Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Gaudete!“ – „Freuet euch!“ – 3. Advent

Lesezeit: ~ 5 Min.

Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Gaudete!“ – „Freuet euch!“ – 3. Advent, veröffentlicht am 13.12.2020 von osthessennews.de

Dass es derzeit in er realen Welt etliches gibt, das nicht gerade freudig stimmt, hat auch Herr Innenstadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda mitbekommen.

Trotzdem gibt ihm sein Kirchenkalender mit „Gaudete!“ vor, heute einen Appell zur Freude zu verbreiten. Also braucht es irgendwas Erfreuliches. Fündig wird Herr Buß in seiner religiösen Scheinwirklichkeit:

Papst Franziskus ermutigt uns allerdings, wenn er sagt: „Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen“, so beginnt sein „Apostolisches Schreiben über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute“ (2013).
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Gaudete!“ – „Freuet euch!“ – 3. Advent, veröffentlicht am 13.12.2020 von osthessennews.de)

Welche Freude?

Was konkret mit der „Freude des Evangeliums“ gemeint sein soll und woran man feststellen kann, tatsächlich Jesus begegnet zu sein, erfahren wir an dieser Stelle nicht. Vermutlich wäre es Herrn Buß auch nie in den Sinn gekommen, dass sich (oder ihm) jemand diese Fragen stellen könnte.

Ich meine, es lohnt sich über die Freude nachzudenken, gerade so kurz vor Weihnachten, vielleicht auch ein wenig üben, sich zu freuen, denn spätestens bei den Weihnachtsgeschenken müssen wir, nicht nur die leuchtenden Augen der Kinder.

Wenn ich dieses offenbar nicht vollständige Satzfragment richtig interpretiere, dann meint Herr Buß offenbar, dass wir spätestens bei den Weihnachtsgeschenken zumindest so tun müssen, als ob wir uns freuen würden.

Gaudete!

Dass das mit der „verordneten“ Freuerei nicht so der Hit ist, fällt auch Herrn Buß auf:

Aber kann man Freude üben oder gar verordnen? „Gaudete! Freut Euch! Los, wird’s bald! Gebt Euch mal ein wenig Mühe!“ ist vermutlich genauso sinnlos wie „Liebet einander!“. Freude und Liebe machen, das geht nicht, auch wenn man da umgangssprachlich mitunter anderer Ansicht ist.

Vermutlich, ja. Aber hilft ja alles nichts. Gaudete! heißt nun mal : Freut euch!

Zumindest über das Thema Liebe machen braucht man sich als zölibatär lebender katholischer Prieser freilich keine Gedanken zu machen. Und auch Paulus, den Herr Buß zitiert, hatte mit menschlicher Liebe nicht viel am Hut. Im Gegenteil. Er vertrat unter anderem die Auffassung, dass eine Ehe nur deshalb sinnvoll sei, weil dadurch die Gefahr der „Unzucht“ vermindert werden könne.

Sorgt euch um nichts, betet und fleht!

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: „Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“ (Phil 4,4-7)

So lautet die Botschaft des Apostel Paulus am dritten Advent.

  • Die Vorstellung, der „Herr“ sei „nahe“, hat sich, wie wir heute, rund 2000 Jahre später feststellen können, als Irrtum erwiesen. Ein Irrtum, dem auch der biblische Gottessohn aufgesessen war. Und dabei hätte der das doch eigentlich wissen müssen, als zweites Drittel eines allwissenden Gottes…
  • Noch kein einziger der vielen tausend Götter ist jemals nachweisbar in der irdischen Wirklichkeit in Erscheinung getreten. Weder direkt, noch indirekt. Nur in Form von (Wunsch-)vorstellungen. Innerhalb der menschlichen Phantasie.
  • Der Aufruf, sich um nichts zu sorgen und stattdessen auf göttliche Unterstützung zu hoffen, ist ebenfalls irreführend. Denn noch niemals hat irgendein Gott irgendwem irgendwie seriös nachweisbar tatsächlich geholfen.
  • Wenn ein Gott „alles Verstehen übersteigt“, dann ist es unsinnig, irgendwelche Behauptungen über Absichten oder Handlungen dieses Gottes aufzustellen. Denn sobald sich darüber irgendetwas Sinnvolles sagen lassen könnte, würde er ja nicht mehr „alles Verstehen übersteigen.“Christen haben kein Problem damit, einerseits zu behaupten, ihr Gott übersteige alles Verstehen. Und andererseits zeitgleich so zu tun, als wüssten sie, dass Gott zum Beispiel Gebete erhört und daraufhin seinen ewigen Allmachtsplan im Sinne des Bittenden ändert. Wer solche gegensätzlichen Behauptungen glaubt, der lügt sich selbst etwas in die eigene Tasche.

Paulus… who else?

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass tatsächlich Paulus selbst diesen Brief geschrieben hat.

Ja, und? Sind diese Briefe deshalb inhaltlich anders zu beurteilen als der große Teil der biblischen Texte, bei denen die Urheberschaft völlig unklar bzw. unbekannt ist? Oder auch nachweislich gefälscht, später eingefügt oder (absichtlich oder versehentlich) falsch übersetzt worden war?

Ein Umstand, der erstaunlich vielen Christen oft gar nicht bewusst zu sein scheint. Oder der zumindest ihr Vertrauen in die Glaubwürdigkeit dieser Geschichten wenigstens ein bisschen erschüttern würde. Schließlich sind ja immer die Namen der angeblichen Autoren angegeben.

