Geschenkt oder verschenkt? – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 11 Min.

Geschenkt oder verschenkt? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Stefanie Schardien, veröffentlicht am 11.03.2023 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Frau Schardien beklagt sich heute über Nicht-Kirchenmitglieder, die sie trotzdem als religiöse Zeremonienmeisterin buchen möchten – und zeigt sich dabei erwartungsgemäß großzügig.

Ladenhüter im christlichen Portfolio

Wenn schon das christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept, mit dem die Kirche so viele Jahrhunderte so erfolgreich war heute niemanden mehr hinter dem Ofen vor- bzw. in die Kirchen hineinlockt, dann gilt es, jene Angebote aus dem Portfolio zu präsentieren, mit denen man heute überhaupt noch auf Schnittstellen zur Lebenswirklichkeit einiger Menschen hoffen kann.

Mögliche Berührungspunkte auch zu nicht (mehr) religiös gebundenen Menschen finden sich noch dort, wo kirchliche Angebote in Form von Traditionen und Folklore ihre eigentliche religiöse Bedeutung überdauert haben (Beispiel: Taufe, Firmung/Konfirmation, kirchliche Trauung, diverse Segnungen, religiös begleitete Beisetzungen…).

Für alle diese Angebote, für die die Kirche historisch bedingt bis heute die Deutungshoheit und ein Quasimonopol für sich beansprucht, gibt es längst säkulare Alternativen, wie wir gleich noch sehen werden.

Ingroup – outgroup, auch heute noch

Und trotzdem gibt es auch 2023 noch (überwiegend ländliche) Regionen, in denen die Nichtteilnahme an den zu bestimmten Lebensereignissen vorgesehenen religiösen Zeremonien zu Ressentiments bis hin zur Ächtung und zum Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft führen kann.

Ich kenne zum Beispiel mittelständische Unternehmer, die nach eigener Aussage völlig glaubensfrei sind. Und die es sich aber niemals leisten könnten, sich nicht mehr als Christ-Statist beim allsonntäglichen Gottesdienst sehen zu lassen.

Ohne diesen Druck von einer Gesellschaft, für die ihrerseits überwiegend ebenfalls nur noch der Traditionsaspekt und nicht der eigentliche Glaubensinhalt im Vordergrund steht, wäre das Schrumpfen der verbliebenen Schäfchenherde sicher nochmal stärker als ohne diesen Effekt.

Und wenn es schon nicht die Dorfgemeinschaft ist, dann sind es oft genug noch die Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern, die eben nun mal erwarten, dass das Neugeborene auch ja, am besten möglichst bald nach der Geburt getauft wird.

Ich wage die Prognose, dass die Überwindung dieser Glaubensverbreitung durch vermeintliche Verpflichtungen und ein schlechtes Gewissen den vorherigen Generationen gegenüber noch einige Zeit dauern wird.

Stefanie Schardien: Kein Kirchenmitglied, keine schöne Beerdigung. Punkt.

Zum Einstieg erzählt Frau Schardien eine Anekdote aus ihrem Berufsalltag. Ein männlicher Anrufer bat sie um die Beerdigung seines gerade gestorbenen Vaters, der allerdings schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten war. Aus finanziellen Gründen, wie der Anrufer verrät.

… Aber er hatte auf jeden Fall seinen eigenen Glauben.“

(Quelle der so als ZItat gekennzeichneten Abschnitte: Geschenkt oder verschenkt? – Wort zum Sonntag, verkündigt von Stefanie Schardien, veröffentlicht am 11.03.2023 von ARD/daserste.de)

Eigener Glauben? Na, wenn das so ist… Wer kann dazu schon Nein sagen….

Die Problematik, um die es ihr dabei geht, bringt Frau Schardien so auf den Punkt:

Nein, kein ungewöhnlicher Anruf. Ich bekomme diese Anfragen gerade sogar ziemlich oft. Tendenz steigend. Eigentlich gilt: Biste nicht im Verein – biste nicht im Verein! Kein Kirchenmitglied, keine schöne Beerdigung. Punkt.

Ich halte es für völlig legitim, wenn die Kirche ihre Dienstleistungen nur für ihre zahlenden Kunden anbietet. Also, solange sie es sich noch leisten kann, Buchungsanfragen von Nicht-Kirchenmitgliedern (oder deren Angehörigen) abzulehnen. Und es sieht ja nicht danach aus, dass diese in Zukunft wieder weniger werden.

