Gedanken zu NACHGEDACHT 95: Ich bin, indem du…

Lesezeit: ~ 7 Min.

Gedanken zu NACHGEDACHT 95: Ich bin, indem du… – Gedanken von Christina LEINWEBER,
Original-Artikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 2.11.2014 von osthessen-news.de

ACHTUNG: Dieser Beitrag enthält brutale und gewaltverherrlichende Bibelverse, die nicht religiös indoktrinierte Menschen als verstörend (bzw. gestört) empfinden dürften.

Ein Begriff aus meiner Religion, den ich bereits als Kind nicht so richtig begreifen konnte, war die Gottesebenbildlichkeit. „Als Abbild Gottes schuf er ihn“ – dies können wir in der Bibel nachlesen.*

Nicht Gott schuf die Menschen nach seinem Vorbild, sondern die Menschen erfunden ihren Gott nach ihren Wünschen, Ängsten und Sehnsüchten.

Und wir wollen an dieser Stelle nicht verschweigen, dass sich das mit dem „Abbild Gottes“ wohl eher auf Männer bezieht – die Rolle der Frau ist weit weniger „göttlich“ definiert und Gott gibt ziemlich detaillierte Anweisungen, wie er sich seine „Abbilder“ konkret vorstellt (Hervorhebungen von mir):

  • 3 Ich lasse euch aber wissen, daß Christus ist eines jeglichen Mannes Haupt; der Mann aber ist des Weibes Haupt; Gott aber ist Christi Haupt.
    4 Ein jeglicher Mann, der betet oder weissagt und hat etwas auf dem Haupt, der schändet sein Haupt.
    5 Ein Weib aber, das da betet oder weissagt mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt, denn es ist ebensoviel, als wäre es geschoren.
    6 Will sie sich nicht bedecken, so schneide man ihr das Haar ab. Nun es aber übel steht, daß ein Weib verschnittenes Haar habe und geschoren sei, so lasset sie das Haupt bedecken.
    7 Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, sintemal er ist Gottes Bild und Ehre; das Weib aber ist des Mannes Ehre.
    8 Denn der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib vom Manne.
    9 Und der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib um des Mannes willen. (1. KOR 11, Lutherbibel 1912)

Und manche Menschen gefallen ihm so wenig, dass er deren Ermordung anordnet:

  • Die Zauberinnen sollst du nicht Leben lassen. (2. Mose 22,17, Lutherbibel 1912)
  • Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und zerschmettert sie an dem Stein!  (Psalm 137,9, Lutherbibel 1912)
  • So zieh nun hin und schlag Amalek und vollstrecke den Bann an ihm und an allem, was es hat; verschone sie nicht, sondern töte Mann und Frau, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel. (1. Samuel 15,3, Lutherbibel 1984)
  • Es sollen auch ihre Kinder vor ihren Augen zerschmettert, ihre Häuser geplündert und ihre Frauen geschändet werden. (Jesaja 13,16, Lutherbibel 1984)
  • Da nahmen wir zu der Zeit alle seine Städte ein und vollstreckten den Bann an allen Städten, an Männern, Frauen und Kindern, und ließen niemand übrig bleiben. Nur das Vieh raubten wir für uns und die Beute aus den Städten, die wir eingenommen hatten. (5. Mose 2, 34-35, Lutherbibel 1984)

Diese bescheinigt uns: Wir sind salopp gesprochen „Doppelgänger“ Gottes.*

Was bin ich froh, dass ich weder Abbild noch Doppelgänger dieses Gottes, sondern das ganz natürliche Ergebnis einer ziemlich komplexen, aber garantiert Gottfreien Evolution bin!

Hat er dann auch eine Nase, Ohren oder Beine? Oder bezieht sich die Ebenbildlichkeit nicht auf körperliche Merkmale? Kann man solche einfachen Vergleiche überhaupt ziehen? Für mich sind alle Vergleiche fast respektlos, denn wir sind ja wahrlich nicht so allmächtig und gütig wie Gott.*

Da Gott mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht existiert und zumindest noch niemals je in irgendeiner Art und Weise erkenn- oder belegbar in Erscheinung getreten ist, ist es heuchlerisch zu behaupten, er sei gütig oder gar allmächtig. Was die Güte angeht, macht die Bibel höchst unterschiedliche Angaben, die allerdings eher den Verdacht nahelegen, es handle sich bei Gott um einen schizophrenen Psychopath. Wenn die Zitate oben noch nicht gereicht haben sollten, es gibt in der Bibel quasi beliebig viel mehr davon:

