Was tröstet? – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 7 Min.

Was tröstet? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrerin Stefanie Schardien, veröffentlicht am 23.01.21 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Für Pfarrerin Schardien ist die Hoffnung, „dass das, was ist, nicht alles ist und vor allem nicht alles bleibt“ „eines der stärksten, tröstenden Bilder im Glauben.“ Vom biblisch-christlichen Jenseitskonzept pickt sie nur das heraus, was ihr in den Kram passt, den Rest verschweigt sie.

Nachdem die Pfarrerin von verschiedenen coronabedingten Einschränkungen bei Trauerfeiern und Begräbnissen berichtet hat und davon, wie Bestatter versuchen, für die Hinterbliebenen das Beste aus der Situation zu machen, sinniert sie darüber, was für Hinterbliebene noch tröstlich sein könnte.

Kopf hoch, wird schon wieder!

Zunächst nennt sie aber erstmal eine Floskel, die sie im Gespräch mit Trauernden für wenig hilfreich hält:

Was kann Menschen sonst noch trösten? Darum geht es für mich als Pfarrerin immer, aber jetzt scheint sie noch wichtiger. Wir alle ahnen: ‚Kopf hoch, wird schon wieder!‘, das bringt nichts.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Was tröstet? – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrerin Stefanie Schardien, veröffentlicht am 23.01.21 von ARD/daserste.de)

Damit hat Frau Schardien ihr Publikum schon mal auf dem Allgemeinplatz um sich versammelt. Denn natürlich ahnen wir alle, dass dieser Spruch in den meisten Situationen, zumindest im Moment einer akuten Trauerphase wenig hilfreich sein dürfte.

Trauerbegleitung ohne Jenseitsillusionen

Ich höre erst einmal zu: Was den Verstorbenen besonders gemacht hat. Worauf er sich eigentlich noch gefreut hatte. Wo er jetzt überall fehlt. Ich schaue Fotos mit an. Ich lache mit über lustige Erinnerungen. Ich klage mit über alles Verpasste im letzten Jahr: Hätten die Enkel ihn doch Weihnachten noch einmal richtig drücken können…

Für das bis hierher von Frau Schardien beschriebene Vorgehen spielen Glaube und Religion weder der Trauernden, noch der Begleitenden eine Rolle.

Die Möglichkeit, sich in einem einfühlsam geführten Gespräch den verstorbenen Menschen nochmal in Erinnerung zu rufen und über ihn zu sprechen, können (und dürften) auch Menschen als tröstlich empfinden, deren Weltanschauungen keine Jenseitsillusionen enthalten.

Tatsächlich existieren etliche erklärende Modelle zur Trauerbegleitung. Allgemein erklärt Wikipedia den Begriff „Trauerbegleitung“ so:

  • Trauerbegleitung unterstützt Menschen bei der Bewältigung erlittener oder zu erwartender Verlusterfahrungen. Trauerbegleitung unterstützt Menschen in ihrem Prozess der Trauer durch Dasein, Mitschweigen, Zuhören sowie unterschiedliche Angebote und Methoden. Die Trauerbegleitung ist nicht mit einer ärztlichen Therapie einer Krankheit zu verwechseln, sondern kann von jedem Menschen geleistet werden, der bereit ist, sich dieser Situation zu stellen und sie mit dem Trauernden zusammen auszuhalten.
    (Quelle: Wikipedia::Trauerbegleitung)

Irgendwelche Hoffnungsversprechen zu irgendwelchen Jenseitsphantasien kommen hier nicht vor.

Frau Schardiens Märchenstunde

Anders sieht es aus, wenn man aus religiösen oder anderweitig esoterischen Überzeugungen nicht bereit oder in der Lage ist, sich mit der Einmaligkeit und Endlichkeit des Lebens abzufinden.

Eigentlich immer geht es auch um Hoffnungen: Was wohl kommt nach dem Tod? Und darum, dass etwas kommt. Wie trostlos blieben unsere Welt und unser Leben, wenn da nicht etwas Größeres warten würde. Etwas viel Größeres, in dem unser Leben ewig aufgehoben ist. Das ist für mich eines der stärksten, tröstenden Bilder im Glauben.

Meme GottesbeweisWie trostlos wäre das Leben von Gläubigen, wenn sie das unangenehme Gefühl der kognitiven Dissonanz zwischen ihren religiösen Wunschphantasien und der Faktenlage bzw. dem Nicht-Wissenkönnen aushalten müssten?

