Kommentar zu NACHGEDACHT (26) „Zur Ruhe kommen…“

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Kommentar zu NACHGEDACHT (26) „Zur Ruhe kommen…“, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 07.07.13 von Osthessennews

[…] Und welche Frau schaut nur gütig, sagt aber nichts. Sie läuft zu einer Marienstatue. Die junge Frau befindet sich scheinbar in solch einer misslichen Lage, dass sie Hilfe braucht. Und diese scheint sie in diesem Moment nur dort finden zu können.*

Wenn eine Frau, die wegen einer misslichen Lage Hilfe braucht, diese Hilfe findet, indem sie eine Marienstatue aufsucht, dann zeigt das eindrucksvoll, wie hilfreich ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft, eine kleine Pause und ein bisschen Autosuggesstion sein können.

Fatal wird es, wenn jemand tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, sich selbst aus einer misslichen Lage zu befreien (was mangels der Reaktion des oder der Angebeteten ja auch bei einem Gebet der Fall ist) und deshalb eigentlich wirkliche, professionelle Hilfe bräuchte.

Wann haben sie das letzte Mal gebetet?

Wenn Sie mich meinen: Die Zeiten, in denen mir noch nicht bewusst war, dass kein einziges Gebet jemals erhört wurde und auch nicht davon auszugehen ist, dass ein Gebet jemals von irgendeinem Gott erhört werden wird, sind zum Glück schon viele Jahre vorbei.

Und wenn ja, wie?

Natürlich nutzlos – in dem Sinne, dass kein einziges Gebet jemals zu irgendeiner belegbaren überirdischen Reaktion geführt hat.

Diese Frau hat das dringende Bedürfnis, sich an jemanden zu wenden.

Warum sie sich dann ausgerechnet an die Statue einer erfundenen Gestalt wendet, ist kaum nachvollziehbar. Selbst ein Baum, ein Kieselsteinchen oder eine Pusteblume wäre doch wesentlich inspirierender als ausgerechnet die Statue einer Frau, die angeblich von einem Geist geschwängert wurde, Gottes Sohn als Jungfrau geboren hat und in den Himmel aufgefahren ist – egal, wie gütig der Bildhauer ihr Gesicht gestaltet haben mag.

Viel sagt sie nicht, sie sagt eigentlich gar nichts.

Wer – die Statue oder die Frau? Die Statue sagt natürlich nichts, weil sie weder einen Kehlkopf, noch eine Zunge, noch eine Lunge und auch kein Hirn hat. Die Frau braucht auch nichts zu sagen, weil eine Autosuggestion nicht laut ausgesprochen werden muss, um zu wirken.

Es ist eigentlich primär „nur“ eine Hinwendung zu jemandem.

Nicht zu jemandem, sondern zu etwas, nämlich zu der Fiktion einer von Menschen erfundenen „Gottesmutter“, die mit der vielleicht historisch belegbaren Mutter des vielleicht historisch belegbaren Jesus bis auf wenige Übereinstimmungen nichts gemeinsam hat.

Besonders der angebliche Grund dafür, warum Maria noch heute von manchen Menschen verehrt wird (nämlich ihr angeblicher Status als Muttergottes), ist eine Fiktion. Genauso realistische Unterstützung wie von Maria könnte man also zum Beispiel auch von Schneewittchen oder vom Tapferen Schneiderlein erwarten.

Nur manche Menschen beten heute noch vor einer Statue.

Mateo Cerezo d. J.: Himmelfahrt Mariens, um 1650
Mateo Cerezo d. J.:
Himmelfahrt Mariens, um 1650

Das könnte damit zusammenhängen, dass es zum Glück immer mehr Menschen bewusst wird, dass es schlicht zwecklos ist, vor einer Statue (oder auch sonst) zu beten und dass man die stark begrenzte und damit außerordentlich wertvolle Lebenszeit sinnvoller nutzen kann als mit der nutzlosen Anbetung von Statuen.

Das Anbeten von Statuen ist, nebenbei bemerkt, selbst für Christen gar nicht so unproblematisch. Besonders der, als jüdischer Rabbi natürlich streng monotheistische Jesus von Nazareth würde sich sicher im Grabe herumdrehen wenn er wüsste, dass es rund 2000 Jahre nach seinem Tod noch Menschen gibt, die ihn oder – noch schlimmer – seine Mutter anbeten.

