Katakombenpakt 2.0 – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 7 Min.

Katakombenpakt 2.0 – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Gereon Alter, veröffentlicht am 22.8.2020 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Herr Alter erinnert an den so genannten Katakombenpakt, mit dem sich ein paar Bischöfe 1965 den Prinzipien einer „armen Kirche“ verpflichtet hatten. Auf das bischöfliche Gebaren, um das es in dieser Selbstverpflichtung vorrangig gegangen war, geht Herr Alter genausowenig ein wie auf die Frage, was denn aus dem Pakt geworden ist. Stattdessen nutzt er das Thema für einen Appell für mehr globale Gerechtigkeit, ohne jedoch stichhaltige Argumente zu liefern.

Herr Alter erinnert an den „Katakombenpakt“, bei dem sich während des 2. Vatikanischen Konzils 1965 einige Bischöfe bezüglich ihres eigenen Verhaltens den Prinzipien der „Armen Kirche“ verschrieben hatten:

Katakombenpakt: Was ist daraus geworden?

[…] Und dann haben sie [40 Bischöfe, Anm. v. mir] eine Selbstverpflichtung unterzeichnet. Keinen Appell an andere (an die Kirche, die Gesellschaft, die Andersdenkenden), sondern einen Anspruch an sich selbst: Ich, der ich dieses Dokument unterzeichne, ich selbst bin bereit, etwas zu tun. Das ist das Zweite, das mich an diesem Katakombenpakt so fasziniert: Da werden nicht bloß Forderungen gestellt, da bringen sich Menschen selbst ins Spiel und übernehmen Verantwortung.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Katakombenpakt 2.0 – Wort zum Sonntag, verkündigt von Gereon Alter, veröffentlicht am 22.8.2020 von ARD/daserste.de)

Das mit den Selbstverpflichtungen ist immer so eine Sache. Egal, ob es um Lebensmittelkennzeichnung, Abgaswerte, ordentliche Tierhaltung oder um gesellschaftlich akzeptables bischöfliches Gebaren geht.

Einer Selbstverpflichtung geht immer ein, meist systemischer Missstand voraus: Etwas ist nicht so, wie es aus guten Gründen eigentlich sein sollte. Und Instanzen, die die Macht dazu hätten, tatsächlich wirksam etwas gegen diese Missstände zu unternehmen, tun dies nicht. Die Gründe dafür werden selten genannt, lassen sich aber fast immer erahnen: Zumeist stehen andere Interessen einer wirklich wirksamen Regelung entgegen.

Wenn jemand durch die Nichteinhaltung einer Selbstverpflichtung keine Nachteile und keine Sanktionen zu befürchten hat, dann ist eine Selbstverpflichtung nicht mehr als eine Absichtserklärung.

Rückschlüsse auf katholische Missstände und Verdorbenheiten

Die Punkte, die im „Katakombenpakt“ genannt werden, erlauben aufschlussreiche Rückschlüsse auf die Missstände und Verdorbenheiten, die seinerzeit im katholischen Kirchenkonzern und unter dessen Funktionären offenbar geherrscht haben müssen:

  • Wir wollen so leben, im Blick auf Wohnung, Essen und Verkehrsmittel, wie die Menschen um uns herum.
  • Wir verzichten darauf, auch was unsere Amtskleidung angeht, als Reiche zu erscheinen.
  • Wir wollen weder Immobilien noch Mobiliar besitzen.
  • Wir lehnen es ab, mit Titeln angesprochen zu werden.
  • Wir werden jeden Eindruck vermeiden, Reiche und Mächtige zu bevorzugen.
  • Wir wollen uns vor allem den Benachteiligten und Unterentwickelten zuwenden.
  • Unsere sozialen Werke, die wir unterstützen, sollen sich auf Liebe und Gerechtigkeit gründen und Frauen und Männer in gleicher Weise im Blick haben.
  • Das Gleiche wollen wir durch unseren Einsatz bei den Verantwortlichen unserer Regierungen durchsetzen.
    (Quelle: Wikipedia)

Mein persönliches Highlight in dieser Aufstellung: „Wir werden jeden Eindruck vermeiden, Reiche und Mächtige zu bevorzugen.“

…und was daraus geworden ist

Natürlich stellt sich hier die Frage, was denn aus dieser Selbstverpflichtung geworden ist.