  • So wie der Herr seine Freude daran hatte, auch Gutes zu tun und euch zahlreich zu machen, so wird der Herr seine Freude daran haben, euch auszutilgen und euch zu vernichten. (5. MOSE 28,63, Einheitsübersetzung)
  • Und die ganze Beute dieser Städte und das Vieh teilten die Israeliten unter sich; aber alle Menschen erschlugen sie mit der Schärfe des Schwerts, bis sie vertilgt waren, und ließen nichts übrig, was Odem hatte. (Josua 11,14, Lutherbibel 1984)
  • Aber in den Städten dieser Völker hier, die dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat, sondern sollst an ihnen den Bann vollstrecken, nämlich an den Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Perisitern, Hiwitern und Jebusitern, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat, … (5. Mose 20,16-17, Lutherbibel 1984)
  • „Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten! Dass doch die Blutgierigen von mir wichen! “ (Psalm 139,19 Lutherbibel 1984)

Und eigentlich verbietet uns die Bibel auch, uns ein Bild von Gott zu machen. Welch ein verwirrender Gedanke. Also dann weg mit diesem Gedanken von den Ohren und der Nase.*

Das heißt, Sie nehmen Verbote aus der Bibel tatsächlich ernst und halten sich daran? Alle Verbote, oder nur die, die in Ihre persönliche, fiktive, konstruierte „heile Welt“ passen? Oder würden Sie sich zum Beispiel auch an diese, willkürlich ausgewählten Vorschriften halten?

  • 23 Wenn eine Jungfrau verlobt ist und ein Mann trifft sie innerhalb der Stadt und wohnt ihr bei,
    24 so sollt ihr sie alle beide zum Stadttor hinausführen und sollt sie beide steinigen, dass sie sterben, die Jungfrau, weil sie nicht geschrien hat, obwohl sie doch in der Stadt war, den Mann, weil er seines Nächsten Braut geschändet hat; so sollst du das Böse aus deiner Mitte wegtun.
    25 Wenn aber jemand ein verlobtes Mädchen auf freiem Felde trifft und ergreift sie und wohnt ihr bei, so soll der Mann allein sterben, der ihr beigewohnt hat,
    26 aber dem Mädchen sollst du nichts tun, denn sie hat keine Sünde getan, die des Todes wert ist; sondern dies ist so, wie wenn jemand sich gegen seinen Nächsten erhöbe und ihn totschlüge.
    27 Denn er fand sie auf freiem Felde und das verlobte Mädchen schrie und niemand war da, der ihr half.
    28 Wenn jemand eine Jungfrau trifft, die nicht verlobt ist, und ergreift sie und wohnt ihr bei und wird dabei betroffen,
    29 so soll, der ihr beigewohnt hat, ihrem Vater fünfzig Silberstücke geben und soll sie zur Frau haben, weil er ihr Gewalt angetan hat; er darf sie nicht entlassen sein Leben lang. (5. Mose 22,21-29, Lutherbibel 1984)

Allgemein gefragt, Ihr Wertebild basiert tatsächlich auf den verworrenen, verschwurbelten Aussagen eines Sammelsuriums vormittelalterlicher Mythen und Märchen, die aus unzuverlässigen, größtenteils unbekannten Quellen stammen, die über Jahrhunderte ergänzt, gekürzt, übersetzt und immer wieder neu interpretiert wurden und die über Begebenheiten berichten, die erstmal mehrere Generationen bzw. Jahrhunderte nur mündlich von Menschen, die meist weder lesen noch schreiben konnten überliefert worden waren? Die zu einer Zeit verfasst wurden, in der sich die Menschheit noch in der „Kinderzeit“ ihrer sozio-kulturellen Entwicklung befand? Lange vor Erfindung von Grundgesetz und Menschenrechten und lange, bevor die Entstehung der Erde auch nur annähernd richtig erklärt werden konnte? Nicht wirklich, oder?

[…] „Ich bin, indem du bist.“ – Diese fünf Wörter vermögen zu erklären, wie dieses große Mysterium der Gottesebenbildlichkeit zu verstehen ist: Wir leben mit Gott in einer Beziehung, die sich gegenseitig bedingt. Wir sind nur, indem Gott ist. Und Gott ist nur, indem wir sind.*

Dies ist keine Erklärung, sondern eine völlig beliebige Behauptung. Sie leben genausowenig in einer Beziehung mit Gott (auch wenn Sie sich das natürlich gerne vorstellen und ausmalen dürfen, wenn sie möchten, aber nicht öffentlich und pauschal als Tatsache behaupten!) wie ich. Der zweite Teil enthält wenigstens ein Fünkchen Wahrheit: „Und Gott ist nur, indem wir sind.“ Sachlich richtig formuliert müsste es heißen: „Und die Illusion eines Gottes existiert nur, indem es Menschen gibt, die sich ihn vorstellen.“

Also können wir dann beide nicht ohneeinander.*

Zum großen Glück für die Menschheit ist auch das nur eine völlig sinnfreie Behauptung, ohne jeden Bezug zur Realität. Und für Ihren Gott dürfte es eine ziemliche Beleidigung sein, wenn Sie behaupten, er bräuchte uns, um existieren zu können (umgekehrt genauso).