Diese Blasphemie wurde nur dadurch möglich, weil die Jesus-Endzeitsekte maßgeblich von Heiden- und nicht von Judenchristen zur christlichen Religion weiterentwickelt wurde.

Wer meint, die Kirche würde sich langsam, aber vielleicht ja doch mal ganz langsam von solch grotesken, bizarren Ideen wie der einer „Gottesmutter“ verabschieden, der irrt. Erst 1950 war die „Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel“ durch Papst Pius XII. als Dogma der römisch-katholischen Kirche verkündet worden:

  • „Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott geoffenbartes Dogma, dass die Unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“ (Quelle: Wikipedia)

Noch irgendwelche Fragen?

Dennoch leuchten viele Kerzen in manchen Grotten.

Da ist es ja auch oft sehr dunkel. Leuchtende Kerzen helfen tatsächlich – natürlich nur denen, die Kerzen verkaufen.

Was früher ein gängiger Brauch war, ist aber für die meisten kaum noch zugänglich.

Woran man erkennen kann, dass auch früher gängige Bräuche durchaus irgendwann mal getrost aufgegeben werden können, besonders dann, wenn die Grundlagen dieser Bräuche als reine Illusion entzaubert wurden und deshalb schon lange jeglicher Sinnhaftigkeit entbehren.

Aber in dieser Geschichte zeigt sich: Es wird ein Ort der Ruhe benötigt.

Natürlich benötigen Menschen auch mal einen Ort der Ruhe – zum Glück gibt es auch ganz viele Orte der Ruhe, an denen keine Statuen von jungfräulichen Müttern angeblicher Göttersöhne herumstehen und leichtgläubigen Menschen vorgaukeln, diese Gottesmütter hätten irgendeinen Einfluss auf unsere Wirklichkeit.

[…] Es geht auch einfach mal darum, zur Ruhe zu kommen, abschalten zu können.

Es erstaunt schon, dass die Autorin, die sich ja selbst zwar liberal-, aber dennoch als theologisch bezeichnet, die eigentliche Bedeutung des Gebetes, also die Zwiesprache mit Gott, mit keinem Wort erwähnt.

Laut Wikipedia ist ein Gebet (abgeleitet von bitten) [..] eine zentrale Glaubenspraxis vieler Religionen. Es ist eine verbale oder nonverbale rituelle Zuwendung an ein transzendentes Wesen (Gott, Gottheit, Göttin).

Das Besondere, aber auch das Problematische am Gebet ist also nicht die Art und Weise, sondern die mit an Sicherheit grenzende Nicht-Existenz des angeblichen „Empfängers“ von Gebeten. Selbst wenn man gegen jede Vernunft und gegen jedes bessere Wissen mal kurz so tut, als gäbe es tatsächlich transzendente Wesen, dann gäbe es trotzdem bis heute keinen einzigen seriösen, realen Beleg für das Eingreifen eines solchen Wesens in unsere Wirklichkeit.

Aus religiöser Sicht geht es also keineswegs nur „einfach mal darum, zur Ruhe zu kommen, abschalten zu können“, sondern es geht um eine (allerdings nutzlose) Hinwendung an einen erfundenen bzw. zumindest niemals in Erscheinung tretenden Gott (oder auch mal an dessen Mutter, die genauso durch Realitätsabstinenz glänzt wie ihr Sohn).

Es reinigt psychisch und kann Kraft geben.

Der Hinwendung zu einem fiktiven Wesen eine psychisch reinigende Wirkung zuzuschreiben, halte ich für eine sehr gewagte These. Wenn ein Gebet tatsächlich jemandem Kraft gibt, dann würde es ihr oder ihm wahrscheinlich sogar noch mehr Kraft geben, wenn sie oder er wüsste, dass diese Kraft in Wirklichkeit von ihr oder von ihm selbst und nicht von einem überirdischen Wesen kommt.

Deshalb behaupte ich, ganz im Gegenteil: In Wirklichkeit reinigen Gebete nicht, sie verschmutzen die Psyche, weil sie auf einer Illusion beruhen und Menschen, die an die Kraft von Gebeten glauben, täuschen, in die Irre führen und sie mitunter in falscher Sicherheit wiegen.

Warum Gebete (schon rein logisch) unsinnig sind, erkläre ich hier und hier näher.

*Unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ fordert Osthessennews jede Woche zum Nachdenken auf. Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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