Nicht an das Unrecht gewöhnen – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Nicht an das Unrecht gewöhnen mit Theologieprofessorin Julia Enxing – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Julia Enxing, veröffentlicht am 1.10.22 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Schwerter zu Pflugscharen und umgekehrt: Obwohl Frau Enxing der katholischen Kirche angehört, warnt sie davor, sich an Unrecht zu gewöhnen.

Frau Theologieprofessorin Julia Enxings Wort zum Sonntag lässt sich wieder recht kompakt zusammenfassen:

Auch wenn sie nicht direkt betroffen ist, findet Frau Enxing Krieg und andere Missstände schlecht. Sie findet: Widerstand muss sein.

Widerstand, Widerstand muss sein

Also kein tatsächlicher, aktiver Widerstand. Sondern eher Widerstand als eine Art Grundhaltung:

[…] Mahatma Ghandi wird mir zum Vorbild. Zwar sollte man – auch als Christ:in – durchaus darüber streiten, ob angesichts von Gewalt gewaltloser Widerstand per se die beste Lösung ist, aber Widerstand, Widerstand muss sein.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Nicht an das Unrecht gewöhnen mit Theologieprofessorin Julia Enxing – Wort zum Sonntag, verkündigt von Julia Enxing, veröffentlicht am 1.10.22 von ARD/daserste.de, Zit. n. https://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-tv/das-wort-zum-sonntag/das-wort-zum-sonntag-am-01102022-12749)

Mit anderen Worten: Nachdem mir bewusst geworden war, dass das mit dem Pazifismus viel einfacher ist, solange Kriege noch weit genug entfernt von mir geführt werden, stelle ich den Pazifismus zur Debatte (freilich ohne diese zu führen) und gebe mich jetzt eben als Widerstandskämpferin – ohne zu verraten, worin dieser Widerstand konkret bestehen soll.

Visionen und unglaubliche Hoffnungen

Mahatma Ghandi rief zu zivilem Ungehorsam auf. Er prangerte Unrecht an und hielt bis zuletzt an der Vision, ja an der unglaublichen Hoffnung fest, dass Frieden möglich ist.

Freiheitlich-demokratische Gesellschaften zeigen, dass und wie Frieden möglich ist.

Außer mit Visionen und unglaublichen Hoffnungen könnte man sich auch mit der Frage beschäftigen, welche Faktoren zu Frieden führen und Frieden sichern – und welche Faktoren den Frieden einzelner Gesellschaften, aber auch den Weltfrieden bedrohen, einschränken oder verhindern.

Wenn man es nicht nur bei inhaltsleeren Floskeln („Widerstand, Widerstand muss sein“, „Ghandi wird mir zum Vorbild“, „ziviler Ungehorsam“, „unglaubliche Hoffnung“,…) belassen möchte, müsste man zunächst versuchen, sich einen möglichst umfassenden und nicht ideologisch beeinträchtigten Wissensstand über das weltpolitische Geschehen zu verschaffen.

Katholische Christen: An Unrecht gewöhnt

Ich möchte mich nicht an das Unrecht gewöhnen. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der es halt einfach so zum Alltag gehört, dass Fliehende im Mittelmeer ertrinken, Kinder verhungern, Frauen getötet werden, weil sie irgendwelchen Sittengesetzen nicht gehorchen, Schwarze diskriminiert, und ein Autokrat wie Putin sein Nachbarland angreift.

Sie möchten Sich nicht an das Unrecht gewöhnen? Frau Enxing, solange Sie noch aktives Mitglied der katholischen Kirche sind und diese finanziell und durch Ausübung Ihres Berufes unterstützen, glaube ich Ihnen kein einziges Wort.

Wer heute, im Jahr 2022 noch nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, muss sich schon an so viel Unrecht gewöhnt haben, dass ich ihm oder ihr diesbezüglich geäußerte Bedenken auch in anderen Bereichen beim besten Willen nicht abnehmen kann.

Wenn Sie sich öffentlich zum Thema Unrecht äußern wollen, fangen Sie doch mal mit dem Unrecht an, mit dem Ihre Kirche unvorstellbar viel Leid verursacht hat und bis heute verursacht.