Zunächst ist festzustellen, dass es anfangs nur 40 und insgesamt nur rund 500 Bischöfe (von weltweit über knapp 5400, Stand 2017, Quelle: Wikipedia) waren, die diesen Pakt bis heute unterzeichnet haben.

Ob die große Mehrheit der Oberhirten vom Katakombenpakt nichts mitbekommen haben, ob sie von den darin enthaltenen Verpflichtungen nicht betroffen sind oder ob sie wissentlich und absichtlich nicht unterschrieben haben, konnte ich nicht herausfinden.

Jedenfalls ist es nur ein sehr kleiner Teil der katholischen Führungsriege, der sich mit seiner Unterschrift für das Prinzip einer „armen Kirche“, und darum geht es in diesem Pakt vorrangig, bislang ausgesprochen hat.

Ohne jetzt detailliert auf die einzelnen Punkte einzugehen, lässt sich feststellen, dass auch in diesem Fall das Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtung augenscheinlich keinen nennenswerten Erfolg vorzuweisen hat.

Natürlich mag es Bischöfe gegeben haben oder geben, die sich tatsächlich zumindest bemühen, sich an diese Regeln zu halten – ob nun freiwillig und aufrichtig, aus Kalkül oder notgedrungen.

Popanz vs. „Arme Kirche“

Schon ein kurzer Blick auf die Außendarstellung katholischer Bischöfe zeigt jedoch, dass es mit dem Vorsatz, möglichst normal und unauffällig in der Öffentlichkeit aufzutreten und sich in die Gesellschaft einzugliedern nicht weit her ist.

Wohl auch gerade das pompöse, klerikal-arrogante und wichtigtuerische Getue bischöflicher Funktionäre dürfte dazu geführt haben, dass der Begriff „Popanz“ heute vornehmlich mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht wird.

Eine kritische Analyse der damals geäußerten Absichten und deren bisheriger Umsetzung fehlt bei Herrn Alter.

Kein Wunder: Beim Thema „Arme Kirche“ werden schnell Erinnerungen wach an jene Oberhirten, die durch ihr Verhalten dieses Selbstverständnis ad absurdum geführt haben. Schon das Gebaren eines einzigen Franz-Peter Tebartz-van Elst hatte der Kirchenaustrittsstatistik einen beispiellosen Aufwärtstrend beschert.

Und inzwischen dürfte auch mehr Menschen als früher bekannt sein, dass die katholische Kirche in Deutschland (zumindest alle Diözesen in Summe betrachtet) eben nicht arm wie eine Kirchenmaus, sondern mehrere hundert Milliarden Euro schwer und damit stinkreich ist. Wie das überaus erfolgreiche Geschäftsmodell funktioniert, erklärt Carsten Frerk in diesem Beitrag.

Bekenntnis zur Armut – mit vom Staat bezahltem B10-Gehalt, geldwerten Vorteilen und vielen Privilegien

Ein wichtiger Faktor dabei ist die Fremdfinanzierung. Auf einen Umstand, der im Bezug auf die Armut von deutschen Bischöfen von maßgeblicher Bedeutung ist, geht Herr Alter ebenfalls nicht ein:

  • Die Gehälter von Bischöfen und Landesbischöfen und vielen weiteren Priestern und Pfarrern finanziert nämlich nicht etwa die Kirche aus ihren Steuereinnahmen – die finanziert in nahezu allen deutschen Bundesländern der Staat, also wir Bürger! Ausnahmen sind nur die beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Bei ungefähr 10.000 Euro Grundgehalt beginnt das. Erzbischöfe und evangelische Landesbischöfe bekommen bis zu über 13.000,00 Euro monatlich Grundgehalt, 2020 beträgt dies zum Beispiel in Bayern 13.654,43 Euro (https://www.lff.bayern.de/bezuege/besoldung/) – Gehaltsstufe B 10 beim Kardinal von München und Freising, Reinhard Marx; beim evangelischen Landesbischof von Bayern, derzeit Heinrich Bedford-Strohm, wurde die Gehaltsstufe im Jahr 2011 auf B 9 reduziert, was einem Grundgehalt von 11.600,38 € entspricht (unter anteilmäßiger Hinzurechnung des 13. Monatsgehalts sogar 14.792,30 € bzw. 12.567,08 €).
  • Und das, obwohl sie mietfrei in bester Wohnlage wohnen und über Dienstkarosse mit Chauffeur verfügen und noch weitere Zulagen erhalten. Die Eminenzen fahren S-Klasse – der sie unterhaltende Steuerzahler fährt S-Bahn.
  • Für den Bischof und alle Pfarrer und Priester gilt: Nur der ihnen geschenkte Mietwert der Dienstresidenz bzw. Pfarrerwohnung (der meist auch noch künstlich niedrig gehalten wird) wird ihnen als so genannter „geldwerter Vorteil“ bei der späteren Einkommensteuerberechnung mit angerechnet. (Quelle: stop-kirchensubventionen.de)