Ob nun jemand das unmenschliche biblisch-christlich-dualistische Jenseitskonzept vertritt, „Ewige Jagdgründe“, eine Reinkarnation*, ein Jenseits mit Stripperfabrik und Biervulkan, oder, wie Frau Schardien, ein nicht näher spezifiziertes und deshalb auch völlig beliebig auslegbares „viel Größeres“ Irgendwas, ändert nichts daran, dass bis heute niemand sagen kann, was mit menschlichen Persönlichkeiten nach dem Tod des zugehörigen Körpers tatsächlich geschieht.

Die einzig redliche Antwort auf die Frage, was Menschen nach ihrem Tod erwartet kann bis zum Beweis des Gegenteils nur sein: Wir wissen es (noch) nicht.

Wer, wie zum Beispiel Frau Schardien etwas anderes behauptet, lügt.

Natürlich eröffnet dieses (wohl auch noch bis auf Weiteres verlässlich vorhandene) Nichtwissen Raum für Spekulationen, Vermutungen, Phantasien und Behauptungen aller Art.

Jenseitsvorstellungen: Vermutlich so alt wie die Menschheit

Wohl schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte haben sich Menschen die unterschiedlichsten Jenseits-Szenarien ausgedacht. Bei den allermeisten Jenseitsvorstellungen käme heute wohl niemand mehr auf die Idee, diese für wahr zu halten. Umso erstaunlicher, dass es bis heute Menschen gibt, die von der Existenz eines Jenseits ausgehen, das mindestens genauso absurd und offensichtlich fiktiv ist wie jene Jenseitse, die sie zuverlässig als von Menschen erdachte Mythologie bestimmen können.

EpikurNach allem, was wir heute wissen (und das ist unvorstellbar viel mehr als das, was die Menschen wussten, die sich diese Jenseitsfiktionen (abgesehen vom Pastafari-Jenseits) ausgedacht hatten), gibt es keinen einzigen seriösen Anhaltspunkt für die Annahme, dass menschliche Persönlichkeiten auch losgelöst von einem funktionsfähigen Körper existieren können.

Der Tod ist per Definition das Ende des Lebens. Wenn ein lebender Organismus gestorben ist, haben wir es eben nicht mehr mit „Leben“ zu tun. Das folglich dann auch nicht mehr in irgendetwas „viel Größerem“ in lebendigem Zustand „ewig aufgehoben“ sein könnte.

Das ist vermutlich auch Frau Schardien eigentlich bewusst. Zumindest relativiert sie ihre Jenseitsbehauptungen erstmal wieder, indem sie sie als „Bilder im Glauben“ bezeichnet. Und „Bild“ kann als Metapher ja für alles Beliebige stehen.

Living next door to god

Dann wird es nochmal richtig interessant, wenn Frau Schardien ihre Interpretation der biblischen Jenseitsmythologie beschreibt:

Bei der Trauerfeier dann erzähle ich davon: Von dieser Hoffnung – in der Bibel: Einen neuen Himmel und eine neue Erde soll es geben, Gott wohnt nebenan, alle Tränen abgewischt, kein Tod, kein Geschrei, kein Schmerz mehr.

GottvertrauenKlar: Solange Sie es mit Menschen zu tun haben, die Ihren Glauben teilen, dann mag Ihre Interpretation der biblischen Jenseitsmythologie vielleicht tatsächlich tröstlich erscheinen. Jedenfalls, solange es den Leuten egal ist, dass Ihre kindlich-naive und vor allem einseitige Version mit der biblischen Schilderung wenn überhaupt nur sehr abstrakt zu tun hat.

An Ihrer Darstellung lässt sich die Ichzentriertheit erkennen, die monotheistische Religionen durch die Überhöhung der Zugehörigen (=“Rechtgläubigen“, „Guten“, „Erwählten“) untermauern und fördern. Sie verschweigen, dass dieses himmlische Nordkorea weder optional, noch bedingungslos in Aussicht gestellt wird.

Nur wer zu Lebzeiten in den Genuss des „richtigen“ Wasserzaubers (=Taufe) gekommen war und wessen Glaube vom allwissenden gerechten Richter nach dessen unbekannten Maßstäben als glaubwürdig anerkannt wird, der darf darauf hoffen, sich von seinem Gott die Tränchen abwischen zu lassen.

Als Berufschristin brauchen Sie sich da also erstmal keine größeren Sorgen zu machen, was Ihre persönliche himmlische Ewigkeit angeht. Denn egal, was Sie (oder auch andere getaufte und gläubige Menschen) so alles zu Lebzeiten getan und gelassen hatten – diese beiden Bedingungen erfüllen Sie ja bestimmt.

