetzt einfach vertreiben. So wie der hochgradig durchgeknallte, allerdings damit auch wirtschaftlich erschreckend erfolgreiche Televangelist Kenneth Copeland.

Das ist der, der sein geschätztes Gesamtvermögen von 300 – 750 Millionen Dollar (wer kann das schon so genau sagen…) ergaunert hat, indem er seinen Schafen predigt, sie sollten keine Schätze auf Erden, sondern im Himmel sammeln.

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