Ganz unten – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Benedikt Welter, veröffentlicht am 27.3.2021 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Pfarrer Welter hält offenbar die Vorstellung, dass Jesus toter als tot war für geeignet, um Tote und Hinterbliebene zu trösten.
Pfarrer Welter setzt sich, passend zum bevorstehenden Hochfest des christlichen Todeskultes, mit dem Thema Tod auseinander.
Er berichtet vom Suizid eines jungen Mannes aus seiner Gemeinde. Und von der Trauer der Hinterbliebenen. Außerdem erfahren die Zuschauer, dass bei Telefonberatungsstellen die Anrufe von Menschen mit Suizidgedanken zugenommen haben.
Selbstverständlich ist es wichtig und erforderlich, in der Strategie zur Bewältigung der Corona-Pandemie auch die psychischen Folgen zu berücksichtigen. Und ganz konkret die Menschen auch psychisch zu unterstützen, die jetzt Hilfe brauchen.
…wo auch der letzte Lebensfunke erlischt
Nun stellt sich die Frage, was das biblisch-christliche Glaubenskonstrukt Menschen in Krisensituationen bieten kann:
Im christlichen Glaubensbekenntnis heißt es: „ER ist hinabgestiegen in das Reich des Todes.“ Das ist mehr als Grabesruhe: Jesus geht durch das Totenreich hindurch – so haben es die frühen Christen sich vorgestellt. Er geht tiefer als nur ins Grab. Er durchdringt den tiefsten aller Abgründe. Den Abgrund der Verzweiflung. Wo auch der letzte Lebensfunke erlischt.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Ganz unten – Wort zum Sonntag, verkündigt von Benedikt Welter, veröffentlicht am 27.3.2021 von ARD/daserste.de)
Toter als tot geht nicht. Und wer seinen Tod überlebt, war per Definition nicht tot.
Niemand weiß, was Menschen erwartet, wenn ihr letzter Lebensfunke erloschen ist. Nach heutigem Stand können wir aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass da kein „Abgrund der Verzweiflung“ mehr kommt.
Wenn sich die frühen Christen das so vorgestellt haben – wie stellen sich das denn die späten Christen heute vor? Gilt diese Vorstellung heute noch? Oder gibt es neue Erkenntnisse?
Toter als tot
Dass „toter als tot“ Unsinn ist, sollte eigentlich auch Herrn Welter bewusst sein. Jedenfalls hatte er eingangs noch ein Gedicht von Mascha Kaléko zitiert. In dem heißt es:
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der andern muß man leben.
Verzweiflung setzt, wie jedes andere Empfinden auch, wohl mindestens ein hinreichend funktionierendes Gehirn eines lebendigen Menschen voraus.
Wohl nicht zufällig, sondern vermutlich absichtlich nicht ganz klar ist, auf wen sich Herr Welter hier bezieht: Geht es ihm um einen verstorbenen Menschen? Oder um dessen Hinterbliebene?
Wenn ein Mensch viel mehr als down ist, geht Jesus mit ihm – auch in diesen Abgrund und hoffentlich auch hindurch. Jesus geht mit. In und durch den Abgrund eines Menschen, der nicht mehr leben will. Diesen Abgrund nimmt er mit, diesen Abgrund nimmt er auf. Diesen Weg geht Jesus in dieser Karwoche, und das feiern die Christenmenschen: den „Abstieg“.
Mit anderen Worten: Dass der Gottessohn aus der biblischen Mythologie mal kurz und vorübergehend „toter als tot“ gewesen sein soll und deshalb Menschen, die „viel mehr als down“ sind (womit aber offenbar nicht tot gemeint ist – oder doch?) begleitet? Und der sich dabei exakt so verhält, als gäbe es ihn nicht? Das soll Menschen Trost spenden? Nach dem Motto: Egal, wie tot du bist, Jesus war toter?
Bei noch so viel Bereitschaft, hier irgendeinen Sinn erkennen zu wollen – es gelingt mir nicht.
Jesus: Angerührt, nicht geschüttelt
Jesus, ganz unten auch bei denen, die trauern und die Fragen haben, die keine Antwort finden: „Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur. Doch mit dem Tod der andern muß man leben.“ In diese Karwoche gehe ich mit Jesus, der die Abgründe durchschreitet, der sich anrühren lässt von allen Abgrundtiefen des Menschen.
Was versprechen sich Trauernde davon, wenn sich sich einbilden, eine mythologische Phantasiefiigur, hier in Form eines Gottessohnes, lasse sich von ihrem eigenen Leid anrühren?
Sätze wie der vom angerührten Jesus zeigen bei Licht betrachtet die Sinnleere solcher Aussagen. Ausgerechnet da, wo es drauf ankäme, wo alle gespannt sind, was Jesus denn jetzt konkret zur Linderung des Leides beitragen kann, wird es bis zur Bedeutungslosigkeit nebulös.
Es bleibt nichts übrig außer der auf einer absurden Behauptung beruhenden Einbildung, in schwierigen Situationen nicht allein zu sein. Und das, obwohl in Wirklichkeit, also außerhalb der menschlichen Wunschvorstellung, ja gar kein Jesus wirklich da ist.
