Kommentar zu NACHGEDACHT 157 – Äpfel, Bäume, Adam & Eva, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 10.1.2016 von osthessennews.de
Anders als zum Osterfest gab es für die Geburt des Jesus von Nazareth weder ein überliefertes Datum, noch ein bestimmtes Fest. Das ist auch nicht weiter erstaunlich, spielte Jesus doch in Wirklichkeit gar nicht die Rolle, die ihm erst posthum angedichtet worden war. Der historische Jesus war nichts weiter als ein jüdischer Wanderprediger, der die kurz bevorstehende Apokalypse, also das „Jüngste Gericht“ prophezeite.
Die Rolle des Messias und Gottessohnes wurde ihm erst viel später zugeschrieben, nachdem klar geworden war, dass das Jüngste Gericht wohl doch noch nicht ganz unmittelbar bevorstand. So kann heute, rund 2000 Jahre später, mit Fug und Recht behaupten, dass Jesus sich geirrt hatte.
Nachdem man mangels Apokalypse den Verkünder selbst zum Verkündeten gemacht hatte, war es natürlich erforderlich, diese eigentlich mehr oder weniger unbedeutende Person so gut wie möglich weiter zu überhöhen. Die unklaren, ungenauen und stark abweichenden Geschichten über die Geburt des Jesus (von denen die meisten Details heute praktisch einhellig auch von Theologen als kreative Fälschungen bewertet werden) passten da natürlich nicht gut ins Wunschbild.
Schon allein dass es keine schriftlichen Zeitzeugendokumente über Jesus gibt zeigt, dass er zumindest zu seiner Lebenszeit beiweitem nicht die Rolle gespielt haben kann, die ihm nachträglich zugeschrieben worden war. Zu dieser Zeit wimmelte es in dieser Gegend förmlich von Endzeitpredigern, Heilern und Exorzisten, wie auch Jesus einer war. Es ist praktisch keine außerchristliche Quelle bekannt, die über Jesus überhaupt berichtet; ein Chronist nennt Jesus am Rande, aber nur, um die Familienzugehörigkeit seines Bruders zu erläutern.
Grund für die Fälschungen dürfte zum einen gewesen sein, dass es einfach keine historischen Aufzeichnungen gab, auf die die Evangelisten hätten zurückgreifen können, als sie Jahrzehnte und Jahrhunderte nach dem Tod Jesu begannen, die Geschichte, die bis dahin nur bruchstückhaft mündlich überliefert worden war, aufzuschreiben. Das hatte für die Evangelisten natürlich den großen Vorteil, dass sie weitestgehend freie Hand hatten, was das Dazudichten und Weglassen anging.
Da es, was die unklare und nicht schriftlich dokumentierte Geburt angeht, nichts wegzulassen gab, wurde hier fleißig drauf los gedichtet. Um ihr Wunschbild eines Messias und Sohn Gottes zu stärken, waren besonders auch Rückgriffe auf Prophezeiungen und Aussagen aus dem Alten Testament, verfasst etwa zur Bronzezeit, wichtig. So versuchte man mit allen Mitteln und natürlich auch auf Kosten der Wahrheit, Zusammenhänge herzustellen zwischen den alttestamentarischen Geschichten und den jüngeren Ereignissen. „Seht her, die Prophezeiung hat sich erfüllt“ – wahrscheinlich kann man den Evangelisten nachträglich nicht mal böse Absichten unterstellen, sie hielten den, sagen wir mal kreativen Umgang mit der Wahrheit sicher für gottgefällig.
Zurück zum Weihnachtsfest: Nachdem der jüdische Wanderprediger zum Sohn Gottes und gar zum gleichberechtigten Teil Gottes (für einen Juden eine völlig abwegige, weil blasphemische Vorstellung) gemacht worden war, musste er natürlich auch irgendwann Geburtstag haben. Da bot es sich offenbar an, ein schon lange bestehendes Fest kurzerhand für die eigenen Zwecke zu „übernehmen.“
Und so wurde der Geburtstag von Jesus einfach auf eine Zeit gelegt, zu der sowieso schon von jeher in praktisch allen heidnischen und sonstigen Kulten gefeiert wurde: Die Wintersonnwende. Bei dieser Gelegenheit übernahm man gleich noch die sowieso schon bekannten und tradierten Bräuche wie den Baum und die Geschenke von den Heiden. Auch praktisch alle anderen Weihnachtsbräuche wie der Mistelzweig oder das Festessen gehen zweifellos auf heidnische Ursprünge zurück.
