Kommentar zu NACHGEDACHT 91: Wir können doch über alles sprechen

Lesezeit: ~ 3 Min.

Kommentar zu NACHGEDACHT 91: Wir können doch über alles sprechen, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 5.10.2014 von osthessen-news.de

[…] Ich verknüpfte sofort einen Begriff aus meinem Theologiestudium damit –*

Was nicht weiter erstaunlich ist, weil das Gehirn ja nur auf das zurückgreifen kann, was ihm an gespeicherten Informationen zur Verfügung steht, unabhängig vom Wahrheits- oder Sinngehalt dieser Informationen.

dieser nennt sich „Interreligiösen Dialog“.*

Interreligiöser Dialog klingt auf den ersten Blick als etwas Sinnvolles, Wünschenswertes. Dialog ist ja immer sinnvoller als kein Dialog. Wenn es aber darum geht, dass sich Anhänger des einen imaginären Freundes mit den Anhängern eines anderen imaginären Freundes austauschen wollen, dann ist das ungefähr so, wie wenn sich auf dem Spielplatz Pokemon™-Fans mit Anhängerinnen der Eiskönigin™ austauschen oder wenn die KinderJoy™– „Löffler“ auf die „Spieler“ zugehen.

Er hat zum Ziel, dass die Religionen unter sich ins Gespräch kommen. Er möchte erreichen, dass sich der anderen, fremden Religion angenähert wird, damit das Andere oder das Fremde so gut wie möglich verstanden werden kann und eventuell vorhandene Vorurteile abgebaut werden.*

Warum um alles in der Welt streben Religionen einen interreligiösen Dialog an, statt einfach mal zu versuchen, sich in kleinen Schritten der wissenschaftlich-empirisch belegten Wahrheit anzunähern? Der Wahrheit, die nicht auf Märchen und vormittelalterlichen Mythen, sondern auf den Erkenntnissen und Errungenschaften von Wissenschaft, Philosophie und Kunst basiert und die ohne fiktive Götter und ähnliche Hypothesen auskommt?

Der Dialog muss demnach vorbehaltlos geschehen.*

Das stimmt. Und er muss auf einer Realität basieren, die von beiden Gesprächspartnern als real anerkannt werden kann.

Und als ich die wohlwollenden Worte des Mannes hörte, dachte ich mir, dass wir auch schon in kleineren Einheiten – in viel kleineren Einheiten als Religionen – beginnen müssen, zu reden. Bereits im direkten, zwischenmenschlichen Kontakt müssen wir den respektvollen Dialog voranbringen und ihn kultivieren.*

Ich weiß ja nicht, wie respektvoll Ihr Dialog im direkten, zwischenmenschlichen Kontakt ist, aus dieser persönlichen Erkenntnis eine allgemeine Handlungsanweisung („…müssen wir…“) abzuleiten finde ich einmal mehr reichlich arrogant.

Denn ich bin ehrlich: Ich höre den Satz „Wir können doch über alles sprechen“ nicht besonders oft.*

Schön, dass Sie ehrlich sind! – Das legt die Vermutung nahe, dass es vielleicht nicht ausschließlich nur an Ihren Mitmenschen liegen könnte, wenn Sie diesen Satz „nicht besonders oft“ hören? Diesen Eindruck habe ich leider auch, zumindest mit mir wollten Sie bis jetzt ja auch nicht sprechen, im Gegenteil.

Und falls er gesagt wird, bleibt er oft nur ein Versprechen, das nicht eingelöst wird.*

Ich würde dieses Versprechen sehr gerne einlösen.

Meistens ist es leider so, dass man gerade nicht reden will, wenn die Fronten verhärtet sind.*

Noch öfter ist es so, dass sich die Fronten verhärten, gerade weil man nicht reden will, vielleicht, weil man sich vor der Meinung des anderen fürchtet oder weil man sich seiner eigenen Meinung vielleicht gar nicht so sicher ist.

Nette Worte kommen dann selten über die Lippen. Denn nur wenige Menschen beherrschen sich selbst in Streitsituationen und behalten die Kontrolle über ihre Worte. Deswegen empfand ich diesen Satz als etwas ganz Besonderes. Der Mann wollte eine Einigung, er wollte nicht aus dem Streit fliehen. Er stellte sich der Herausforderung – und das mit einem kühlen Kopf.*

Oder vielleicht war es in Wirklichkeit auch ganz anders und der Mann war in Wirklichkeit zum Beispiel ein brutaler, kaltblütiger Schläger, der mit diesen scheinbar freundlichen und harmlosen Worten seinen nächsten Gewaltausbruch angekündigt hat? Oder er war jemand, der selbst tyrannisiert wird und es niemals wagen würde, nicht klein beizugeben, statt seine berechtigten Interessen durchzusetzen? Wissen Sie’s?

Ich hoffe, der Mann hielt sein Versprechen und stellte sich einer Aussprache. Wichtig dabei ist es – ganz wie im Konzept des interreligiösen Dialoges – dass man die Kompetenz hat, die Perspektive zu wechseln. Es muss möglich sein, die Rolle des anderen „Streitpartners“ einzunehmen.*

Im interreligiösen Dialog hilft das leider nicht weiter, weil interreligiöse Dialoge zwangsläufig von erdachten, fiktiven, unbeweisbaren und damit beliebig definierbaren Faktoren ausgehen. Egal, wie gut Sie sich in die Rolle eines Andersgläubigen versetzen können – sie befinden sich nach wie vor in einer erdachten Scheinwelt (nur vielleicht in einer anderen als in Ihrer eigenen).

Denn nur so können wir mitfühlen, warum das Gegenüber aufgebracht ist – und nur so können wir Lösungen gemeinsam erreichen. Dann ist ein Gespräch keine Sackgasse, sondern eröffnet neue Wege.

Also heißt es Empathie aufbringen, um respektvolle, sinnvolle Gespräche zu führen – denn eigentlich können wir ja wirklich über alles sprechen.*

Eigentlich? Heißt das „eigentlich nicht?“ Das können wir schon – ob wir es auch wollen, ist eine andere Frage.

In Bezug auf interreligiösen Dialog von „sinnvollen Gesprächen“ zu sprechen, wäre geradezu paradox – interreligiöse Unterschiede sind nichts weiter als unterschiedliche Holzwege.

*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle Zitate stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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