Ein Appell, der kein Appell sein soll

[…] „Gaudete, Freut Euch!“ Es ist kein Appell.

Doch, natürlich. Nicht nur ein allgemeiner Appell, sondern eine direkte Aufforderung. Genauer: 2. Person Plural Präsens Imperativ Aktiv.

Daran ändert auch die Umdefinierung von Herrn Buß nichts:

Es ist ein Geschenk, eine Gnade und etwas, das man üben und damit auch erlernen kann. Es ist eine innere Haltung.

Gerade hatte Herr Buß doch noch sinngemäß festgestellt, dass man ehrliche Freude nicht „üben und damit auch erlernen“ könne. Wenn es aber um die Freude geht, die er zu verkünden hat, dann soll das jetzt plötzlich doch gehen? Weil Herr Buß das sagt?

Worüber freuen?

Eigentlich ist die Sache doch ganz einfach: Ob sich jemand über etwas freut hängt davon ab, ob er wegen etwas Freude empfindet oder nicht. Es geht also um die Frage, worüber man sich denn da eigentlich konkret freuen solle. Je klarer das ist, umso höher die Chance, dass sich jemand anderes mit der eigenen Freude darüber anstecken lässt.

Und das führt zu einer spannenden Frage, die ich schon vielen Christen in Gesprächen gestellt habe – mit einem erstaunlich breiten Spektrum an Antworten. Die Frage lautet:

  • Worin besteht deiner Meinung nach die „frohe Botschaft“ des biblisch-christlichen Glaubens?

Oft, wenn auch nicht immer, beinhalten die Antworten das Schlagwort „Erlösung.“ Jede weitere Nachfrage, wer denn konkret wen, wann, wie, warum, wie lange und wovon denn jemand erlöst haben soll, führt dann entweder zu Ratlosigkeit. Oder zu sinnfreiem theologischen Geschwurbel à la: „Gott hat den Tod überwunden!“

Die Adventszeit ist eine solche Übungszeit, wenn wir es denn zulassen, dann kann man sich freuen auch im Gefängnis wie Paulus im Philipperbrief oder bei so mancher Herausforderung des Alltags.

„Wenn wir es zulassen“ bedeutet hier soviel wie: „Wenn wir bereit sind, den genannten Grund der Freude als solchen anzuerkennen.“

Die eigene Erlösungsbedürftigkeit scheint auch unter Christen stark zurückgegangen zu sein. Zu absurd erscheint schon allein das zugrunde liegende Konzept der „Erbsünde.“ Und da hilft dann auch kein Aufruf „Gaudete!“, um für ehrlich freudige Stimmung zu sorgen.

Worüber wirklich freuen?

Worüber könnte man sich dann aber stattdessen freuen, wenn der biblische Grund zur Freude nicht nur für Glaubensfreie und Andersgläubige, sondern auch für immer mehr Christen irrelevant ist?

Wie wärs zum Beispiel mit der Freude darüber, dass wir heute unserem Schicksal weit weniger hilflos ausgeliefert sind als noch vor wenigen Jahren, Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten? Dass wir heute mehr und bessere Möglichkeiten haben, Probleme aller Art mit tatsächlich wirksamen Mitteln zu bewältigen? Weil wir heute viel mehr wissen über die Beschaffenheit und Zusammenhänge irdischer Phänomene?

Grund zu ehrlicher Freude könnte auch das Bewusstsein sein, nicht allein sein zu müssen mit dem eigenen Schicksal. Noch nie in der gesamten Menschheitsgeschichte gab es so viele Möglichkeiten, sich bei Bedarf Hilfe und Unterstützung in praktisch allen Bereichen des Lebens holen zu können.

Noch mehr Gründe zur Freude

Und selbst Leute, die sich einsam fühlen, weil sie derzeit keinen oder nur eingeschränkten direkten Kontakt zu Freunden, Bekannten oder Angehörigen haben können, können sich darüber freuen, dass ihnen heute Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen, die noch vor wenigen Jahren als völlig utopisch bezeichnet worden wären.

Wer hätte schon zum Beispiel Anfang der 1990er Jahren gedacht, dass alle Menschen, die über einen Internetanschluss verfügen, nur wenige Jahre später fast zum Nulltarif per Ton- und Bildübertragung jederzeit weltweit in Kontakt treten können? Ganz einfach, vom Kleinkind bis zum Greis?

All das sind menschliche Errungenschaften. Ganz ohne Kreuzigungen, Erlösungen, Erbsünden oder absurde Jenseitse. Und deshalb leider unbrauchbar für Berufschristen, die ja die Freude über ihren Gott verkünden müssen. Und nicht die Freude über das, was die Menschheit von sich aus geschafft hat.

Gaudete!



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1 Gedanke zu „Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Gaudete!“ – „Freuet euch!“ – 3. Advent“

  1. Zitat: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“

    Jaaa genau so will euch jeder imaginäre Gott, Diktator, Papst und Pfaffe sehen…

    Kriechend, kauernd, flehend und euch dann noch höflichst für die, hoffentlich milde ausfallende, Strafe am Ende bedanken…

    Aber nur nachdem ihr auch genug Geld gegeben habt, denn Gott ruft euch zur Armut auf (nicht seine scheinheiligen Stellvertreter)!

    Und kommt blos nicht auf die Idee darüber Nachzudenken, wieso das so ist, die Bestrafung wäre grauenvoll!!!

    Ihr wisst schon: Genesis, Baum der Weisheit, ewige Verdammnis und vor allem -DENKVERBOT-

    Antworten

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