Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß – Der Himmelcode: Jesus Christus

Lesezeit: ~ 7 Min.

Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß – Der Himmelcode: Jesus Christus, veröffentlicht am 24.3.2021 von osthessennews.de

Darum geht es

Was tun, wenn bei nicht erhörten Gebeten der Glaubensabfall droht? Pfarrer Buß erklärt, was christlicher Glaube in Krisen zu bieten hat und warum man ihn keinesfalls aufgeben sollte.

Wir sind von Menschen enttäuscht oder manche gar von Gott: da hat man in einer brenzligen Situation gebetet wie die Weltmeister – aber es hat nichts genützt. Man hat Gott sogar einen Handel angeboten: wenn die Sache gut ausgeht, dann…. dann gehe ich wieder regelmäßiger in den Gottesdienst, dann…. Aber er ist überhaupt nicht auf den Deal eingegangen.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Buß – Der Himmelcode: Jesus Christus, veröffentlicht am 24.3.2021 von osthessennews.de)

Natürlich fällt es Gläubigen viel leichter, positive Wendungen als Beweis für die Wirksamkeit ihrer Bittgebete zu interpretieren.

Für den Fall, dass ihre Gebete nicht „erhört“ werden, bieten Religionen ihren Anhängern verschiedene Ausreden an.

Ausreden bei göttlicher Tatenlosigkeit

Das Ausbleiben von Geschehnissen, die sich als göttliche Hilfe interpretieren lassen, wird dann zum Beispiel auf die „Unergründlichkeit göttlicher Wege“ geschoben. Dafür braucht man die Vorstellung, alles, was geschehe, entspräche dem göttlichen Willen nicht aufzugeben. Selbst unerträglichem Leid kann man so einen (höheren) Sinn andichten.

Zumindest im christlichen Mainstream etwas aus der Mode gekommen ist die Interpretation einer solchen Situation als göttliche Prüfung. So etwas passt nicht mehr recht zur weit verbreiteten Wunschvorstellung von einem lieben Weichspül-Kuschelgott.

Zumindest innerhalb der einheimischen christlichen Herde praktisch komplett verschwunden ist die Interpretation, die ursprünglich vermutlich die verbreitetste war: Nicht erhörte Gebete sind Ausdruck göttlicher Strafe.

Geniale Geschäftsidee

Wohl schon seit Entstehen der ersten religiösen Kulte dürften Priester diesen Trick angewendet haben, um ihren Machtanspruch zu legitimieren. Indem sie vorgaben, die Ursache für Missernten oder sonstiges Leid zum Beispiel mit mangelnder Opferbereitschaft, mangelndem Gottvertrauen oder mangelnder Unterwerfung der einfachen Gläubigen mit dem Zorn Gottes erklären zu können.

Zum Glück konnten die Priester ihren enttäuschten Gläubigen auch gleich weiterhelfen.

Indem sie sich bereit erklärten, noch mehr Opfergaben, noch mehr Vertrauen und noch mehr Unterwerfung stellvertretend für ihre Götter von den Gläubigen entgegenzunehmen.

Sobald das Gröbste überstanden war, musste natürlich auch noch ein Dankgottesdienst anberaumt werden. Idealerweise vorsorglich mit noch mehr Opfergaben und Unterwerfung als beim letzten Mal.

Geplatzte Deals mit Göttern sind also seit tausenden von Jahren äußerst lukrative Deals – für Priester.

Verunsichert, enttäuscht, verletzt, vielleicht sogar wütend

Weil es heute selbst für engagierte Stadtpfarrer ziemlich schwierig geworden sein dürfte, Gläubigen negative Entwicklungen mit deren mangelnden Opferbereitschaft und daraus resultierender göttlicher Bestrafung zu erklären oder sie wenigstens irgendwie noch so lange bei der Stange zu halten, bis es irgendwann mal wieder aufwärts geht, zeichnet Pfarrer Buß ein düsteres Bild von dem, was einen erwartet, wenn man beginnt, Gottvertrauen aufzugeben:

Die Folge: man ist verunsichert, enttäuscht, verletzt, vielleicht sogar wütend. Der Abstand zu Gott wächst – erst ein bisschen und dann immer mehr. Keine Lust mehr zum Bibellesen, keine Lust mehr zum Gottesdienst.