Wir brauchen uns, wir sind auf alle Zeiten verbunden, ansonsten könnten wir nicht existieren.*

Einmal mehr schießen mir die Begriffe „Humbug“, „Nonsens“ und „Gehirnwäsche“ in den Kopf, wenn ich solche Behauptungen lese. Es gibt genau keinen einzigen Beleg dafür, dass ein Gott die Voraussetzung für unsere Existenz wäre, wohingegen alles dafür spricht, dass wir sehr wohl (und das auch noch wesentlich glücklicher) ohne irgendwelche Götter leben.

Ein mächtiger Gedanke. Ein wunderschöner Gedanke.*

Ein – pardon – vollkommen hirnrissiger Gedanke. Wie soll man einen Mensch ernst nehmen können, der ernsthaft behauptet, unsere Existenz würde von einem Gott abhängen und umgekehrt? Also nicht in der Art: „ich könnte mir vorstellen,…“ oder „wäre es nicht schön, wenn…“, sondern als Tatsachenbehauptung „es IST so“ ?! Was bringt Ihnen eine zwar nur fiktive, aber für Sie ja wahrscheinlicht trotzdem reale Abhängigkeit von einem fiktiven Gott? Was macht diese Vorstellung mit Ihrem Selbstwertgefühl?

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass Ihr Theologe genausowenig wie Sie oder sonst irgendwer im Besitz einer „göttlichen“ Wahrheit ist, weil es eine solche nicht gibt? Dass er Ihnen praktisch jeden beliebigen Bären aufbinden kann, weil er einfach den unbe- und wiederlegbaren Faktor „Gott“ als feste Größe behauptet? Ein Gott, dem er jede beliebige Wahrheit in den Mund legen kann und dessen angeblicher „Wille“ alles von Nächstenliebe bis Völkermord begründen und rechtfertigt?

Denn in den Wörtern schwingt auch mit, dass wir niemals, auch wenn wir ihn einmal weniger stark fühlen, gottverlassen sind.*

Ich finde es sehr beruhigend, dass ich mir absolut sicher sein kann, dass ich immer gottverlassen bin, unabhängig von der Stärke meiner Gefühle.

„Und wenn ich auch wanderte durchs dunkle Tal, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“ (Psalm 23)*

…und unterstützt Sie jederzeit, wenn mal jemand nicht Ihrer oder seiner  Meinung sein sollte:

  • Dazu wird der HERR, dein Gott, Angst und Schrecken unter sie senden, bis umgebracht sein wird, was übrig ist und sich verbirgt vor dir. Lass dir nicht grauen vor ihnen; denn der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte, der große und schreckliche Gott.“ (5. Mose 7,20-21, Lutherbibel 1984)

…allerdings sollten Sie auch daran denken, dass Ihr Gott, der angeblich „nicht ohne Sie kann“, auch schon mal seine gesamte „Schöpfung“ vernichtet hat:

  • Da ging alles Fleisch unter, das sich auf Erden regte, an Vögeln, an Vieh, an wildem Getier und an allem, was da wimmelte auf Erden und alle Menschen.
    Alles, was Odem des Lebens hatte auf dem Trockenen, das starb. So wurde vertilgt alles, was auf dem Erdboden war, vom Menschen an bis hin zum Vieh und zum Gewürm und zu den Vögeln unter dem Himmel; das wurde alles von der Erde vertilgt. (1. MOSE 7, 21ff, Lutherbibel 1984)

Ganz so unselbständig und abhängig von „uns“ scheint er also doch nicht zu sein…

Nachbemerkung: Menschen, die einen erdachten Gott als real voraussetzen und die mit selektiv aus der Bibel ausgewählten Zitaten (die sich mit ebenfalls selektiv ausgewählten, anderen Bibelzitaten einfach widerlegen lassen) argumentieren, entziehen sich nicht nur jeder Glaubwürdigkeit, sondern auch jeder sachlichen Diskussion und Auseinandersetzung.

Selbst wenn man sich bemüht, alle Hirngespinste und haltlose Fiktionen ernst zu nehmen, fällt es nicht immer leicht, sachlich zu bleiben angesichts von ernst gemeinten Aussagen, die tatsächlich aber nur ein ähnliches Gewicht wie Grimms Märchen haben.

*Das Online-Portal osthessennews.de fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle Zitate stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag von Christina Leinweber.

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