Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: „Gottes Geist schafft Verwandlung“, veröffentlicht am 19.5.2021 von osthessennews.de
Darum geht es
Pfarrer Buß beschreibt die zunächst unangenehmen Empfindungen, die eine Wandlung hervorrufen kann. Trotzdem hält er einen Wandel für positiv – natürlich nur, solange er seine Glaubensgewissheiten nicht zum Einstürzen bringt.
Frage hundert Katholiken: „Was ist das wichtigste in der Messe?“ Und sie werden dir antworten: „Das ist natürlich die Wandlung!“ Aber sage einhundert Katholiken: „Das Wichtigste in der Kirche, das ist dann ja die Wandlung!“ Dann werden sie Dir sagen: „Um Gottes Willen nein! Es soll alles so bleiben, wie es ist!“ Dies stammt von dem Priester und Rundfunkpfarrer Lothar Zenetti (1926–2019 aus Frankfurt/M).
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Buß: „Gottes Geist schafft Verwandlung“, veröffentlicht am 19.5.2021 von osthessennews.de)
Ob eine Wandlung im Sinne von Veränderung als positiv oder negativ wahrgenommen wird hängt maßgeblich davon ab, welche Konsequenzen eine solche Wandlung für den Betroffenen mit sich bringt: In welchem Verhältnis steht der Aufwand des Betroffenen, die Veränderung zu akzeptieren zu dem Nutzen, den der Betroffene von der Veränderung hat?
Und: Ist es der Betroffene selbst, der die Veränderung absichtlich herbeiführt? Oder sind es äußere Umstände, auf die er keinen Einfluss hat und mit denen er sich arrangieren muss?
Wandlung – ohne tatsächliche Folgen
Bezogen auf die Anekdote von Pfarrer Buß ist die unterschiedliche Wahrnehmung leicht nachvollziehbar:
Eine Verwandlung einer Backoblate vermittels eines Zauberspruches in menschliches Fleisch zum Zweck des Verspeisens bereitet gläubigen Christen keine geistige Anstrengung. Da schalten sie einfach in den Modus, der es ihnen auch ermöglicht, das Glaubensbekenntnis zu beten. Oder abstruse Kirchenlieder mitzuschmettern.
Die Fähigkeit, die christliche Wandungs-Zeremonie als absurd und widersinnig zu durchschauen (was ihnen in vergleichbaren Situationen außerhalb ihrer christlich erweiterten Vorstellungswelt meist sehr zuverlässig gelingt), hatten sie in der Regel schon seit dem Kleinkindalter abtrainiert bekommen.
Und: Verwandelt oder nicht macht hier faktisch ja keinerlei Unterschied. Man kann also folgenlos einfach so tun, als gäbe es doch einen. Das ist zwar Fürwahrhalten von falschen Behauptungen, aber das ist es nun mal, was religiöser Glaube bedeutet.
Was meiner Erfahrung aus vielen Diskussionen mit Christen zufolge Gläubigen tatsächlich viel schwerer fällt, sind Veränderungen, die sie tatsächlich auf die irdische und damit auch auf ihre eigene Wirklichkeit auswirken.
Weil gerade der Katholizismus den idealen religiösen Rahmen für konservativ-reaktionäre Weltanschauungen liefert, dürfte der Anteil an Menschen mit solchen Weltanschauungen unter den ernsthaft überzeugten Katholiken höher sein als zum Beispiel in den Mainstream-Abteilungen der katholischen oder evangelischen Kirche.
Diese Fundamentalisten wittern in jeglichen Veränderungen, die nicht zu ihrem rückwärtsgewandten Religionsverständnis passen das „Werk des Bösen“. Egal, ob es um Ökumene, einen scheinbar viel zu verweltlichten Papst, um Frauen oder um die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften geht.
Im konkreten Fall von Herrn Buß wäre ein Wandel von einer religiös vernebelten hin zu einer vernunftbasiert-humanistischen Weltanschauung eine so gravierende Veränderung, dass er vermutlich erst gar nicht auf die Idee kommt, über diesen Wandel auch nur nachzudenken, geschweige denn, sich dazu zu äußern. Dazu gleich noch mehr.
Probleme mit Wandlung: …zunächst ganz normal
Veränderungen und Neuerungen, die bringen gewohnte Sicherheiten durcheinander, und das ist unbequem, das mag man nicht, davor hat man auch ein wenig Angst. Und wenn jemand kommt und etwas anders machen möchte, anders als man das jetzt doch schon so lange gewohnt war, dann begehrt alles in einem dagegen auf. Im Grunde ist das zunächst ganz normal.
Menschliche Gehirne sind auf energieeffizienten Betrieb spezialisiert. Routinen abzuarbeiten und an Bekanntem und Vertrautem festzuhalten verbraucht weniger Energie als ständig Veränderungen zu verarbeiten.