Und sollte der Gottessohn wie hier behauptet tatsächlich am Leid von Menschen teilhaben, dann scheint ihn das trotz Allmacht und Allgüte nicht dazu zu motivieren, wenigstens für seine Anhänger mehr als eine bestenfalls hoffnungsvoll erscheinende Wunschphantasie zu sein. Mehr hat er nicht zu bieten.
Trauer, Trost – und Hassversprechen
In seinem Leben hat Jesus sicher auch den Psalm gebetet, in dem es heißt: „Auch die Finsternis ist nicht finster vor Gott, die Nacht leuchtet wie der Tag, wie das Licht wird die Finsternis…“ Kein Schmerz soll unerlöst bleiben. Karwoche so gesehen: eine Trauer- und eine Trostwoche zugleich.
Wie schon geschrieben: Was genau daran tröstlich sein soll, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Dafür, dass kein Schmerz unerlöst bleibt, sorgt der Umstand, dass jeglicher Schmerz genauso mit dem Tod endet wie jede Freude.
Und was den Schmerz von Menschen angeht,die einen geliebten Mitmenschen verloren haben: Hier sind es Menschen, die bei der Trauerbewältigung helfen können.
Wenn Jesus in seinem Leben sicher auch diesen Psalm gebetet hat, dann ja wohl auch den Teil, der im selben Psalm genauso zu finden ist. Und der zumindest in den letzten 264 „Wort zum Sonntag“-Sendungen genausowenig zitiert wurde wie in allen anderen Mainstream-Religionsverkündigungen, die mir bis heute begegnet sind.
- Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, weicht von mir!
- Sie nennen dich in böser Absicht, deine Feinde missbrauchen deinen Namen.
- Sollen mir nicht verhasst sein, HERR, die dich hassen, soll ich die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben?
Ganz und gar sind sie mir verhasst, auch mir wurden sie zu Feinden.
(Quelle: Psalm 139, 19-22 EU)
Na, was wünscht man sich mehr, als seinem lieben Gott versichern zu dürfen, dessen Feinde mindestens genauso zu hassen wie er sie hasst!? Was verbindet mehr als ein gemeinsamer Feind? Aus irgendwelchen Gründen scheint man diese starken Worte heute nicht mehr für tröstlich zu halten…
Mal Trost, mal Folter…
Da Christen das Konzept der Hölle erst später in ihre Mythologie aufgenommen hatten, bleibt es beim Psalmisten noch beim profanen Todeswunsch für alle, die nicht seinen Glauben teilen.
Er konnte ja nicht ahnen, dass sich der liebe Gott für seine Feinde noch eine viel grausamere und perfidere Methode ausdenken würde, als sie einfach nur einfach zu töten.
Wohlgemerkt: Es geht hier um den selben Gott (zumindest dem Namen nach), dessen zweites Drittel laut Herrn Welter auch mal Menschen tröstet, wenn es ihnen schlecht geht. Wenn es ihn gäbe, wäre ein solcher Gott wohl ein sadistischer Psychopath mit höchst fragwürdigen Moralvorstellungen.
Ganz unten: Was hilft tatsächlich?
Der mögliche Trost einer Realitätsflucht in religiöse (genauso auch wie in alkoholisch oder durch Drogen erzeugte) Schweinwirklichkeiten hält nur solange an, wie man willens oder in der Lage ist, diese Illusion aufrecht zu erhalten.
Wer im Leben eine schwierige oder gar ausweglos erscheinende Situation zu bewältigen hat, dem ist zu wünschen, dass er Mitmenschen hat, die für ihn da sind.
Das können Freunde oder Verwandte sein. Aber auch Menschen, die professionelle Hilfe anbieten, wenn es darum geht, Menschen in Krisensituationen zu begleiten. Und ihnen zu helfen, von ganz unten wieder hoch zu kommen.
Ob privat oder professionell: Eine Anteilnahme und Unterstützung durch echte Menschen beruht nicht auf Wunschphantasien, die so absurd sind, dass sie sich offenbar nur in völlig vernebelten Phrasen ausdrücken lassen.
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang den Umstand, dass Berufschristen wie Herr Welter zwar geradezu ins Schwärmen kommen, wenn sie darüber fabulieren, wie mitleidend ihr Jesus Menschen mit Sorgen doch allezeit begleiten würde.
In der psychologischen oder psychosozialen Notfallversorgung hingegen, also wieder da, wo es drauf an käme, spielen religiöse Wirklichkeitserweiterungen dieser Art allerdings selbst bei kirchlichen Anbietern praktisch keine Rolle (mehr).
„Mein Gott, warum hast du mich verlassen?!“- Diesen Satz schreit sich ein Gott selbst ins Gesicht, der allwissend ist…
Und dann völlig überrascht an einer Latte hängt…
Hat er denn kein bisschen Glauben an sich selbst, seine „Allgüte“, wie konnte er sich nur selbst in seiner „Allwissentheit“ so sehr täuschen?!
Sekunde: Das Ding mit der Dreifaltigkeit haben Menschen erst hunderte Jahre später erfunden, um sich ihre eigene „Wahrheit“ zu zimmern…
Von allen „guten“ Geistern verlassen…
!!!WAS FÜR EIN „HIMMELSSCHREIENDER“ BULLSHIT!!!