Und hier denke ich nicht nur an die tausendfachen Sexual- und Gewaltverbrechen katholischer Priester gegen Kinder. Oder an die zahllosen weiteren Verbrechen, die die katholische Kirche seit ihrem Bestehen zu verantworten hat. Und von denen sie bis heute zehrt.

Schon das biblisch-christliche Glaubenskonstrukt enthält so viel Unrecht und Unmenschlichkeit (sowohl im Alten, als auch im Neuen Testament, dort auf den Punkt gebracht in Mk 16,16), dass es von außen betrachtet unvorstellbar erscheint, sich als ansonsten aufgeklärt denkender Mensch im 21. Jahrhundert daran gewöhnen zu können. Oder genauer, in den allermeisten Fällen: Daran gewöhnt werden zu können.

Pflugscharen zu Schwertern – oder umgekehrt

[…] Der Prophet Micha berichtet uns im Alten Testament von einer starken Vision: Gott wird den Streit zwischen den Nationen schlichten. Und dann werden Schwerter zu Pflugscharen und Speere zu Winzermessern umgeschmiedet. Ja, und dann heißt es: „Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.“ (Mi 4,3b)

Und wer lieber doch Krieg führen und diesen biblisch „legitimieren“ möchte, wird in der göttlich geoffenbarten/inspirierten Heiligen Schrift natürlich genauso fündig:

  1. Schmiedet eure Pflugscharen zu Schwertern um und eure Winzermesser zu Lanzen (-spitzen)! Der Feigling sage: Ich bin ein Held! (Joel 4,10 MENG)

Gott als Streitschlichter?

Unabhängig davon, welche Relevanz die biblische Mythologie für die Wirklichkeit der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert überhaupt noch haben kann:

Frau Prof. Enxing, was genau möchten Sie mit dieser Bibelstelle zum Ausdruck bringen? Gehen Sie davon aus, dass ein bestimmter Gott, den sich Menschen in der ausgehenden Bronzezeit aus früheren Gottesvorstellungen als Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Rache-Stammes-Provinzialgott zurechtgebastelt hatte tatsächlich „den Streit zwischen den Nationen schlichten“ wird? Oder zumindest irgendwann mal tatsächlich unzweifelhaft belegbar in der irdischen Wirlichkeit als etwas anderes als eine rein menschliche Fiktion in Erscheinung treten wird?

Was genau an dieser Vision finden Sie „stark“? Ich halte sie für absurd und irrational. Eine menschliche Wunschphantasie. Geboren aus Angst, Unwissenheit und/oder hoffnungsvoller (Selbst-)täuschung.

Wer, wenn nicht wir?!

Eine schöne Vision, wenn auch schwer zu realisieren. Aber wer, wer, wenn nicht wir können sie aufrechterhalten, können uns für Gerechtigkeit einsetzen? „Sei du die Veränderung, die du dir für die Welt wünschst“, sagt Gandhi.

Wer, wenn nicht wir, Frau Enxing!?

Gerade war es doch noch Ihr Gott, der den Streit zwischen den Nationen schlichten solle. Jetzt doch nicht? Doch wieder lieber Gandhi? Ziviler Ungehorsam und Kastenwesen statt biblisches Gottesreich und himmlische Heerscharen? Was denn jetzt?

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Ihnen die Widersprüchlichkeit Ihrer Aussagen nicht auffällt. Deshalb gehe ich davon aus, dass Ihnen diese einfach egal ist. Weil die eingestreuten religiösen Aspekte für Ihre eigentliche Aussage sowieso völlig irrelevant sind. Die müssen halt sein, weil das „Wort zum Sonntag“ nun mal eine Kirchenwerbesendung ist.

Die Bezeichnung für diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Wahrheitsgehalt der eigenen Aussagen prägte der Philosoph Harry Frankfurt. Sie lautet: Bullshit.

Wirklich verloren?

Wir können ein Ende der Kriege nicht herbeizaubern, aber wir dürfen uns nicht an das Unrecht gewöhnen.

Frau Enxing, gerade haben Sie noch so getan, als könnten wir ein Ende der Kriege sehr wohl herbeizaubern – in Form eines göttlichen Eingreifens.

Denn nur, wenn wir nicht mehr auf Frieden hoffen, uns Krieg und Gewalt nicht mehr berühren, haben wir wirklich verloren.