Bis hierher ist diese Beschreibung sicher zutreffend: Die Befreiung von religiösen Einbildungen erfolgt selten schlagartig. Sondern sie verläuft fast immer über einen längeren Zeitraum.

Es ist kein Zufall, dass eine Ent-Täuschung fast immer negativ konnotiert ist. Weil sie eben tatsächlich fast immer zunächst mit Verunsicherung, Verletzung und Wut einhergeht.

Zur Enttäuschung, dass die Dinge nicht so gelaufen sind wie erbeten kommt bei Gläubigen außerdem noch der Effekt hinzu, wenn ihnen nach und nach ihre kognitive Dissonanz bewusst wird. Also der Nicht-Übereinstimmung der eigenen Wunschvorstellungen mit der erlebten Wirklichkeit.

Bleierne Müdigkeit auf der Seele…

Für Herrn Buß kann eine solche beginnende, schleichende Enttäuschung natürlich ausschließlich negative Folgen haben:

Die frühere Begeisterung ist weg. Eine bleierne Müdigkeit hat sich auf die Seele gelegt.

Wenn die Begeisterung für Gott schwindet, bedeutet das noch lange nicht, dass deshalb auch die Begeisterung an sich nachlässt.

Denn statt einer bleiernen Müdigkeit kann ein solcher Prozess auch das genaue Gegenteil bewirken.

In einer späteren Phase der Ent-Täuschung, wenn man erstmal die Erkenntnis verdaut hat, dass Götter nicht mehr als von Menschen zu bestimmten Zwecken erfundene Phantasievorstellungen sind, die sich redlicherweise in keinen ursächlichen Zusammenhang mit der irdischen Wirklichkeit bringen lassen können, kann genau diese Erkenntnis für ganz neue Begeisterung sorgen.

Es ist die Begeisterung darüber, dass das eigene Weltbild nicht länger mit religiösen Fiktionen verzerrt und vernebelt, sondern möglichst wirklichkeitskompatibel, intellektuell redlich und auf jeden Fall vernünftiger ist als religiöse Götter-, Erlösungs- und Jenseitsfiktionen. Und spätestens dann wird die Enttäuschung zur Ent-Täuschung.

…oder endlich frei

Meslier: BeengungDer Wegfall eines Gottes als Projektionsfläche für beliebige Wünsche, Ängste, Hoffnung und Verantwortung wird von ausnahmslos allen Glaubensaussteigern, mit denen ich mich bisher unterhalten habe, keineswegs als Verlust, sondern als Befreiung empfunden.

Selbst ehemalige Christen, die zwar noch an irgendwelche „höheren Mächte“ glauben, können sich nach ihrem Ausstieg aus dem Christentum nicht mehr vorstellen, jemals ausgerechnet an den in der Bibel geschilderten Gott geglaubt zu haben.

Nun kann es freilich nicht im Interesse eines Priesters sein, Menschen auch noch darüber zu informieren, dass die anfängliche Enttäuschung der Befreiung vom Glauben auch durchweg positive Auswirkungen haben kann.

Und so kann es kaum erstaunen, dass Pfarrer Buß nun für das Festhalten am Glauben wirbt – und zwar auch und gerade erst recht in Krisensituationen.

Wer hat Jesus geopfert?

Ausgehend von den biblischen Briefen, in denen Paulus seine glaubensmüden Gemeinden wieder auf Spur bringen wollte, bringt Stadtpfarrer Buß zur Ermutigung keinen geringeren als Jesus himself ins Spiel:

Er [Jesus, Anm. v. mir] bezahlt einzig und allein für unsere Sünden. Und er opfert nicht irgendetwas, sondern sich selbst. Als er am Kreuz für alle Menschen starb, da versöhnte er die Welt mit Gott.

Sollte damals tatsächlich ein Mensch gelebt haben, dessen Biographie zur biblischen Gottessohnlegende verarbeitet worden war, dann war er ein religiös-fundamentalistischer Rabbi und Anführer einer kleinen jüdischen Weltuntergangssekte.

