Kommentar zu Nachgedacht (54) Schreien Sie gerne grundlos?

Lesezeit: ~ 3 Min.

Kommentar zu Nachgedacht (54) Schreien Sie gerne grundlos?, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 12.01.2014 von Osthessennews

[…] Ich nenne es „Die Lawine des Anschreiens“. Das Problematische daran ist: Nie wird der Urheber des Zorns zurück angeschrien, sondern der Zorn geht über auf andere Personen, die ursprünglich gar nicht zornig waren und unbeteiligt an der Ursache sind.*

Das heißt, die Lösung des Problems wäre Ihrer Meinung nach, dass der erste Angeschrieene zurückschreit? Ich finde, auf eine zornige Ansprache ebenfalls mit Anschreien zu reagieren, ist weder angebracht, noch sinnvoll. Für jeden Zorn gibt es eine oder mehrere Ursachen, was nicht bedeutet, dass jeder Zorn auch gerechtfertigt ist.

Anschreien ist generell eine Verhaltensweise, die nicht der Etikette des respektvollen Umgangs miteinander entspricht, ganz unabhängig von der Situation und vom Verhältnis der beteiligten Personen. Deshalb ist es auf jeden Fall legitim und sogar geboten, einen „Anschreier“ höflich, aber bestimmt auf sein ungebührliches Verhalten hinzuweisen und auf einen sachlichen, angemessenen Ton zu bestehen. Das, und nicht zurück-Anschreien, wäre ein sinnvolles und der Situation angemessenes Verhalten.

[…] So wird die Verärgerung weitergegeben – vom Urheber bis zu einer letzten Person. Und dort sitzt zumeist jemand, der es gar nicht verdient hat, angeschrien zu werden.*

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es schon Menschen gibt die es verdient haben, angeschrien zu werden? Das finde ich, abgesehen von wirklich extremen Ausnahmesituationen, nicht. Natürlich wird eine erlittene Verärgerung, besonders eine aus unserer Sicht ungerechtfertigte, unsere Stimmung mehr oder weniger stark negativ beeinflussen. Trotzdem sollte man auch von Cholerikern verlangen können, dass sie sich so weit im Griff haben, dass sie ihren eigenen Ärger nicht auf Dritte übertragen.

Also aufgepasst! Wut hat nicht derjenige verdient, der nichts mit dem Grund dafür zu tun hat.*

Niemand hat Wut verdient. Man kann und sollte darauf bestehen, dass auch Kritik und sogar eine tatsächlich emotionale Empfindung wie Wut in sachlichem, respektvollem Ton geäußert wird.

Natürlich ist es auch nicht ratsam, den Chef zurück anzubrüllen. Vielleicht dann lieber doch jemanden anrufen, dem man die Wut mitteilen kann, ohne ihn damit anzustecken.*

Ist denn Zurückbrüllen wirklich die einzige Reaktion auf Angebrüllt werden, die Sie sich vorstellen können? Ist es nicht viel besser, weil zielführender, auf ein Angebrülltwerden sachlich, bestimmt, aber auf jeden Fall in ruhigem Ton zu reagieren? Wenn man den Grund für ein Angeschrieenwerden nicht nachvollziehen kann, dann kann man doch auch erstmal nachfragen, was genau an der Situation jetzt zu einem Wutausbruch geführt hat.

Sollte eine Situation so eskaliert sein, dass ein vernünftiges Gespräch nicht möglich ist, kann man auch erstmal sinngemäß sagen: „Ihre Aussage hat mich gerade sehr verletzt, ich ziehe mich erstmal zurück und möchte später nochmal mit Ihnen darüber sprechen.“

Auf jeden Fall hilft eine direkte, sachliche, respektvolle Auseinandersetzung mit dem wütenden Gesprächspartner (entweder direkt oder nach einer „Verschnaufpause“) wesentlich mehr, als wenn man noch unbeteiligte Dritte mit dieser Situation belastet. Erst, wenn jemanden eine Situation tatsächlich so stark belastet, dass er oder sie überhaupt nicht mehr damit klarkommt, sollte man darüber nachdenken, einen Freund oder eine Freundin mit mehr Lebenserfahrung um Rat zu fragen. Ziel sollte aber auf jeden Fall die sachliche Kärung der Situation sein, die zu dem Wutausbruch geführt hat.

Um noch kurz die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Nichts passiert grundlos im Sinne von „ohne Ursache.“ Wenn ein Mensch schreit hat das genauso einen Grund (oder mehrere Gründe), als wenn ein Mensch nicht schreit.

„Grund“ ist dabei wie gesagt keine Bewertung, ob etwas auch gerechtfertigt, richtig oder aber unangemessen ist. Es beschreibt nur die logische „Mechanik“ aus Ursache und Wirkung. Und natürlich ist nicht zu jeder Wirkung auch die Ursache, die dazu geführt hat, erkennbar.

*Unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ fordert Osthessennews jede Woche zum Nachdenken auf. Die Zitate stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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