Himmlische Herrlichkeit – aber nicht für alle

(c) LECTRR
Aufkleber erhältlich bei lectrr.com

Aus Ihrer Perspektive, und wenn Sie dieses von Ihnen geschilderte Jenseits tatsächlich für irgendwie erstrebenswert halten, mag Ihnen das womöglich tatsächlich hoffnungsvoll erscheinen.

Sie müssten dabei nur damit klar kommen, dass Ihr Gott, während er sich um Ihre ewige Wellness kümmert, zeitgleich (um in Ihrer Kleinkind-Sprache zu bleiben: Ein Stockwerk tiefer) dafür sorgt, dass Menschen, die zu Lebzeiten keine oder andere Götter verehrt hatten, deswegen mit ewigen physischen und psychischen Höllenqualen bei vollem Bewusstsein dauergefoltert werden.

Wenn Sie das Märchen von der himmlischen Herrlichkeit tatsächlich für wahr halten und sogar real trauernden Menschen gegenüber eine Hoffnung darauf verbreiten, dann wäre es doch ein Zeichen von Mitmenschlichkeit, wenn Sie Ihr glaubensfreies oder andersgläubiges Publikum auch immer daran erinnern und davor warnen, was Menschen blüht, wenn sie die göttlichen Aufnahmebedingungen nicht erfüllen.

(Kein) Bewusstsein für Leiden?

Das ist für mich der große Trost im Angesicht von so viel Leiden und Sterben.

Frau Schardien, wie gehen Sie denn damit um, dass mit der von Ihnen vertriebenen und verbreiteten Hoffnung ein Leid für glaubensfreie oder andersgläubige Menschen einhergeht, das aufgrund seiner zeitlichen Unbegrenztheit noch viel brutaler, grausamer und unmenschlicher ist als jedes irdische Leid, das ja zumindest spätestens mit dem Tod endet?

Oder glauben Sie nur an die Teile der Bibel, die Ihnen angenehm oder zumindest unverfänglich erscheinen?

Falls ja, nach welchen Maßstäben und anhand welcher Werte unterscheiden Sie, woran Sie glauben und woran nicht? Was Sie verkünden? Und was Sie lieber weg lassen?

Oder ist Ihnen der Bestrafungsaspekt Ihrer Mythologie und damit das Schicksal Ihrer (nicht christlichen) Mitmenschen schlicht egal?

Teilgläubig – oder ignorant?

Meme after you dieIhre einseitig positive Darstellung lässt für mich nur zwei Schlüsse zu:

Entweder, Sie glauben nur an den angenehmen, unverfänglichen Teil. Dann frage ich Sie, warum zwar der biblische Belohnungs-, nicht aber der Bestrafungsaspekt glaub-würdig sein sollte. Das biblische Heilsversprechen bedingt die Bestrafung aller Un- und Andersgläubigen, ferner eine vorausgehende, unvorstellbar qual- und leidvolle Vernichtung des irdischen Lebens. Die Karte fürs Paradies gibts nicht einfach so geschenkt. Und es handelt sich auch nicht um ein optionales Angebot.

Oder, Sie glauben nicht nur an Ihr ewiges schmerzfreies Nachbarschaftsverhältnis mit Gott, sondern auch an die parallel und ebenfalls endlose Dauer-Höllenfolter Ihrer glaubensfreien oder andersgläubigen Mitmenschen. Und halten es aber trotzdem nicht für erforderlich, diese vor ihrem Schicksal zu warnen. Dann frage ich Sie, wie Sie das mit dem christlichen Anspruch der Nächstenliebe unter einen Hut bekommen?

Hoffnungsvoll erscheinende Wunschphantasien

Und mit allem, was ich tue, möchte ich etwas weitergeben von dieser Hoffnung: Dass das, was ist, nicht alles ist und vor allem nicht alles bleibt.

Frau Schardien, wenn Sie ein Buch ausgelesen haben, schauen Sie dann auch nach, ob die Geschichte vielleicht irgendwo zwischen Buchrücken und Umschlag noch weitergeht?

Oder schauen Sie, nachdem Sie ein belegtes Brot aufgegessen haben, auf dem leeren Teller nach, ob da vielleicht noch irgendwo ein „Nach-Brot“ ist?*

  • „Es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht“.
    Arik Brauer, Wiener Universalkünstler, gest. 24.1.21

Was ist für Sie so unerträglich an der Einsicht, dass das Leben mit dem Tod endet? Und dass man darüberhinaus und wohl auch noch bis auf Weiteres nur spekulieren und fabulieren, ansonsten aber nichts Verbindliches sagen kann?