Die biblische Mythologie lässt keinen eindeutigen Schluss zu, ob das vorübergehende Menschenopfer des biblischen Jesus von diesem beabsichtigt war oder nicht. Sehr zur Freude aller Theologen. Die sich seit Jahrhunderten darüber streiten können, ob Jesus als zweites Drittel des dreiteiligen allwissenden und allmächtigen Gottes natürlich gewollt und gewusst haben muss, sich mal für ein Wochenende am Kreuz zu Tode foltern zu lassen.

Oder ob seine angebliche Frage an seinen Vater, warum der ihn verlassen habe nicht eher dafür spricht, dass er offenbar bis zum Schluss davon ausgegangen sein muss, dass ihm die Kreuz-Schmerzen vielleicht doch noch erspart bleiben würden.

Sünde und Erlösung: Ein absurdes Konzept

SuendeUnklar ist auch, ob sich Herrn Buß‘ „einzig und allein“ auf Jesus oder auf „unsere Sünden“ bezieht. Aber auch das spielt zumindest außerhalb der biblischen Binnenlogik nicht die geringste Rolle.

Das Konzept der Sünde, einer Erlösungsbedürftigkeit und eine daraus resultierende Erlösung in Form eines innerfamiliären temporären Menschenopfers – all das ist nur für Menschen von Bedeutung, die an all das glauben.

Für alle anderen sind diese Vorstellungen so irrelevant und absurd, wie einem Christen vermutlich die Heilsgeschichten anderer Religionen erscheinen dürften. Wie etwa die Freude der Pastafari darüber, wenn Das Fliegende Spaghettimonster sie mit Seinen Nudeligen Anhängseln berührt.

Natürlich sei es jedem frei gestellt, zu glauben, was immer einem glaub-würdig erscheint. Problematisch wird es erst, wenn sich Gläubige einbilden, eine vermeintlich göttliche (in Wirklichkeit: priesterliche) Sündenvergebung mache sie zu besseren Menschen oder tilge die Folgen ihres Fehlverhaltens.

Denn eine göttliche Vergebung ist nichts weiter als eine womöglich angenehme, allerdings auch heuchlerische Einbildung, die lediglich das Verhältnis des Gläubigen zu seinem (durch einen Priester vertretenen) Gott betrifft.

Damit es wieder gut wird für den Menschen…

Vor dem Finale bringt Pfarrer Buß noch etwas Bibelsymbolik. Und erzählt vom Tempelvorhang, der laut biblischer Legende zerrissen sein soll, just in dem Moment, als Jesus mal kurz das Zeitliche segnete:

Eine zutiefst symbolische Bedeutung: jetzt ist der Zugang zum Allerheiligsten offen. Jetzt darf jeder einzelne den Schritt wagen in die Gegenwart Gottes. Jesus hat weggenommen, was zwischen Menschen und Gott steht. Damit es wieder gut wird für den Menschen, damit er wieder zu Gott zurückkommen kann.

Der letzte Satz entpuppt sich bei Licht betrachtet als unsinnig: Den Gläubigen geht es ja nicht deshalb schlecht, weil sie sich von Gott entfernt haben. Sondern weil sie in einer Notlage waren, wegen der sie sich mit Bittgebeten an ihren Gott gewandt hatten. Auf die dieser nicht reagiert hatte. Hier müsste also der liebe Gott mal checken, was ihn daran hindert, seiner angeblichen Eigenschaft allgütig gerecht zu werden.

Wenn sich ein Gott eine Trockennasenaffenart zu seiner Verehrung notwendigerweise absichtlich (weil allmächtig) sündhaft schöpft und sich dann seinen außerehelichen Sohn als Menschenopfer für sich selbst zu Tode foltern lassen muss, um sich wieder mit seinen Anhängern zu versöhnen, dann ist das seine Angelegenheit. Und natürlich die seines Sohnes.

Außerdem stellt sich (sollte man meinen) die Frage, wie es wohl um die Psyche (oder um das entsprechende göttliche Pendant dazu) eines solchen Gottes bestellt sein muss.