Auch hier scheint Ihnen nicht im Ansatz bewusst zu sein, was eine solche bedeutungsschwanger-hochtrabend-theatralisch formulierte Phrase impliziert.

Stellen Sie sich mal für einen kurzen Augenblick vor, sie wären – „Gott bewahre“, wie Sie es vermutlich ausdrücken würden, – in einem beliebigen Kriegsgebiet und gerade einem Bombenangriff ausgesetzt. Da können Sie auf Frieden hoffen und von Krieg und Gewalt berührt sein wie sonst niemand auf der Welt – und wenn Sie Pech haben, haben Sie trotzdem innerhalb von Sekundenbruchteilen wirklich verloren.

Aber doch nicht, solange Sie hier in Sicherheit und Wohlstand leben! Da haben Sie höchstens intellektuell verloren, wenn Sie zudem noch darauf hoffen, dass ein Gott für Weltfrieden sorgen würde. Und dann auch noch ausgerechnet der aus der biblisch-christlichen Mythologie…

Buchtipp

Frau Enxning, interessante und vor allem vernunft- und nicht fiktionsbasierte Denkanstöße liefert Ihnen zum Beispiel Arne Kruse in seinem lesenswerten Buch: Nie wieder schwach. Wie Demokratien mit der Zivilisations-Formel frei und stark bleiben.

Spoiler: Religion ist Teil des Problems. Nicht der Lösung.

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3 Gedanken zu „Nicht an das Unrecht gewöhnen – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Wie ich es schon immer vermutet habe,
    die glauben das was sie erzählen nicht wirklich selbst.
    Erst soll nur ihr Gott in der Lage sein, die Situation zu ändern,
    dann plötzlich ist es wieder der Mensch, der Dinge verändern kann,
    jedoch wird eingeschoben, dass nur der Mensch, weil angeblich von Gott erschaffen…

    Wenns keine Menschen gäbe, gäbe es auch keine Kriege, keine Demokratie, keine Religion und vor allem KEINE GÖTTER, somit fielen auch alle Religionskriege aus!

    Ist schon seltsam, dass sich im Krieg meist beide Parteien auf den selben Gott berufen, der ihnen angeblich beisteht.
    Wie beim Münze werfen, die Seite die gewinnt, hat grundsätzlich recht und wurde wohl von Gott mehr geliebt…

    Wer Spuren von Ironie entdeckt, darf sie gerne behalten 🙂

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  2. Frau Enxing scheint entgangen zu sein, dass Putin die Ukraine auf Befehl Ihres Gottes überfallen hat. Dafür bürgt Patriarch Kyrill, Oberhaupt der russisch orthodoxen Kirche. Ich bin verwirrt: Weiß Frau Enxing mehr als Kyrill?

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  3. Religionen und Götter, sind und waren nachweislich immer eine Ursache für Krieg, niemals die Lösung!
    Die völlige Verdrehung der Tatsachen, die Sie hier verbreiteten Frau Enxing, ist im Angesicht unzähliger (Kriegs-) Opfer der Religionen, infam und widerlich.

    Sie sollten sich in Ihren nächsten Verkündigungen lieber wieder seichteren und unverfänglicheren Themen zuwenden.
    Mein Themenvorschlag für etwas völlig unverfängliches wäre mal:
    *Problem – Fußpilz
    *Einleitung – das juckt und ist unfassbar unangenehm.
    🤔😱😱 Verflixt, sowas gibt’s schon… siehe
    Sonntagsblatt
    Das Beste aus der Bibel
    Füße in der Bibel
    Von Uwe Birnstein | 28. Oktober 2012

    OK Frau Enxing, dann vielleicht:
    *Warum ist die Banane krumm
    🤔😱😱 Waaaas? Gibt’s auch schon? …… siehe
    https://pastorenstueckchen.de/2021/03/aufmerksamkeit-mit-banane/

    Aufmerksamkeit mit Banane
    26. März 2021
    Zitat:
    Es mag zunächst verstörend klingen. Aber ich habe seit kurzem eine Banane auf meiner Bibel liegen. Und das kommt so…….

    😡😡 Ok, es muss doch irgendein seichtes Probleme geben, das noch nicht…🤔
    *Problem – Ein Sack Reis ist in China umgefallen.
    „Und ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen .
    😖🤪🤪🔨💣

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