Mit einer diffusen Hoffnung, „dass das, was ist, nicht alles ist und vor allem nicht alles bleibt“ ist es ja nicht getan. Hoffnungsvoll wird Ihre Botschaft ja erst, wenn unter den unzähligen Jenseitskonzepten, die sich Menschen schon ausgedacht haben ausgerechnet das eine zutrifft, das Sie (wenn auch nur einseitig auszugsweise) verkünden.

Was tröstet?

Das heutige „Wort zum Sonntag“ war ja mit der Frage überschrieben, was denn trösten könne.

Menschen, die gerade schon den Verlust eines Mitmenschen zu bewältigen haben auch noch mit falschen Versprechen in die Irre zu führen und ihnen zu suggerieren, es sei sinnvoll oder tröstlich, auf etwas zu hoffen, das bis zum Beweis des Gegenteils nichts anderes als eine rein menschliche Fiktion und Wunschvorstellung ist, halte ich nicht für tröstlich. Sondern für frag- und kritikwürdig.

Davon auszugehen, dass menschliche Persönlichkeiten mit dem Tod des dazugehörigen Organismus aufhören zu existieren ist nicht nur wesentlich plausibler, sondern meines Erachtens auch viel tröstlicher als alle Jenseitsfiktionen zusammen. Das bedeutet keineswegs, Menschen nicht den Raum für alle Phasen der Trauer zuzugestehen, den sie benötigen.

Gläubige mögen das freilich anders sehen und empfinden. Wer es mit der Unterscheidung von Wunsch und Wirklichkeit sowieso nicht so genau nimmt, der ist wohl auch eher empfänglich und vielleicht sogar dankbar für fiktive Jenseitshoffnungen. Und im Gegenzug bereitwillig leichtgläubig, was die Plausibilität angeht – und gerne ignorant,  was die ungerechten, unmoralischen, unmenschlichen Aspekte angeht, die diese Hoffnung (in der biblisch-christlichen Mythologie) untrennbar auch beinhaltet.

Frau Schardien, wie würden Sie wohl den Trostfaktor Ihrer hier beschriebenen Jenseitsvorstellungen einschätzen, wenn Sie zum Beispiel in einer Hindu-Familie aufgewachsen wären? Oder in einem unkontaktierten Stamm auf einer polynesischen Insel?

Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Nacht.

*Und ich wünsche hier wiedermal gute Unterhaltung mit dem oben schon zitierten, einzigartigen Gunkl zu dem verwandten Thema Wiedergeburt:

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6 Gedanken zu „Was tröstet? – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Mich würde vielmehr interessieren, wie die genaue Umsetzung funktioniert, um ins Jenseits zu kommen.
    Wie soll ich mir das konkret vorstellen? Ist das eine andere Dimension? Was erwartet mich da? Ein schöner Garten? Gibt es dort auch einen 24-Stunden Rhythmus (Tag und Nacht)? Die Existenz dort von mir, wie muss ich mir die physisch verstehen? Bin ich dann immer noch von Nahrung abhängig?
    Mag ja auch sein, dass das es aufregend ist, auf tote Verwandte und Freunde zu treffen. Nur, was kommt dann? Das müsste doch -wenn die Euphorie verflogen ist- eine gähnend-langweilige Einöde sein.

    Antworten
    • Zur Bewältigung solcher Detailfragen haben Christen verschiedene Strategien auf Lager.

      Die umfangreichen akribischen theologischen Abhandlungen zu Themen wie diesen erscheinen aus heutiger Sicht so lächerlich und albern, dass sie für die Glaubensvermittlung praktisch unbrauchbar geworden sind.

      Ein oft anzutreffendes Manöver ist das Ausweichen auf Phrasen, die bis zur Sinn- und Bedeutungslosigkeit vernebelt und verallgemeinert sind, wie zum Beispiel Frau Schardiens großes Wunsch-Irgendwas.

      Neben solcher Verschwurbelung ebenfalls beliebt ist das Abgleiten in eine Art Kleinkindsprache („Gott wohnt nebenan“) – ebenfalls immer ein Indiz dafür, dass es hier um menschliche Wunschphantasien handelt.

      Gegen eine blühende Phantasie und irrationale Wunschvorstellungen ist freilich nichts einzuwenden – dank Aufklärung und Säkularisierung sind die Gedanken heute freier denn je. Und intellektuelle Redlichkeit, Vernunft und Skepsis sind zwar feine Dinge, aber keineswegs vorgeschrieben oder verpflichtend.