Wann ist eine Beerdigung „schön“?

Was ich allerdings scharf kritisiere, ist die sicher nicht zufällig so einseitig formulierte Darstellung von Frau Schardien, nur eine religiöse Beerdigung könne eine „schöne“ Beerdigung sein. Womit sie, ohne es direkt zu sagen, sagt, dass nicht-religiöse Beerdigungen dann eben auch nicht „schön“ seien.

Hätte sie gesagt: „Kein Kirchenmitglied, keine religiöse Beerdigung. Punkt.“ – das wäre natürlich völlig ok und es gäbe nichts einzuwenden.

Nun dürfte es aber viel mehr Menschen geben, die sich zwar eine „schöne“, aber eben gar nicht zwangsläufig religiöse Beisetzung ihrer Verstorbenen wünschen, als Menschen, die gezielt nach einer religiös begleiteten Beisetzung fragen.

Klar: Wer – aus welchen Gründen auch immer – Wert auf bestimmte religiöse Rituale legt, möge sich an den jeweiligen Anbieter wenden.

Wem es allerdings eigentlich um den Menschen und nicht um Götter geht, braucht deswegen nicht auf ergreifende, gefühlvolle und feierliche Zeremonien zu verzichten.

Wir könnten auch anders (wenn wirs uns leisten könnten)!

Ob Willkommensfest, Jugendweihe, Trauung oder Beisetzung: Für all das ist Religion längst obsolet geworden.

Damit kann Frau Schardien ihre Angebote freilich nicht bewerben. Ihr darf es ja berufsbedingt nicht um den Menschen mit dem Wunsch nach einer „schönen“ Beerdigung gehen. Sondern darum, dass es nach Möglichkeit eine religiöse Beerdigung wird.

Statt also säkulare Zeremonien als mindestens genauso feierliche Optionen für solche Menschen auch nur zu erwähnen, die sich zwar zum Beispiel eine „schöne“, aber nicht ausdrücklich eine religiöse Beerdigung wünschen, bringt sie lieber noch ein paar weitere Beispiele, mit denen sie zeigen möchte, dass das kirchliche Angebot eben doch noch nachgefragt wird:

Aber: Ist es so einfach? Eine Tochter hat mir beim ähnlichen Anruf erzählt: Es war für die Mutter eben echt finanziell supereng. Einem anderen Verstorbenen war zu Lebzeiten der alte Pfarrer mal blöd gekommen. Muss ich da konsequent bleiben?

Falls sich „finanziell supereng“ auf die Bestattungskosten bezieht: Es spielt keine Rolle, ob es bei der Mutter „eben echt finanziell supereng“ war. Denn die Bestattungskosten tragen ja die Hinterbliebenen.

„finanziell supereng“

Wer seinen Angehörigen diese finanzielle Belastung ersparen möchte, kann zum Beispiel rechtzeitig (falls möglich) mit einer so genannten Sterbegeldversicherung vorsorgen.

Und wenn die Angehörigen mittellos sind, kommt, nach einer entsprechenden Prüfung, in der Regel das Sozialamt für die Bestattungskosten auf.

Hier zeigt sich, wie man seinen Angehörigen mit sehr wenig Aufwand einen großen Gefallen tun kann: Wer seine Bestattungswünsche rechtzeitig am besten schriftlich fixiert oder zumindest seinen Angehörigen mitteilt, nimmt ihnen diese Entscheidung ab.

Entsprechende Dokumente und Formulare kann man bei bestimmten Anbietern online (z. T. auch kostenlos) erstellen.

Euer Spiel, eure Regeln

Wenn Frau Schardien nicht weiß, ob sie in bestimmten Fällen konsequent bleiben muss, könnte sie einfach ChatGPT befragen:

Die evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat in der Regel keine strikten Anforderungen an die Kirchenmitgliedschaft für Beerdigungen. In der Regel ist es möglich, dass Menschen, die keine Mitglieder der Kirche sind, in einem evangelischen Gottesdienst bestattet werden.