Wie schon beschrieben, war es für die damaligen Kirchenführer wichtig, möglichst viele „beweiskräftige“ Zusammenhänge zu alttestamentarischen Aussagen herzustellen. So wundert es nicht, dass auch die Symbolik des Apfels (eine Obstsorte, die erst vor relativ kurzer Zeit entstand und keinesfalls zum angeblichen Beginn der Schöpfung schon vorhanden war, egal, wie spät man diese datiert) von seiner heidnischen Bedeutung als Fruchtbarkeitssymbol kurzerhand zum Symbol für den Paradies-Apfel umgedeutet wurde.
Dass sich niemand ernsthaft (weder symbolisch, noch in echt) Stücke von Jesus in Form von verwandelten Oblaten ins Wohnzimmer hängen wollte, ist gut nachvollziehbar. Gleiches gilt für Kreuze. So wundert es nicht, dass diese Symbole schon längst wieder verschwunden sind.
Soviel zu den Hintergründen des eigentlich heidnischen Kultes, aus dem die Christen ihr Weihnachtsfest erschaffen hatten.
Jetzt stellt sich die spannende Frage: Welche Bedeutung hat diese Geschichte, haben theologische Überlegungen generell heute noch, für die Menschen im 21. Jahrhundert? Natürlich keine größere, als zum Beispiel Überlegungen über einen möglichen Zusammenhang zwischen Schneewittchen und Rapunzel, über die Heldensagen des Odysseus oder über die Familienverhältnisse von Thor und Freya.
Die angeblichen, konstruierten Gründe für die Symbolik, ja für den Anlass des ganzen Festes sind schon in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, übriggeblieben sind die folkloristischen Bräuche, die für den größten Teil der Menschen eben keinen oder zumindest keinen tieferen Sinn mehr haben. Das macht auch nichts, weil dieser Sinn ja nie wirklich bestand, es handelte sich dabei um nichts weiter als archaische Märchen und Mythen, ausgeschmückt und beliebig in Zusammenhang miteinander gebracht von Menschen, die auf jeden Fall einen Vorteil davon hatten, dass andere Menschen daran glaubten.
Eine weitere spannende und durchaus berechtigte Frage: Was hätten die Herren (Frauen spielen, passend zum biblischen Frauenbild, in dieser Disziplin bis heute nur eine verschwindend geringe Rolle) Theologen nicht alles wirklich Sinnvolles für die Menschheit leisten können in der Zeit, die sie damit verplempert haben (und bis heute verplempern), fragwürdigen, irrelevanten, vormittelalterlichen Märchen und Mythen einen Sinn und eine Bedeutung abgewinnen zu wollen?
Heute weiß nicht nur jedes Kind, sondern auch fast jeder Erwachsene, dass die Schöpfungsgeschichte ein Märchen ist. Kaum noch jemand verlangt ernsthaft, dass offensichtlich erfundene biblische Geschichten als historisch angesehen werden müssen. Und so spielt es auch keine Rolle mehr, was der Apfel heute theologisch bedeutet (eine Erklärung, warum der Apfel, der in der Schöpfungsgeschichte ja angeblich noch die „Frucht der Verführung“ vom „Baum der Erkenntnis“ war, jetzt auf einmal für die Erlösung der Menschen durch Jesus stehen soll, bleibt die Autorin schuldig, es spielt aber auch, wie schon geschrieben, keine Rolle). Genauso tiefsinnig könnte man sich über Schneewittchens Apfel Gedanken machen.
Jedes Kind weiß außerdem, dass „Sünden“ nicht durch eine angeblich in den Leib von Jesus verwandelte Oblate „vergeben“ werden können. Und dass es natürlich geradezu pervers wäre, sich sadistische, grauenvolle Todesfolterungsgeräte wie Kreuze in die Wohnung zu hängen.
Und schließlich weiß jedes Kind auch, dass Jesus eben keine paradiesischen Zustände herstellt oder hergestellt hat, im Gegenteil. Dazu genügt es, einmal Nachrichten zu schauen. Das ist nichts weiter als ein naiver Wunsch, der einen dramatischen Realitätsverlust befürchten lässt.
Auch dadurch, dass Weihnachten und Ostern untrennbar zusammengehören, ändert sich nichts an der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit für die Menschheit im 21. Jahrhundert. Und dass Weihnachten an Weihnachten gefeiert wird, hat nichts mit Jesus, sondern mit der Wintersonnwende zu tun.
Das Onlineportal Osthessennews fordert jede Woche in der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Dieser Kommentar bezieht sich auf den eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.
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