Das Wort zum Wort zum Sonntag: Spielanalyse

Lesezeit: ~ 4 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Spielanalyse, verkündet von Herrn Gereon Alter (kath.), veröffentlicht vom öffentlich-rechtlichen Sender ARD/daserste.de

Auch in diesem Wort zum Sonntag gibts einen erneuten Versuch, über die gerade aktuellen Themen Fußball und Brexit irgendwie Religiöses und auch noch die Nächstenliebe an den Mann zu bringen.

[…] Wem kann man trauen? Was tue ich in einer Situation, die für mich unüberschaubar ist, in der ich mir aber doch eine Meinung bilden oder gar eine Entscheidung treffen muss? Woran orientiere ich mich?*

Diese Fragen sollten sich besonders Menschen stellen, die in einer um erfundene Götter, Geister und Gottessöhne erweiterten Wirklichkeit leben. So auch Christen, deren Welt- und Wertebild auf einer beliebig auslegbaren vormittelalterlichen Mythen-, Märchen- und Legendensammlung basiert. Die auf einen fiktiven Gott vertrauen, den es bis zum Beweis des Gegenteils nicht gibt und der noch niemals tatsächlich real irgendwie in Erscheinung getreten ist.

Wenn ich mir eine Meinung bilden oder eine Entscheidung treffen muss, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als mich zunächst mal so umfassend und objektiv wie möglich über die Situation zu informieren. Ansonsten muss ich es mitunter auch aushalten, zu einem Thema keine abschließende Meinung haben zu können.

„Würde des Menschen“ vs. „keine anderen Götter“

Umso wichtiger sind mir drei Regeln. Die erste ist die wichtigste: Alles, was die Würde eines anderen Menschen verletzt, kann nicht gut sein.

life-1426255_640Seltsam. Die wichtigste Regel Ihrer biblischen Gesellschaftsordnung lautet doch, dass Sie keine anderen Götter neben Ihrem Gott haben sollen? (Warum es ein angeblich allein herrschender Gott wie der im monotheistischen Christentum nötig hat, ausgerechnet dieses Gebot an oberste Stelle zu setzen, ist eine der spannenden Fragen, auf die es keine befriedigende Antwort gibt.)

Wie auch immer: Die Menschenwürde ist einer der wichtigsten Werte (wenn nicht der wichtigste überhaupt), den Aufklärung und Humanismus gegen den erbitterten und blutigen Widerstand des Christentums über viele Jahrhunderte hinweg mühevoll durchgesetzt hatten.

Die rund 1000 Jahre, in denen die Kirche noch mehr Macht hatte als heute und in der die Würde des Menschen definitiv nicht an erster Stelle stand, ist als das „Dunkle Zeitalter“ in die Geschichte eingegangen.

Würde sich Herr Alter objektiv mit seiner Religion auseinandersetzen, so würde er schnell zahlreiche Bereiche finden, in denen seine Kirche die Würde von Menschen direkt und indirekt verletzt.

Denn was die Würde eines anderen Menschen verletzt, das kann zu keinem guten Ergebnis führen.

…wie die Kriminalgeschichte des Christentums** erschreckend umfangreich eindrucksvoll beweist. Da wurde nicht nur die Würde, sondern auch das Leben von Millionen von Menschen nicht nur verletzt, sondern ausgelöscht – immer „im Namen des Herrn.“

Dieser offensichtliche und mit nichts zu beschönigende Widerspruch zwischen der grausamen christlichen Geschichte und der religiösen Wunschwirklichkeit scheint für Herrn Alter einmal mehr kein Problem darzustellen.

[…] Glaubwürdig ist für mich, wer mit seinem eigenen Leben und Handeln hinter dem steht, was er sagt.

Wenn mit „glaubwürdig“ „ernst zu nehmen“ gemeint sein soll, dann bedeutet glaubwürdig ist für mich, dass sich jemand mit seinem eigenen Denken und Handeln an der realen, natürlichen Wirklichkeit orientiert und diese nicht um Götter und Geister erweitert. Wer Letzteres tut, entzieht sich damit jeder sachlichen Diskussion, egal, wie überzeugt er hinter dem steht, was er sagt.