Allerdings gibt es einige Dinge zu beachten:

Zunächst einmal müssen die Angehörigen des Verstorbenen die Bestattung organisieren und die Kosten dafür tragen.
Wenn der Verstorbene keine konkreten Wünsche geäußert hat, wird der Pfarrer oder die Pfarrerin in Absprache mit den Angehörigen entscheiden, wie der Gottesdienst gestaltet wird. In der Regel wird dabei auf die Wünsche des Verstorbenen und der Angehörigen eingegangen.
Wenn der Verstorbene keiner Religion angehörte oder die Angehörigen sich unsicher sind, kann auch ein ökumenischer oder interreligiöser Gottesdienst stattfinden.
In einigen Fällen kann es auch vorkommen, dass die Kirchengemeinde eine Bestattung verweigert, zum Beispiel wenn der Verstorbene zu Lebzeiten gegen kirchliche Regeln verstoßen hat oder wenn es Konflikte zwischen der Kirchengemeinde und der Familie des Verstorbenen gibt. In diesen Fällen muss die Familie eine alternative Bestattung organisieren.
Insgesamt ist die evangelische Kirche in Deutschland bemüht, den Wünschen der Angehörigen und des Verstorbenen gerecht zu werden und eine würdevolle Bestattung zu ermöglichen, unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft.

(ChatGPT auf die Frage, wie die EKD Beerdigungen von Nicht-Kirchenmitgliedern handhabt)

Die evangelische Kirche scheint weniger Wert auf die religiösen Aspekte zu legen als die katholischen Glaubensbrüder.

Wenn Letztere zum Beispiel bei einem Trauergottesdienst die Anwesenheit von Nicht-Katholiken dulden, dann dürfen diese nicht an der Verspeisung der in Menschenfleisch verwandelten Oblate teilnehmen und auch keinen Segen erhalten. Wie grotesk und lächerlich man das auch finden mag – kritisieren kann man es nicht: Euer Spiel, eure Regeln.

Wer kann dazu schon Nein sagen?

Ich frage die Angehörigen natürlich immer, was die Verstorbenen selbst eigentlich sagen würden, dass ich als Pfarrerin plötzlich am Grab stehe. Ein Sohn meinte: Wissen Sie, meiner Mutter wäre das vermutlich echt egal. Aber mir, mir ist das irgendwie wichtig. Das ist für mich sonst keine richtige Beerdigung. Mit allen, die da kommen. Wir brauchen doch einen würdigen Abschied. Sollte ich da Nein sagen?

Diesem Anrufer scheint nicht bekannt oder bewusst gewesen zu sein, dass heutzutage ein würdiger Abschied auch ganz ohne christliche Magie und religiöse Esoterik sehr gut – und sehr würdig – möglich ist.

Ich habe den Eindruck, dass die Kirchen nach wie vor von ihrer jahrhundertelangen Quasimonopol-Stellung zehren, was Zeremonien dieser Art angeht.

Während einige säkulare Zeremonien wie etwa die Jugendweihe schon eine weit über 100jährige Tradition haben (die DDR hatte sich dieses Fest nur für ihre ideologischen Zwecke vereinnahmt), wurden die säkularen Versionen anderer Rituale und Feste erst in den letzten Jahren oder Jahrzehnten allgemein bekannt – und anerkannt.

Abgesehen freilich von Christinnen und Christen, die die Glaubensinhalte und Dogmen ihrer Religion noch ernst nehmen. Aber die sind in anderen Verkündigungssendungen zu sehen als im „Wort zum Sonntag.“

Online finden sich jede Menge Vorschläge für die Gestaltung aller möglichen gottlosen Festivitäten – und die passenden Anbieter gleich dazu.

Ob Willkommensfeier statt Taufe, Jugendweihe statt Firmung/Konfirmation, religionsfreie Hochzeitszeremonie statt kirchlicher Trauung oder säkular-humanistische Bestattungsfeier mit einem freien Trauerredner statt religiöser Realitätsflucht – es gibt hier inzwischen nichts mehr, was es noch nicht gibt.

Mimimimi auf höchstem Niveau

Nur was soll ich tun? Da treten die Menschen zu tausenden aus. Aber dann sollen wir wieder als Pfarrerinnen zur Verfügung stehen. Von irgendwoher muss doch die Arbeit der Kirche finanziert werden?