Unweigerlich kommt einem das Bild vom Wasser predigen und Wein saufen in den Sinn.

Abgesehen vom aufrichtigen Engagement einzelner Kirchenfunktionäre, die sich vielleicht tatsächlich zumindest bemühten oder bemühen, ihre berufliche Stellung nicht zu ihrem Vorteil auszunutzen (und ausgenommen auch jene, denen solche Vorteile und Privilegien nicht zur Verfügung stehen), hat sich am Popanz der katholischen Kirche grundsätzlich nichts geändert.

Unter anderem um dafür zu sorgen, dass sich an dieser stattlichen staatlichen Fremdfinanzierung und bischöflichen Sonderprivilegierung nichts ändert, unterhält die katholische Kirche ein beispielloses Lobbynetzwerk.

Beitrag der „armen Kirche“

Und auch im Jahr 2020 ist die katholische Kirche von einer „armen Kirche“, als die sie sich immer wieder gern ausgibt Milliardenweit entfernt. In Deutschland sind das mindestens 200 Milliarden Euro (anderen Schätzungen zufolge auch mehr als das Doppelte, so genau wissen sie das offenbar selber nicht), die die katholische Kirche von Armut entfernt ist.

[…] Wie sähe ein solcher Katakombenpakt heute aus? Innerhalb der katholischen Kirche ist er bereits neu formuliert worden. Im vergangenen Jahr, auf der sogenannten „Amazonas-Synode“. Aber dabei ging es vor allem um den Beitrag der Kirche.

Mehrfach betont Herr Alter in seiner Fernsehpredigt, dass es sich bei den im Katakombenpakt formulierten Absichten um Ich-Botschaften handelt. In diesem Sinne wäre es an dieser Stelle doch interessant gewesen, mal über den Beitrag der Kirche zu berichten:

Wie sieht dieser kirchliche Beitrag konkret aus? Auf welchen Werten basiert er? Welche Ziele verfolgt er, neben den vorgegebenen, womöglich noch? Wie, wo und von wem wird er in welchem Zeitraum in die Tat umgesetzt? Wie nachhaltig ist dieser Beitrag? Welche Rolle spielt die biblisch-christliche Mythologie für diesen Beitrag? Und vor allem: Von wem wird er tatsächlich bezahlt?

Katakombenpakt 2.0?

Stattdessen macht Herr Alter genau das, was er gleich kritsieren wird – er zeigt mit dem Finger auf Andere, genauer: Auf uns alle:

Wie sähe ein Katakombenpakt 2.0 für uns alle aus, ganz gleich welcher Glaubensgemeinschaft oder Weltanschauung wir angehören?

Er würde das heutige Elend in den Blick nehmen. Die, die in Bangladesh für unsere Billigkleidung schuften. Die sich in afrikanischen Minen mit Schwermetallen vergiften, damit unsere Handys funktionieren. Die Kinder, die anstatt zur Schule zu gehen, in einem Steinbruch oder auf einer Müllhalde arbeiten müssen. Ein Katakombenpakt 2.0 würde unterscheiden zwischen Problemen und himmelschreiendem Elend. Er würde die größte Not und das schwerste Leid in den Mittelpunkt rücken. In ganz bescheidener Weise. Ohne sich von aufgepeitschten Emotionen oder ideologischem Gedankengut leiten zu lassen. Ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen. Als Ich-Botschaft: „Ich bin bereit …“ Was könnte ein solcher Pakt nicht alles bewirken, wenn ihn nur viele unterzeichnen würden!