…immer einmal mehr als du

Und zum Schluss muss sogar nochmal Dietrich Bonhoeffer ran. Mit diesen Worten, die er „für alle angefochtenen Christen“ geschrieben habe:

„Wird dir deine Armut zur Versuchung – Christus war ärmer. Wird dir deine gottlose Umgebung zur Versuchung – Christus hat tiefer in dieser Umgebung gestanden. Wird dir der Wille des Fleisches zur Versuchung – Christus hat mehr an der Marter des Fleisches gelitten.

Wird dir die Einsamkeit zur Anfechtung – Christus war einsamer. Wirst du traurig über den Unglauben – Christus war trauriger. Verzweifelst du an der Gottesferne – Christus ist mit dem Verzweiflungsschrei dieser Ferne gestorben. Er war versucht wie wir, er kann wahrhaft Mitleid haben.“

Statt einer Ergänzung von Witzen nach dem Schema „Egal wie dicht du bist – Goethe war dichter“ und statt einer detaillierten Analyse dieser salbungsvollen Wortgirlanden sei hier einmal mehr auf das lesenswerte Buch: Jesus ohne Kitsch – Irrtümer und Widersprüche eines Gottessohns von Heinz-Werner Kubitza hingewiesen.

Der Himmelcode

Und dann scheint Herrn Buß noch eingefallen sein, dass er seinen heutigen Impuls ja mit „Der Himmelcode“ überschrieben hatte. Wohl deshalb kommt jetzt noch schnell der Zugangscode, der an Türen eingegeben werden muss, um Zutritt zu erhalten als Metapher dafür, was für den Gewinn des biblisch-christlichen Hauptgewinnes erforderlich ist:

[…] Dieser Code ist für alle gleich und verbindlich. Anders kommt man nicht hinein. Der himmlische Code heißt: Jesus Christus. Er ist der Himmelsöffner. „Jesus ist mein Herr und mein Gott“. Mit diesem Bekenntnis geht die Tür zum Himmel auf.

Na, wenn das mal kein überzeugendes Argument ist!

Wir erinnern uns: Ursprünglich ging es in diesem Impuls ja um die Folgen der Enttäuschung, wenn religiöse Wunschvorstellung auf irdische Wirklichkeit trifft. Also zum Beispiel, wenn Gebete nicht wie erhofft oder erwartet „erhört“ werden.

Fazit

Wer wegen nicht erhörter Gebete enttäuscht ist, darf sich als katholischer Christ das Mitleid eines ansonsten tatenlosen Gottes einbilden, der wegen des eigenen Fehlverhaltens immer noch mindestens ein Mal mehr (wenn auch nur ein paar Stunden) gelitten hatte als man selbst jemals leiden kann.

Und abgesehen davon ist es unklug, wegen ein bisschen irdischen Leidens und Enttäuschung die einzige Option auf die versprochene fiktive jenseitige Belohnung zu verspielen.

Wie lässt sich der heutige Impuls „Der Himmelcode“ in einem Wort zusammenfassen?

Ich denke: Armselig trifft es ganz gut…

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1 Gedanke zu „Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß – Der Himmelcode: Jesus Christus“

  1. „Der letzte Satz entpuppt sich bei Licht betrachtet als unsinnig: Den Gläubigen geht es ja nicht deshalb schlecht, weil sie sich von Gott entfernt haben. “
    Na ja, wenn man so die Geschichte ansieht… da wurde gerne von den Religionsführern behauptet, dass die Notlage eingetreten ist, weil sich die Menschen „von Gott entfernt haben“. Deshalb schickt Gott eine Naturkatastrophe oder eine Pandemie, um die Menschheit wieder auf den „richtigen Weg“ zu bringen. Leider ist dieser Gott (oder die Götter?) nicht sehr exakt mit seiner Bestrafung, denn von der „göttlichen Strafe“ sind ja auch Menschen betroffen, die ein durchaus „gottgefälliges Leben“ geführt haben – obwohl ein „allmächtiger Gott“ da besser zielen könnte. Das ist dann vermutlich ein göttlicher Kollateralschaden.

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