Vorab: Dieses theadralisch-scheinheilige Gejammer wegen zurückgehender Einnahmen klingt in Anbetracht der geschätzt jeweils dreistelligen Milliardenguthaben der beiden christlichen Kirchen für mich wie zynische Heuchelei.

Zumal die Kirchensteuererträge auch trotz stetig sinkender Mitgliederzahlen den Coronabedingten Rückgang dank ihrer Koppelung an das Wirtschaftswachstum schnell wieder aufgeholt haben werden (Hervorhebungen von mir):

Sofern es zu einer wirtschaftlichen Erholung im Verlauf der zweiten Jahreshälfte kommt, die im Jahr 2022 zunehmend an Kraft gewinnen wird, sieht die Perspektive für die Kirchenfinanzen zumindest etwas besser aus. Die Kirchensteuereinnahmen erreichen trotz eines weiterhin zu erwartenden Mitgliederrückgangs voraussichtlich im Jahr 2022 wieder das Vorkrisenniveau. In realen Größen, also kaufkraftbereinigt, werden die Steuereinnahmen erst im Jahr 2025 wieder dem Wert des Jahres 2019 entsprechen (Abbildung). Bis dahin steigt das nominale Aufkommen der Kirchensteuer auf schätzungsweise knapp 14 Milliarden Euro.

(Quelle: Tobias Hinze am 31.3.21 via iwkoeln.de: Kirchensteuereinnahmen: Erholung in Sicht)

Einfach nochmal durchkalkulieren…

Aber zurück zur rhetorischen Frage von Frau Schardien:

Was spricht denn dagegen, bei religiös-zeremoniellen Dienstleistungen einfach einen günstigeren Preis für (zahlende) Mitglieder und einen höheren Preis für Nicht-Mitglieder festzusetzen?

Ach so – man will die Nicht-Mitglieder (oder ihre Angehörigen) nicht vergraulen? Und schreibt die entgangenen Einnahmen lieber als Werbekosten ab? Klingt plausibel, aber dann braucht man sich auch nicht über etwas zu beklagen, was man jederzeit selbst durch eine Neukalkulation beheben könnte.

Wenn die Leute zu tausenden aus der Kirche austreten, dann erscheint es mir wenig plausibel, dass diese Leute gesteigerten Wert darauf legen, dass ihre Feierbegleitung religiöser Natur sein muss.

Eine Betätigung zum Beispiel als „freie/r Trauerredner/in“ könnte ein sehr gutes Betätigungsfeld für Menschen werden, die in diesem Bereich schon Vorerfahrung aus einer religiösen beruflichen Laufbahn mitbringen. Beim Ausstieg aus der Religionsbranche hilft clergyproject.de.

Der Fall Lindner

Meinen Kolleginnen und Kollegen geht’s da ganz ähnlich. Und alle stehen wir vor der Frage: Was tun? Zum Beispiel bei der Hochzeit von Christian Lindner und seiner Frau. Das Thema hat letzten Sommer viele richtig empört. „Moment, wir zahlen hier brav Kirchensteuer. Und die sparen sich die Kohle und bekommen die Trauung einfach so?“ Ja, das fühlt sich ungerecht an. Auch wenn man sich mit dem Mitgliedsbeitrag in einer Kirche natürlich nicht einfach seine eigene Trauung „erkauft“.

Wie schon geschrieben: Sollte das Nicht-Kirchenmitglied Lindner „nur“ das Gleiche an die Kirche gezahlt haben wie ein Schäfchen, das sein Leben lang brav die Kirchensteuer vom Staat einziehen lässt, dann sollte die Kirche einfach mal ihre Kalkulation überdenken. Wobei im Fall Lindner freilich auch der Wert des PR-Effektes eingepreist werden muss.

Ich möchte ja fast wetten, dass Frau Schardien den Fall Lindner gleich noch als Beleg für die Relevanz ihrer Segnerei vorbringen wird…

Ich frag mich: Warum möchten Menschen bei solchen Ereignissen eigentlich Gottes Segen?

Das frag ich mich auch. Genauer frage ich mich, ob es tatsächlich ein göttlicher Segen ist, den sich Menschen erhoffen, wenn sie die Dienstleistungen religiöser Zeremonienmeister in Anspruch nehmen.

Worum geht`s?

Es geht um das Ritual, das ganz schön wäre. Es geht aber auch um den Wunsch nach Segen.