Immer wiederkehrende Rituale sind auch im Christentum zu finden: Einen „schmerzhaften Rosenkranz“ herunterzubeten mag zwar eine Korrumpierung der eigenen intellektuellen Redlichkeit bedeuten – viel nachzudenken braucht man aber nicht mehr, wenn man den Text erstmal abgespeichert hat.
Eine weitere Fachdisziplin menschlicher Hirne ist das schnelle Erkennen von Mustern und Regelmäßigkeiten: Wird etwas zum Beispiel als schon bekannte Gefahr erkannt, kann das Gehirn Energie sparen, auf das schon vorhandene Wissen zurückgreifen und schneller reagieren, als wenn jede Situation immer wieder komplett neu analysiert und bewertet werden müsste.
Dieses Phänomen ist also tatsächlich „zunächst ganz normal.“ Die biochemischen/elektrischen Vorgänge sind medizinisch und das dadurch bedingte Empfinden und Verhalten ist psychologisch erklärbar.
Verständnis für Unverständnis
Mit diesem Wissen gelingt es Herrn Buß auch, sich in die Lage der „Juden zur Zeit der ersten Christen“ zu versetzen.
Er kann deren Probleme nachvollziehen, sich auf die aus ihrer Sicht höchst blasphemischen und ketzerischen Irrlehren eines selbsternannten Endzeit-Sektenführers einzulassen:
Deswegen verstehe ich auch ganz gut, warum die Juden zur Zeit der ersten Christen so aufgebracht und gereizt gegenüber den jungen christlichen Gemeinden reagiert haben. Vor allem, weil diese christlichen Gruppen, da plötzlich so vieles anders machten, als man das gewohnt war. Das sorgte für Unmut, denn solche Veränderungen, die mag man nicht, und das ganz besonders in den Dingen, die einem lieb und teuer geworden sind. Ich verstehe das ganz gut, mir geht es in vielem ja genauso und heute ist das bei weitem nicht anders.
Noch viel gravierender und unerträglicher als das, was die Christen vielleicht anders machten, als man das gewohnt war bei den Juden war wohl das, was Christen anders glaubten, als man das gewohnt war.
Denn ihre zahlreichen Speise- und Alltagsvorschriften brauchten Juden, die den Religionsanbieter wechseln wollten ja genausowenig aufzugeben wie die Tradition der religiös begründeten Penis-Teilamputation (hier handelt es sich um eine medizinische Beschreibung der Beschneidung und nicht um Antisemitismus).
Und umgekehrt brauchten sie ja nicht zu konvertieren. Wer sich für die Fusion von Juden und „Heiden“ zum Christentum interessiert, findet in den biblischen Paulusbriefen zahlreiche Schilderungen der Probleme, dieses Prozesses.
Neuschöpfung, die Dritte…
Nachdem Pfarrer Buß der Perspektivwechsel in diesem Fall also vorbildlich gelungen ist, kehrt er schnell zurück zu seinen eigenen Glaubensvorstellungen:
In Jesus ist Gott aber angetreten, um das Leben der Menschen, die sich ihm öffnen, zu erneuern, um es zu verwandeln, zu einer neuen Schöpfung (vgl. 2. Kor. 5,17). „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb. 21,5). Das ist gleichsam das Programm Gottes.
Ein höchst unmenschliches und perfides Programm, wie der Bibel zu entnehmen ist. Als allmächtiger und allgütiger Gott müsste er natürlich erst mal die Frage beantworten, warum er seine Schöpfung nicht gleich so geschöpft hatte, wie er sie gerne gehabt hätte.
Stattdessen nahm er den Tod fast aller Lebewesen in Kauf, als er fast alle Lebewesen (außer ein paar Prototypen, Meeresbewohnern und Bootsbesitzern) ersäufen musste, um so „alles neu“ zu machen.
Auch der zweite Nachbesserungsversuch war wieder mit viel Leid verbunden: Die Inszenierung einer, wenn auch nur vorübergehenden Todesfolterung zu seiner eigenen Befriedigung war nötig, um sich wieder mit seiner bevorzugten Trockennasenaffenart zu versöhnen.
Und auch die „Erneuerung“, die Herr Buß hier anspricht, ist laut biblisch-christlicher Mythologie wieder verbunden mit unvorstellbarem, eigens vom lieben Gott verursachten Leid. Die Qualen und Plagen, die er für seine nächste geplante Rundum-Erneuerung offenbar für unverzichtbar hält, beschreibt die „Offenbarung des Johannes“ in allen grausamen Details.
Dabei geht es wohlgemerkt um Leid empfindungsfähiger Lebewesen, das Gott vorsätzlich zu Bestrafungszwecken verursacht. Auch hier fragt man sich wieder, wie das alles zur Vorstellung eines allmächtigen und allgütigen Gott passen soll.
