Angst vor Weihnachten – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Angst vor Weihnachten – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner (ev.), veröffentlicht am 17.12.2022 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Herrn Höners Ausführungen zum Thema Erinnerung an Verstorbene zeigen, dass religiöser Glaube auch in diesem Bereich irrelevant geworden ist.

Herr Höner verrät heute, warum er Angst vor Weihnachten hat: In diesen Tagen wird ihm der Verlust seines früh verstorbenen Vaters auch nach 21 Jahren noch besonders schmerzlich bewusst.

Seine Angst bezieht sich demnach nicht auf Weihnachten an sich. Sondern auf die Erinnerung an die Trauer um seinen verstorbenen Vater.

Der religiöse Aspekt von Weihnachten oder auch Religion an sich spielt in der heutigen Kirchensendung dann auch praktisch keine Rolle. Zumindest keine offensichtliche.

Gedenkritual

Als Beispiel, wie Gläubige mit Trauer umgehen, nennt Herr Höner die Familie Bonhoeffer. Des verstorbenen Bruders wurde hier alljährlich zu Weihnachten gedacht, indem man einen geschmückten Zweig vom Weihnachtsbaum aufs Grab legte.

Das Statement des zitierten Dietrich Bonhoeffer kommt ebenfalls ohne direkten Religionsbezug aus:

Der ältere Bruder des Verstorbenen ist der bekannte Theologe Dietrich Bonhoeffer, er sagt Jahre später: „Es gibt nichts, was die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann und man soll das auch gar nicht erst versuchen. Man muss es einfach aushalten und durchhalten. Das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein Trost. Denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden.“ So Bonhoeffer.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Angst vor Weihnachten – Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner (ev.), veröffentlicht am 17.12.2022 von ARD/daserste.de )

Darauf, dass die Vorstellung, mit den Toten „verbunden“ zu bleiben nach christlicher Auffassung etwas anderes bedeutet als die bloße Erinnerung an verstorbene Angehörige, gehen weder Bonhoeffer, noch Herr Höner ein:

Die Lücke sehen und spüren – und dabei merken, dass uns genau das, dieses Vermissen, mit den Toten verbindet.

Gemäß der allgemein verbreiteten Interpretation der biblisch-christlichen Mythologie erwartet verstorbene Gläubige ein Wiedersehen mit den anderen verstorbenen Gläubigen im „Jenseits.“

Wiedersehenshoffnung im Jenseits als Glaubensgrund

Diese Vorstellung wurde und wird mir in vielen Unterhaltungen mit Christen regelmäßig als einer der Punkte genannt, die sie an ihrem Glauben als besonders tröstlich empfinden.

Diese Wiedersehenshoffnung, so irrational und unplausibel sie bei Licht betrachtet auch sein mag ist für manche gar einer der hauptsächlichen Gründe dafür, an diesem Glauben festzuhalten.

Umso erstaunlicher finde ich es, dass diese Hoffnung, die das christliche Glaubenskonstrukt seinen Anhängern bietet für Herrn Höner überhaupt keine Rolle zu spielen scheint.

Bei ihm, und auch bei Bonhoeffer geht es lediglich darum, wie Menschen mit der Erinnerung an ihre verstorbenen Angehörigen umgehen.

Ich gehe nicht davon aus, dass Herr Höner die mit dem christlichen Jenseitsglauben verbundene Hoffnung auf ein Wiedersehen nur versehentlich vergessen hat.

Schließlich ist der Glaube an die Auferstehung der Toten ja nicht nur etwa ein von Theologen und Priestern heimlich belächelter absurder Auswuchs naiver Volksfrömmigkeit. Sondern sogar Bestandteil der Minimalanforderung an Christen, des apostolischen Glaubensbekenntnisses.

Jenseits-Vorstellungen sind irrelevant geworden

Entweder dämmert ihm, dass man die biblisch-christliche Jenseitsmythologie auch einfach komplett weglassen kann, wenn es um den Umgang mit Trauer bzw. die Erinnerung an Verstorbene geht. Das gilt auch für Rituale, mit denen Menschen ihre Erinnerung an Verstorbene wach halten.

Auch in diesem Bereich hat Religion längst nicht mehr das Monopol, wie es noch vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten der Fall war. Man kann seine verstorbenen Angehörigen, Freunde und Bekannte auch ganz ohne Religionsgedöns in liebevoller Erinnerung behalten und dies durch entsprechende Rituale zum Ausdruck bringen, wenn es einem bei der Trauerbewältigung hilft.

Falls Herr Höner den Jenseitsglauben nicht sowieso schon komplett aufgegeben hat, könnte es auch sein, dass er sich diesen schon so weit zurechtgebogen hat, dass er als Wiedersehensvertröstung sowieso nicht mehr taugen würde. Da geht es dann meistens um irgendeine abstrakte „Nähe zu Gott“. Und nicht mehr um die Vorstellung eines fröhlichen und zeitlosen „Wiedersehens“ mit allen, die auch an den „richtigen“ Gott geglaubt hatten.

Jenseitsglaube für die christliche Lehre unverzichtbar

Komplett abschaffen kann er den Jenseits- und Auferstehungsglauben freilich nicht. Weil das christliche Kartenhaus ohne diesen „Unique selling point“ ja sofort in sich zusammenfallen würde.