Das wage ich, zumindest in dieser Pauschalität, zu bezweifeln. Für einen Menschen, der nicht an einen Gott glaubt, kann ein Segen sicher nicht die Bedeutung haben, die er für jemanden haben muss, der darin mehr sieht als eine nette, symbolische Geste.

Frau Schardien geht es offenbar ähnlich. Jedenfalls liefert sie ein konkretes Beispiel hinterher:

Bei Taufen besonders: „Also, meine Frau und ich, wir haben es ja jetzt nicht so mit Kirche und Glauben. Aber würden Sie unsere kleine Tochter taufen? Das wär uns irgendwie wichtig, dass sie behütet ist.“ Mich wundert – und freut das.

Sie freut das, Frau Schardien? Behüten Sie dieses Kind? Vermutlich nicht. Genausowenig wie Ihr Gott.

…irgendwie wichtig?

Freuen können Sie sich darüber, dass Sie es wiedermal mit Eltern zu tun haben, die Ihnen das Märchen vom lieben Gott, der (getaufte) Kinder behütet noch abkauft, obwohl sie selbst gar nicht (mehr) an diesen Gott glauben.

Verantwortungsbewussten Eltern ist es nicht „irgendwie“, sondern „ganz besonders“ wichtig, dass ihr Kind geschützt vor Gefahren aufwächst.

Netzfund
Quelle: Netzfund

Solange sie noch meinen, der Gott, in dessen Glaubensgemeinschaft sie vermutlich mal hineingeboren oder in der sie sozialisiert worden waren, sei der richtige Adressat für den Schutz ihres Kindes, hat der Trick mit der Legende von der christlichen Moral auch bei ihnen noch funktioniert.

Vermutlich kann es sich auch irgendwie beruhigend anfühlen, wenn man ein bisschen der eigenen Behütungsverantwortung an eine höhere, wenn auch nur imaginäre Entität abgeben kann. Dafür kann man schon mal die eigene intellektuelle Redlichkeit korrumpieren und eine Pfarrerin um göttlichen Segen bitten, wies scheint.

Sie, Frau Schardien, wissen genauso wie die Eltern auch, dass eine göttliche Behütung nichts weiter als eine rein menschliche Wunschvorstellung oder Einbildung.

Genau so, wie sich Anhänger aller möglichen Gottheiten einbilden, von ihren jeweils geglaubten Göttern behütet zu werden funktioniert das auch bei Anhängern von Jahwe & Co. Für diesen Effekt ist es völlig einerlei, womit der Platzhalter „Gott“ gefüllt wird.

Bislang…

Bislang hab ich zu den Anfragen gesagt: ….Ja, mach ich.

Wer sich als aufmerksamer Leser oder Zuhörerin bei dieser Formulierung jetzt fragt, ob und wenn ja wie Frau Schardien heute solche Anfragen anders beantwortet als bislang, dem kann ich schon jetzt die Antwort verraten: Nein.

Frau Schardien lässt das „bislang“ einfach als nicht ausgesprochene Drohung im Raum stehen.

Die Ergänzung der Aussage könnte sinngemäß lauten: „…aber ich kann nicht versprechen, wie lange ich bei solchen Minusgeschäften noch ein Auge zudrücken kann, wenn ihr weiter alle aus der Kirche austretet!“

Falsches Versprechen

Weil ich merke: Für die Menschen ist es eben doch was Besonderes mit dem Segen Gottes, mit dem Versprechen, dass sie nicht allein sind in diesem Leben, in ihrem Lieben und Sterben. Viele haben so ein Gespür: Vielleicht gibt es doch mehr zwischen Himmel und Erde. Und: Schaden kann‘s ja nicht.

Hurra, es interessiert sich doch noch irgendwer für uns! – Der feuchte Traum aller Religionsdienstleister.

Dass das alt bekannte Scheinargument „ad ignorantiam“ („wir wissen es (noch ) nicht, also war es (mein) Gott“) und die genauso läppische Pascalsche Wette („Schaden kanns ja nicht“ – Spoiler: Doch es kann schaden, und zwar sogar massiv) immer noch in den Köpfen erstaunlich vieler, auch eigentlich glaubensfreier Menschen anzutreffen ist, liegt vor allem daran, dass die Kirchen genau diese Legenden immer und immer wieder – quasi gebetsmühlenartig kolportieren.