Gegenfrage: Was könnte allein die katholische Kirche Deutschland nicht alles bewirken, wenn sie ihr Milliardenvermögen für humanitäre Zwecke zur Verfügung stellen würde? Und zwar nicht nur im Größenbereich der Portokasse und ansonsten weitestgehend von der Allgemeinheit fremdfinanziert?

Ausgehend von der gegenwärtigen Situation erscheinen moralische Appelle oder auch Kapitalismuskritik seitens der katholischen Kirche wie eine Farce. Selbst Atheisten (die allerdings mitunter sowieso bibelfester sind als viele Christen) kommt da das biblische Bild vom Balken im eigenen Auge in den Sinn.

Die Kirche disqualifiziert sich selbst

Kirchenkritikern wird oft vorgeworfen, sie würden der Kirche „den Mund verbieten“ wollen. Das ist natürlich Unsinn. Nur können Berufschristen nicht erwarten, in Debatten um politische oder ethische Themen ernst genommen zu werden, solange sie ihre Argumentation auf ihrer religiös erweiterten Scheinwirklichkeit aufbauen. Es ist die Kirche selbst, die sich hier disqualifiziert.

Weder verfügt das Christentum über eine verbindliche und vernünftige Grundlage, um als brauchbare Moralquelle überaupt nur in Betracht kommen zu können. Noch ist ein magisch-esoterisches, theozentrisches Weltbild geeignet, um ethische Standards für ein faires und friedliches Zusasmmenleben der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert zu definieren.

Als patriarchialische und undemokratische Wahlmonarchie ist die katholische Kirche auch strukturell meilenweit von den Werten entfernt, die heute die Grundlage für eine freie und offene Gesellschaft bilden.

Der Vatikan erfüllt, neben Weißrussland, noch nicht mal die Voraussetzungen, um die Menschenrechte ratifizieren zu können (wenn er dies denn wollte).

Globale Gerechtigkeit ist ein gesellschaftliches Thema, kein religiöses

[…] Für eines bin ich besonders dankbar: dass ich seit vielen Jahren Freunde in Madagaskar habe, die zu den Ärmsten der Armen zählen und die mich immer wieder daran erinnern, wie gut es mir geht und wie wichtig es ist, sie nicht aus dem Blick zu verlieren und ihnen zu helfen.

Natürlich sei es Herrn Alter unbenommen, sich aus religiöser Motivation für mehr Gerechtigkeit einzusetzen. Für einen diesbezüglichen Appell an die Allgemeinheit könnte und müsste er aber Argumente liefern, die unabhängig von Glaubensgewissheiten und -einbildungen funktionieren.

Globale Gerechtigkeit ist ein gesellschaftliches Thema, kein religiöses. Hier sind Ethik und Politik gefragt und nicht die Kirche.

Die ist weiter von jeder Glaubwürdigkeit entfernt als je zuvor. Ausgerechnet das, was die christliche Ideologie von anderen Weltanschauungen unterscheidet, ist heute für Themen außerhalb der christlichen Phantasiewelt schlicht irrelevant geworden.

Und trotzdem ist zu befürchten, dass die Milliardenschwere finanzielle staatliche Palliativversorgung der Kirche noch auf unbestimmte Zeit weiterlaufen wird wie bisher. Damit die ihre Angestellten auch weiterhin auf Kosten der Allgemeinheit mit Kapitalismuskritik und absurden religiösen Phantasiebehauptungen ins öffentlich-rechtliche Fernsehen schicken kann.

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1 Gedanke zu „Katakombenpakt 2.0 – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Diese selbst auferlegte Armut kotzt einen wirklich an,
    soviel Reichtum an dem man sich festhalten muss; und dann noch all die Verantwortung, die damit einher geht, ist echt zum Verzweifeln!

    Wenn es denn tatsächlich zu grösseren humanitären Katastrophen kommt, dann werden halt die Spendenaufrufe lauter, eindringlicher und der Klingelbeutel wird etwas grösser genäht…

    Preiset die Armut (geistige), vor allem die der Schafe, auf dass der Hirte sich an ihnen laben möge!

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