…der mit dem Feueratem, gewaltig und unbändig…
Dass Menschen dereinst mal selbst, also durch ihr eigenes Fehlverhalten Leid von apokalytischem Ausmaß würden erzeugen können, konnte man sich damals vermutlich einfach noch nicht vorstellen. Und deshalb muss Gott eben nochmal, wiedermal selber ran mit seinem Feueratem, mit Sturm und Feuersgluten:
Denn so heißt es in einer Liedstrophe (Kath. Gotteslob Nr. 347,4)
„der Geist des Herrn durchweht die Welt
gewaltig und unbändig;
wohin sein Feueratem fällt,
wird Gottes Reich lebendig. [….]
Einmal mehr stellt sich die Frage, die sich einst schon Abbé Meslier stellte:
- Wenn Gott persönlich nicht in der Lage war, die menschliche Natur sündenfrei zu erschaffen, welches Recht hat er dann, Menschen dafür zu bestrafen, dass sie nicht frei von Sünde sind?
(Jean Meslier, 1664-1729)
Als Sturmesbraus geoffenbart…
Und ich glaube, zu einem ganz großen Teil ist das auch das eigentliche Programm des christlichen Pfingstfestes. Das Pfingstfest sagt ganz unverblümt, dass dieser Gottesgeist, der den Menschen durch diese Zeiten führen soll, dass dieser Geist sich den Menschen als Sturmesbraus offenbart, als etwas, was durcheinanderwirbelt, gleichsam aufwirbelt.
Weil beim Pfingstfest bis heute keine kommerzielle Flankierung oder sonstige Vereinnahmung in Form von säkularen Festen (wie etwa beim Vatertag) stattgefunden hat, ist der Inhalt dieses Festes für den Großteil der Bevölkerung tatsächlich noch irrelevanter als das bei anderen relgiösen Festen der Fall ist. Das Wichtigste an Pfingsten ist wohl für den größten Teil der Bevölkerung der zusätzliche Feiertag.
A propos Sturmesbraus: Um einen aufbrausenden Geist zu feiern, wäre ein Termin im Herbst vielleicht besser geeignet gewesen als im Frühsommer… Solche Formulierungen sind immer ein Beleg für die theologische Kunst, Metaphern für etwas zu (er-)finden, das nur in der menschlichen Phantasie existiert.
Kopfschüttelnd daneben stehen
Aber nochmal zurück zum eigentlichen Thema, der Wandlung:
Sich vor dem Neuen zu verschließen, das hieße, wie viele zur Zeit des ersten Pfingstfestes, kopfschüttelnd daneben zu stehen. Gott aber will nicht, dass die Menschen stehen bleiben, er will, dass sie sich aufmachen, um sich von Gottes Geist führen zu lassen.
Götter und alles, was Götter angeblich wollen oder nicht wollen, haben sich Menschen ausgedacht.
Aus Sicht des Christentums war die Vorstellung eines erlösenden Gottessohnes tatsächlich ein Wandel gegenüber der zugrunde liegenden jüdischen Glaubensvorstellung.
Nur noch einen Gott entfernt…
Und aus atheistischer Sicht ist Pfarrer Buß nur noch einen einzigen Gott vom Atheismus entfernt.
Würde er sich eingestehen, dass Götter, Geister und Gottessöhne nur in der menschlichen Phantasie existieren, stünde er wohl genauso kopfschüttelnd neben dem letzten Pfingstfest. Dann könnte er sich aufmachen, um sich von seiner Vernunft führen zu lassen. Statt weiter an eine eingebildete Führung durch fiktive Himmelswesen zu glauben.
Gerade für einen Berufschristen hätte eine solche „Wandlung“ von einer religiös erweiterten bzw. vernebelten hin zu einer vernunftbasierten, humanistischen Weltanschauung freilich zunächst dramatische Folgen.
Und deshalb heißt es: Weiter die Zähne zusammenbeißen, das unangenehme Gefühl möglichst unterdrücken, das die kognitive Dissonanz zwischen religiösem Wunsch und irdischer Wirklichkeit erzeugen kann und einfach weiter so zu tun, als sei das Glaubenskonstrukt irgendetwas anderes als rein menschliches Wunsch- und Phantasiedenken.
Bleiern hängen die Ketten des Dogmas an den seit jahrhunderten verstaubten Kutten der selbsternannten Gottesknechte.
Und daran wird sich auch nichts ändern, solange es erlaubt, ja sogar staatlich erwünscht ist, die Geister kleiner Kinder mit diesen kruden Märchengeschichten zu vergiften!
Für einen echten Wandel: Verbot von Religionsunterricht und staatlicher Alimentierung der Kirchen!!!