Ausführlich und anschaulich erklärt Andreas Edmüller dieses Phänomen in seinem oben schon erwähnten, sehr lesenswerten Buch „Die Legende von der christlichen Moral – warum das Christentum moralisch orientierungslos ist.“

Schardien-Gott vs. Bibelgott

Ich glaube, dass Gott gegenüber solchen Bitten selbst barmherzig und freundlich wäre. So eine nicht-irdische Großzügigkeit. Einfach herschenken.

Wäre? Wenn es ihn gäbe? Und wenn man ihn fragen könnte? Oder wie?

Wie auch immer dieser Konjunktiv gemeint sein soll: Mit dem Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie hat eine solche Gottesvorstellung nichts zu tun.

Im Gegenteil: Diesem, ausgerechnet diesem Gott eine „nicht-irdische Großzügigkeit“ anzudichten und so zu tun, als ob dieser irgendetwas „einfach herschenken“ würde, ist – wie schon so oft in dieser Sendung – entweder völlig ignorant, oder maßlos arrogant.

Und auch die Schlussfolgerung ist die selbe wie immer: Spricht Frau Schardien hier wissentlich, dann belügt und betrügt sie ihr Publikum vorsätzlich und zu ihrem eigenen Vorteil.

Und wenn es ihr schlicht egal ist, dass ihre Vorstellungen weder mit der biblisch-christlichen Mythologie, noch mit der irdischen Wirklichkeit übereinstimmen, dann bezeichnet man solche Aussagen als Bullshit.

Frau Schardien, wenn Sie den Christengott schon nicht als den in der Bibel als eifersüchtig, pedantisch, kleinlich, megalomanisch, brutal, unmenschlich und gnadenlos beschriebenen Gott, sondern als großzügigen Gönner darstellen, wieso jammern Sie als weibliches „Gottes Ebenbild“ dann überhaupt über ausbleibende Einnahmen?

Vielleicht, weil Sie als Mensch im Gegensatz zu ihrem Gott einen realen Arbeitsaufwand haben? Der hier darin besteht, Menschen mit der Verkündigung religiöser Mythen und der Durchführung von wichtig und bedeutsam aussehenden Zeremonien von der irdischen Realität abzulenken, ihnen falsche Versprechungen zu machen und sie mit bestenfalls hoffnungsvoll erscheinenden Fiktionen zu täuschen?

…und der Heilige Geist so: „Ach Stefanie, was wäre ich nur ohne dich…!“

Wie es klingt, wenn man den Satz „Ein Kirchenevent mit Kirchenfernen Menschen ist immer auch eine Chance für Neukundenaquise und Retargeting-Maßnahmen“ in theologischer Rhetorik ausdrückt, demonstriert Frau Schardien zum Abschluss ihrer heutigen Fernsehpredigt:

Und wer weiß, ob ich damit dem Heiligen Geist ein paar Chancen gebe: an Taufsteinen, bei Traugesprächen und an den Gräbern. Darum nun auch für Sie: Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Nacht!“

Sie wünschen mir eine „gesegnete Nacht“, weil Sie damit vielleicht dem „Heiligen Geist ein paar Chancen“ geben? Wie stellen Sie sich das konkret vor, Frau Schardien? Glauben Sie ernsthaft an die Existenz eines Geistes, dessen Wirksamkeit (wie auch immer Sie sich diese vorstellen) davon abhängt, ob Sie ihm ein paar Chancen geben? Ist der unfähig, unwillig oder zu doof, sich selbst um seine Angelegenheiten zu kümmern?

Was passiert mit Ihrem heiligen Geist, wenn Sie Ihm keine Chancen mehr geben? Richtig: Der verschwindet genauso in der Bedeutungslosigkeit wie tausende Götter, Geister und Gottessöhne vor ihm auch schon.

„Er hatte einfach keine Chancen mehr“, werden die Leute, die sich noch an diesen Geist erinnern, später über ihn sagen.

Und Sie wären schuld, Frau Schardien. Denn im Monotheismus ist generell immer der Mensch an allem schuld. Und niemals der jeweilige Monogott. Oder eines seiner drei Drittel.

Läuft wie geschmiert: Das kirchliche Fremdfinanzierungsmodell

Na, wenigstens beim „Wort zum Sonntag“ brauchen Sie sich wegen der Finanzierung ja vermutlich keine Sorgen zu machen, Frau Schardien.