      Es gibt ja sicher noch Menschen, die in der gleichen Scheinwirklichkeit unterwegs sind wie Frau Schardien und die bereit sind, deren einseitig verzerrte Interpretation der biblisch-christlichen Jenseitslehre frag- und widerspruchslos zu schlucken, weil sie ihnen tatsächlich hoffnungsvoll erscheint, weil sie als Gläubige nichts zu befürchten haben und weil ihnen das Schicksal ihrer glaubensfreien oder andersgläubigen Mitmenschen egal sein kann.

      Ebenfalls egal muss ihnen sein, dass sie dadurch eine religiöse Ideologie unnötigerweise künstlich am Leben erhalten, die es Menschen, die sich aus der Bibel all das herausholen, was Frau Schardien weglässt ermöglicht, ihre Verbrechen biblisch-christlich zu legitimieren. Ein hoher Preis für ein bisschen religiöse Realitätsflucht.

      Antworten
  2. Und nicht zu vergessen, wie mit der Drohung der Hölle, viele Menschen zum Glauben genötigt werden!
    Denn, darauf basiert letztendlich der ganze Glauben und verfolgt diese Zielsetzung!
    Sicherlich steht es jedem frei, dass zu glauben, oder auch nicht zu glauben.
    Dennoch halte ich es in manchen Bezügen für äußerst bedenklich, frei denkende Menschen von einem immerwährenden Paradies, in dem wir uns ja anscheinend in einem dauerorgasmusählichem Zustand befinden, zu vermitteln! Nicht nur, dass mit Schuld und Angst die Gegenseite (ewige Höllenqualen) aufgezeigt wird, sondern, dass es viele Menschen zu Leichtsinn verführen kann und sie dadurch ihre dieseitige Existenz für nicht relevant, ja gar für bedeutungslos erachten. Das führt dann zwangsläufig zu einer grundsätzlichen Verneinung des Lebens und zu einer Bejahung des Todes, der ohnhin unausweichlich ist! Glauben an einer Áuferstehung, hin oder her! Sterben, müssen wir trotzdem!

    Antworten
  3. Wie ich an anderer Stelle hier schon mal angemerkt habe:

    Warum müssen „Gläubige“ überhaupt getröstet werden?!
    Wenn sie wirklich an ihr „pardiesisches“ Jenseits glaubten , würden auf den Friedhöfen fröhliche, ausschweifende, festivalartige Partys veranstaltet werden!

    Antworten
  4. Die kirchlichen Vertröstungen und Hoffnungen werden eben immer mehr durchschaut und fallen so als „Wege, mit der Trauer umzugehen“ sang- und klanglos weg.
    Der kirchliche Trost im Fernsehn, wie hier wieder zu sehen, ist nichts als eine Aneinanderreihung gängiger, nichtssagender Floskeln, wie sie die Kirchen seit langen Zeiten verwenden. Die Verkündiger*innen gehen davon aus, dass durch ständige Wiederholung von leerem Gerede doch etwas davon hängenbleibt. Schon heute graust es vielen Menschen vor kirchlichen Beerdigungen wegen des Anhören-Müssens dieser, die Realität verschleiernden Plattitüden.
    Wenn schon Grabreden, dann keine Lügen und keine Märchen- es wartet nichts Größeres auf uns, und auch nicht „etwas viel Größeres“. Wer das verinnerlicht hat, lebt sein Leben gelassener. Echt hilfreich ist dabei der zitierte Gedanke von Arik Brauer, mit den beiden Ewigkeiten vor und nach dem Leben, in denen man nicht existiert. Auch Gunkl schließt wie immer sehr gekonnt das Modell der Reinkarnation aus. 😉 Und für Einstein sind die Religionen „eine Incarnation des primitiven Aberglaubens“ (Einsteins Brief an Gutkind. (Princeton, 3.1. 54)

    Antworten
    • Liebe Sybille,
      auch hier gibt es zum dem, was Du sagst, wenig hinzu zufügen!
      Die Floskelndrescherei, mag ja für manche*n hilfreich und tröstend sein.
      Nur bei genauerer Betrachtung, sind diese so weiterführend und gehaltvoll, wie Zuckerwatte!
      Schmeckt im ersten Moment gut, aber mehr auch nicht!
      Trauerbewältigung halte ich für wichtig!
      Aber bitte für mich ohne religiösen Bezug!
      Das ist auch n.M.n. Privatsache.
      Für mich wäre es wichtig, über sie/ihn zu reden, die heiteren Dinge, oder auch ein paar Anekdoten über die/den verstorbene*n zum besten zu geben.
      Das die/der jenige jetzt bei Gott im Paradies, oder an einem besseren Ort ist, damit kann ich wenig anfgangen und das wirkt auf mich, wie Grimms Märchen!

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