Nächstenliebe: keine christliche Erfindung

Die dritte und letzte Regel stammt aus der Bibel: „Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.“ (Lk 6,31).

Wohl kaum zufällig verwendet Herr Alter diese Formulierung, die suggeriert, die „Goldene Regel“ stamme tatsächlich aus der Bibel. In Wirklichkeit ist der Aufruf zur Nächstenliebe viel älter als die biblischen Texte. Ein ethischer Minimalkonsens findet sich in praktisch jeder Gesellschaftsordnung:

  • Ähnliche, negativ oder positiv formulierte Merksprüche oder Lehrsätze sind seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. in religiösen und philosophischen Texten aus China, Indien, Persien, Altägypten und Griechenland überliefert. Diese Texte entstanden teilweise zeitlich parallel und werden nicht auf eine gemeinsame Quelle zurückgeführt. (Quelle: Wikipedia)
  • Sie ist keinesfalls originär christlichen Ursprungs, sondern findet sich z. B. auch im Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus, als Altorientalische Weisheit, im Zoroastrismus, in der Griechisch-römischen Antike, im Judentum, im Islam oder in der Bahai-Religion. (Quelle: Wikipedia)

Und schließlich gibt es gibt durchaus Grund zur Annahme, dass diese Regel nach heutigen Maßstäben gar nicht mehr „der Weisheit letzter Schluss“ ist:

  • In der Philosophie der Neuzeit wurde sie oft als ethisch untaugliche Maxime verworfen oder auf verschiedene Weisen ergänzt und präzisiert.
    (Quelle: Wikipedia)

Wer sich etwas mit der „Goldenen Regel“ befasst, wird schnell gravierende Kritikpunkte finden, wie zum Beispiel in diesem Beitrag, aus dem diese Zeilen stammen:

  • Die sogenannte “Goldene Regel” ist eine der wichtigsten Richtlinien des Patriarchats. Sie garantiert, dass Menschen als ‘gleich’ gelten und nicht als einzigartig.
  • Wenn man die Leute glauben macht, dass alles was sie wollen das Gleiche ist, das auch ihre Mitmenschen verlangen, und dies als ihr Recht betrachtet, dann sind “die andern” der Maßstab, und nicht sie selbst.
  • Derartig konditionierte Männer und Frauen sind dankbare Konsumenten. (Quelle: rette-sich-wer-kann.com)

Selbstverständlich stehen auch der biblischen Forderung nach Nächstenliebe auch wieder quasi beliebig viele Beispiele gegenüber, die das Gegenteil von Nächstenliebe aussagen, und zwar dann, wenn es um Nicht-Zugehörige der eigenen Glaubensgruppe geht, hier nur ein Beispiel:

  • Bruch um Bruch, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Der Schaden, den er einem Menschen zugefügt hat, soll ihm zugefügt werden. (Lev 24,20, Elberfelder Bibel)

Ruf nach Werten

[…] Wir brauchen Grundhaltungen, Werte.

Wir brauchen Grundhaltungen und Werte, die sich an der realen, natürlichen Wirklichkeit orientieren und nicht an religiösen Scheinwelten. Die für alle Menschen gelten können und nicht nur für vermeintlich „auserwählte Völker.“  Ideologien, in denen alle Un- und Andersgläubigen mit ewiger psychischer und physischer Höllenqual bestraft oder auch gleich dorthin befördert werden, eignen sich nicht als Wertgrundlage.

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und einen gesegneten Sonntag.

Wie ist wohl der Realitätsbezug eines Menschen einzuschätzen, der den Zuschauern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einen „gesegneten Sonntag“ wünscht? Wer segnet Tage und wie stellt sich Herr Alter eine solche Segnung vor?

Und was sagt wohl der Sonnengott dazu, wenn sein Feiertag im Namen eines unsympathischen, inhumanen Wind- , Berg-, Kriegs- und Wüstengottes gesegnet wird?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag.
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