Dass ich bis heute auf keine meiner zahlreichen Anfragen auch nur eine einzige aktuelle, wenigstens ganz ungefähre Aussage dazu erhalten habe, welche Kosten diese Kirchen-Dauerwerbesendung Woche für Woche verursacht, lässt mich vermuten, dass sich der Staat die christliche Reklame im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein unverschämt hübsches Sümmchen kosten lässt.

Und das, obwohl die Christen inzwischen ja hierzulande in der Unterzahl sind. Was eine solche Sonderprivilegierung noch frag- und kritikwürdiger macht als bislang schon.

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17 Gedanken zu „Geschenkt oder verschenkt? – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Tja, Frau Schardien,
    so ändern sich die Zeiten.

    Wie war das doch seinerzeit, als der organisierte Glaube noch die Macht hatte, Hirn, Herz und Seele (?) des Menschen durchgängig und flächendeckend mit seinen Dogmen zu vergiften?
    Wehe, wenn da einer aus der Reihe tanzte. Der bekam weder eine „schöne“ Beerdigung, noch wurde seine Ehe gesegnet, noch wurde sein Kind getauft. Im besten Falle wurde er aus der Kirche geschmissen oder erst gar nicht reingelassen, im schlimmsten Fall wurde ihm das heilige Sakrament des Verbrennens zuteil.

    Heute haben die christlichen Berufsreligiösen schon eine Menge Kreide gefressen.
    Da muss man Kompromisse machen, da muss man schonmal liebgewonnene, tausend Jahre alte fromme Gewohnheiten (heimlich) zähneknirschend über Bord werfen.
    Was tut man nicht alles für den bodycount!
    Es wird allerdings nichts nützen.
    Man merkt die Absicht und tritt trotzdem aus.

    In ihrem Sermon offenbart sich viel Wunschdenken bzw. falscher Euphemismus.
    Zitat:
    „Nur, was soll ich tun? Da treten die Menschen zu tausenden aus. Aber dann sollen wir als Pfarrerinnen wieder zur Verfügung stehen.“
    Damit suggeriert sie so nebenbei – so jedenfalls konnte man es verstehen -, dass sämtliche Ausgetretenen dann doch wieder eine Art Rückzieher machen, indem sie darum betteln, doch bitte die Segnungen der christlichen Rituale in Anspruch nehmen zu dürfen. Dabei werden es vielleicht – gefühlt – im Höchstfall 10% sein.

    Ja, gnädige Frau, je dräuender es wird mit der Götterdämmerung, desto intensiver muss man sich wohl in die Tasche lügen.

    Antworten
  2. Mich würden konkrete Zahlen interessieren, wie viele Nicht-Mitglieder tatsächlich kirchliche Zeremonien in Anspruch nehmen. Mein Verdacht: Es sind viel weniger, als Frau Schardien uns weismachen möchte. Hat jemand Daten dazu?

    Antworten
    • …genau das hatte ich mich tatsächlich auch gefragt. Eine brauchbare Datengrundlage gibt es hier vermutlich nicht. Ich vermute mal, dass es kirchenfernen Leuten, die sich mit solchen Anfragen an PfarrerInnen wenden mindestens egal ist, ob da auch ein bisschen Religion mit drin ist oder nicht – die werden sich ja kaum an die Kirche wenden, wenn sie eine ausdrücklich säkulare Veranstaltung haben möchten. Und genau die sind es auch, bei denen Frau Schardien & Co. mit ihren ausgelatschten Scheinargumenten („…kann ja nicht schaden…“) noch punkten kann.

      Interessant fände ich es auch zu erfahren, inwieweit Leuten überhaupt bekannt und bewusst ist, dass es für praktisch alle Anlässe (abgesehen von rein religiösen Festen ohne weltliches Pendant wie etwa Pfingsten, Mariä Verdingsigung usw.) auch säkulare Alternativen gibt, die das menschliche Bedürfnis nach Feierlichkeit mindestens genauso befriedigen können.