Diese Erkenntnis ist bereits in der Bibel zu finden:

  • Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt worden.
  • Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. […]
  • Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
    (1. Kor 15,13-14, 16 LUT)

Die Aufgabe des Jenseits- und Auferstehungsglaubens würde für das biblisch-christliche Glaubenskonstrukt einen Kollateralschaden bedeuten.

Die Herausforderung besteht deshalb darin, zu sagen, dass es dieses Jenseits und zumindest die Option auf eine Auferstehung, also konkret auf die göttlich veranlasste zeitlose Fortexistenz menschlicher Persönlichkeiten tatsächlich gibt, ohne dies jedoch so klar zu sagen und so die Absurdität dieser Vorstellung offenzulegen.

Heißer Brei und viel Rauch um nichts

Das Ergebnis sind bewusst vage gehaltene Formulierungen wie die von einer „Verbindung“ mit „den Toten.“ Was man dann sowohl ganz unverfänglich als Erinnerung interpretieren kann. Aber eben auch als esoterisch-mythologische Jenseits- und Wiedersehensvorstellung. Als eine tatsächliche, bidirektionale Verbindung zwischen der irdischen Wirklichkeit und einem geheimnisvollen „Totenreich.“ Also so, wie man es später als Basis für das Funktionieren des christlichen Heilsversprechens benötigt.

Solche bewusst schwammig und je nach Bedarf mehrdeutig interpretierbare Formulierungen wie die von der Verbundenheit mit den Toten sind in theologischen Verkündigungen an der Tagesordnung.

Es sind dies die letzten kleinen Hintertürchen, durch die Glaubensverkünder versuchen, ihre Glaubenslehre, wenn schon längst nicht mehr wie früher als einzige und absolute, weil angeblich gottgegebene Wahrheit, dann aber doch wenigstens noch als theoretisch auch nicht ganz ausschließbare Idee in die irdische Wirklichkeit zu schmuggeln versuchen. Oder, wie heute bei Herrn Höner, ins öffentlich-rechtliche Fernsehen.

Angst vor Weihnachten: Mein Fazit

Weder zur Trauerbewältigung, noch zur Erinnerung an Verstorbene – ob mit oder ohne Ritual – bedarf es noch religiösen Glaubens. Diese These bestätigt Herr Höner, indem er die religiösen Aspekte bis auf wenige vage Andeutungen einfach komplett weglässt und sich auf eine Betrachtung des rein menschlichen Verhaltens beschränkt.

Trauer ist ein sehr persönliches und individuelles Thema. Deshalb sei an dieser Stelle nur ganz allgemein daran erinnert, dass es meistens eine gute Idee ist, sich mit seinen Ängsten auseinanderzusetzen. Spätestens dann, wenn diese die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen oder im Extremfall gar die Bewältigung des Alltages erschweren. Und natürlich ist es keine Schande, dabei auch professionelle Hilfe und Begleitung in Anspruch zu nehmen.

Nach meiner persönlichen Erfahrung eignet sich eine Weltanschauung, die möglichst mit der Wirlichkeit übereinstimmt besser für einen vernünftigen und sinnvollen Umgang mit dieser Wirklichkeit, als eine Flucht in religiöse Phantasiewelten, mit der man sich höchstens eine bestenfalls hoffnungsvoll erscheinende Illusion verschaffen kann. Die allerdings auch nur so lange anhält, wie man noch daran glaubt.

Während ich mir bei solchen Verkündigungen immer die Frage stelle, ob man den Glauben dabei nicht auch einfach komplett weglassen kann, versuchen Verkündiger umgekehrt, ihren Glauben auf Teufel-komm-raus allen möglichen Themen der menschlichen Lebenswirklichkeit unterzujubeln.

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3 Gedanken zu „Angst vor Weihnachten – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Tatsächlich fällt auf, dass im WzS immer weniger „harte“ christliche Inhalte propagiert werden. Es geht zunehmend um ein verschwurbeltes, esoterisch-religiös angehauchtes Wohlfühlgerede. Kriegen die Darsteller etwa so langsam ein schlechtes Gewissen – oder geht es lediglich um die wirkungsvollste Marketingstrategie angesichts gähnend leerer Kirchen?

    Antworten
  2. Da wird der Kerl schon von nem milliardenschweren Konzern bezahlt, um für diesen Werbung zu machen und unterlässt es einfach das Hauptprodukt anzupreisen!

    Das ist ungefähr so, als ob ein hochbezahlter Spitzenfussballer
    über den Platz rennt und dabei immer wieder ruft:
    „Ich will aber vieeel lieber Minigolf spielen!!!“

    Antworten
  3. Hardcore-Katholiken würden jetzt aufschreien und verkünden:
    So wird es auch bei uns kommen, wenn man sich via synodalem Weg immer mehr den Evangelischen anbiedert. Alles wird über Bord geworfen, was 2000 Jahre lang unser fester Glaube und dogmatisch abgesichert war.

    Sei es, wie es sei: Vordergründig ist der Gedanke an ein ewiges Leben, Paradies, Jungbrunnen, 72 Jungfrauen, etc. ja durchaus attraktiv ;-), aber leider völlig unbewiesen und auch unbeweisbar.
    Daher halte ich es mit dem grossen Philosophen Ernst Bloch, den man in hohem Alter gefragt hat, was er nach seinem Tod erwarte, und er nur ganz trocken und lapidar geantwortet hat:
    „Ich bin neugierig.“
    Hat was, finde ich.
    Nur darauf baut man keine Kirche.

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