      Antworten
      • „Interessant fände ich es auch zu erfahren, inwieweit Leuten überhaupt bekannt und bewusst ist, dass es für praktisch alle Anlässe (abgesehen von rein religiösen Festen ohne weltliches Pendant wie etwa Pfingsten, Mariä Verdingsigung usw.) auch säkulare Alternativen gibt, die das menschliche Bedürfnis nach Feierlichkeit mindestens genauso befriedigen können.“

        Mir ist das nicht bekannt gewesen, und auch allen meinen Bekannten nicht!

        Antworten
  3. Man unterschätze hierbei nie die Tradition.

    Es wird seeeehr Lange dauern, bis auch der Letzte, die ihm anerzogenen Riten aufgibt.

    Menschen werden bewusst dumm gehalten, denn das macht sie ersrtmal beinfluss- bzw. regierbar!

    So lange die Bildzeitung (Bibel) existiert, so lange werden stumpf die Titelzeilen als Wahrheit proklamiert, ohne jemals den Inhalt des Artikels gelesen zu haben…

    Antworten
  4. Ich habe dazu nichts Konkretes im Internet gefunden. Soll aber nicht heissen, dass es in dem Ozean www nicht irgendwo doch Daten gibt.

    Was ich gefunden habe ist:

    1. Die EKD antwortet auf ihrer Website auf die Frage „Kann jemand kirchlich beerdigt werden, der nicht in der Kirche war?“ folgendermassen:
    „Wer aus der Kirche austritt, verzichtet damit auch auf eine kirchliche Trauerfeier. In der Regel werden daher nur Mitglieder der evangelischen Kirche kirchlich bestattet. Andere können in begründeten Ausnahmefällen kirchlich bestattet werden, vor allem wenn dies aus seelsorgerlichen Gründen angezeigt scheint.
    Hat der oder die Verstorbene aber ausdrücklich eine kirchliche Bestattung abgelehnt, kann auch nicht kirchlich bestattet werden, selbst dann nicht, wenn es der ausdrückliche Wunsch der Angehörigen ist. In diesem Fall soll die Pfarrerin oder der Pfarrer jedoch die Angehörigen seelsorglich begleiten. Bei Fragen hierzu wenden Sie sich als Angehörige am besten an Ihren Pfarrer oder ihre Pfarrerin.

    2. aus statista:
    „Wünschen Sie sich eine Beerdigung durch die Kirche bzw. durch Ihre Religionsgemeinschaft?“

    ja 54,9%
    nein 21,4%
    mir egal 20,1%
    gibt es in meiner Religionsgemeinschaft nicht 0,8%
    weiss nicht 2,3%
    keine Angabe 0,5%

    Aus der Statistik lässt sich schlussfolgern: Wenn nur ausdrücklich knapp 55% der Befragten kirchlich beerdigt werden wollen, dann kann es mit dem Wunsch von Nichtkirchenmitgliedern nach kirchlicher Bestattung ja wohl nicht so weit her sein. Oder?
    (Ich bin jetzt mal zugunsten der Kirchen davon ausgegangen, dass die Befragten sowohl Kirchenmitglieder als auch Nichtkirchenmitglieder sein konnten. Das kann man nämlich nicht so genau erkennen. Wenn nur Kirchenmitglieder befragt worden sein sollten, sieht es noch ungünstiger für die Kirchen aus.)

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  5. Mein Eindruck ist, je mehr Menschen austreten, um so größer wird das Geheule.
    Das ganze Theater ist nur ein Rückzugsgefecht.
    Mit der Hölle zu drohen haben die ja längst aufgegeben, weil nicht mehr en Vogue und nun so?

    Den Menschen ein schlechtes Gewissen einzureden, damit sind die seit 2000 Jahren auf Tournee, das zieht aber nicht mehr.

    Menschen in einer tiefen seelischen Belastung zu drohen, zahlst du nicht, dann gibt es keine schöne Beerdigung, ist nur widerwärtig und abstossend.

    Vielen ist offensichtlich nicht bekannt, das es Alternativen gibt. Die Zeiten, als Ungläubige im Acker hinter dem Friedhof verscharrt wurden sind längst vorbei.

    Ich kann gar nicht so viele Oblaten essen, wie ich kotzen möchte.

    Antworten
  6. Hallo Marc ,

    ich lese Deine Kommentare zum WzS jede Woche und bin begeistert, wie Du argumentierst – aber auch wie Du das durchhältst.

    LG
    Rainer

    Antworten

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